Nicht erst seit Pandemiezeiten ist Hygiene in Einrichtungen des Gesundheitswesens sehr wichtig, um Infektionen zu vermeiden. Für dieses Umfeld definiert die neu eingeführte Hygienenorm DIN 130643 „Krankenhausreinigung“ auszuführende Tätigkeiten.
Die Norm sichert zwar die Qualität, sie steigert aber auch den Aufwand für das Reinigungspersonal. Immer mehr Aufgaben in kürzerer Zeit erhöhen das Risiko, dass die „Hygiene Compliance“ leidet. Der Fachkräftemangel und der demographische Wandel verschärfen das Problem. Derzeit sind keine geeigneten Reinigungsroboter am Markt verfügbar, die den speziellen Herausforderungen im Gesundheitswesen technologisch und wirtschaftlich gerecht werden.
Schlüsseltechnologien für Reinigungsroboter im Gesundheitswesen
Diese Herausforderungen adressiert das Forschungsprojekt „Roboterbasierte Reinigung und Desinfektion von Böden und Oberflächen in Einrichtungen des Gesundheitswesens“ (RoReBO). Projektpartner sind Adlatus Robotics, InMach Intelligente Maschinen, bwcon research und das Fraunhofer IPA. Als Anwendungspartner ist unter anderem der Klinikverbund Südwest eingebunden.
Gemeinsam entwickeln die Partner neue Schlüsseltechnologien und Geschäftsmodelle für den Einsatz von Reinigungsrobotern beispielsweise in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Die Roboter sollen Reinigungsfachkräfte bei ihrer Arbeit unterstützen und entlasten. Eine enge Vernetzung mit Kliniken und Pflegeheimen stellt eine bedarfsgerechte Entwicklung sicher und ermöglicht, die Projektergebnisse unter Realbedingungen zu validieren. Finanzielle Mittel erhält das Projekt vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg im Rahmen des Förderprogramms Invest BW Innovation.
In den letzten Jahren ist der Markt für gewerbliche Reinigungsroboter stark gewachsen. Laut der „International Federation of Robotics“ sind 2020 die verkauften Einheiten im Vergleich zum Vorjahr um 92 Prozent gestiegen. Geräte speziell für die gewerbliche Bodenreinigung verkauften sich mit 20.600 Einheiten zweieinhalbmal so viel.
Viele Roboterhersteller haben dieses Potenzial erkannt, darunter auch die Baden-Württembergische Firma Adlatus Robotics, deren Bodenreinigungsroboter bereits Hallen in Logistik, Industrie, Kliniken oder in Flughäfen reinigt und der ohne besonderes Vorwissen zu bedienen ist. Das sind gute Voraussetzungen für einen umfassenderen Einsatz autonomer Reinigungsroboter in Kliniken und Pflegeheimen. Mit neuen Fähigkeiten, die in RoReBO entwickelt werden, möchte die Firma die Bedarfe der Einrichtungen noch besser adressieren.
Automatisierte Reinigung auf Stationen und in Patientenzimmern
„Auf den Stationen und in Patientenzimmern ist meist nicht viel Platz, zudem befinden sich darin oft diverse medizinische Geräte oder persönliche Gegenstände. Dennoch ist der Anspruch der Einrichtungen, dass auch hier die Kanten und Ecken gründlich gereinigt werden“, erklärt Matthias Strobel, Geschäftsführer bei Adlatus Robotics, die Rahmenbedingungen für den Robotereinsatz.
Diese Aufgabe löst am besten ein kleiner, kompakter Roboter, der wendig durch die Einsatzumgebung manövriert. Deshalb entwickelt Adlatus in „RoReBO“ eine neue Bodenreinigungsplattform, die besonders für den Einsatz in diesen engen Umgebungen geeignet ist. Neben konventionellen Bodenreinigungsmodulen wird unter der Plattform auch eine Aktorik entstehen, die Zusatzfunktionen auslöst, um schwer zugängliche Eckbereiche zu reinigen.
Nachdem Wissenschaftler des Fraunhofer IPA bereits im Projekt „MobDi – Mobile Desinfektion“ Funktionen für das roboterbasierte Desinfizieren häufig angefasster Objekte in Büroumgebungen wie Türklinken und Lichtschalter entwickelt haben, adressiert „RoReBo“ jetzt Krankenhäuser und im Speziellen Flure, Patienten- und Behandlungszimmer als Einsatzumgebung.
Hierfür wird der ebenfalls in MobDi entstandene Reinigungsroboter „DeKonBot 2“ im Projekt um neue Funktionen erweitert. Beispielsweise erhält er neue adaptive Reinigungswerkzeuge, die an die besonderen Anforderungen im Krankenhaus und die dort zu reinigenden Oberflächen angepasst sind. „Zudem ist vor allem das Öffnen der Türen eine wichtige neue Funktion. Damit kann der Roboter seinen autonomen Einsatz ausweiten und auch Umgebungen wie die Patientenzimmer erreichen, die ihm bisher nicht zugänglich waren“, erklärt Simon Baumgarten, Projektverantwortlicher am Fraunhofer IPA.
„Wir planen, den Roboterarm für das Türöffnen so einfach zu gestalten, dass er sich leicht für andere Roboter nutzen lässt. Das kann die generellen Einsatzmöglichkeiten von Servicerobotern in öffentlichen Bereichen deutlich erweitern“, ergänzt Baumgarten.
Softwareseitig entwickelt der Projektpartner InMach Verfahren für die autonome Navigation weiter, damit der Roboter komplexe Navigationsmuster abfahren kann und dabei auch Rand- und Eckenbereiche zuverlässig reinigt. Die Experten des Fraunhofer IPA erweitern ihre Technologien der Bildverarbeitung, um neue zu reinigende Oberflächen in den Fluren und Zimmern sowie Türen und ihre Eigenschaften erkennen zu können, beispielsweise in welche Richtung sie sich öffnen.
Auch passen die Forscher ihre Methoden an, damit der Roboter auf Basis der verarbeiteten Bilddaten die Objekte reinigen kann. Vor allem die Steuerung für das Türöffnen ist herausfordernd, weil dabei die Bewegungen der mobilen Plattform mit denen des Roboterarms synchronisiert werden müssen.
Anwendung in der Praxis
Die geplanten Entwicklungen basieren auf Bedarfs- und Anforderungsanalysen aus der Krankenhauspraxis. In Hospitationen in Kliniken und Pflegeeinrichtungen vollziehen die Projektpartner die aktuellen manuellen Reinigungsprozesse und Rahmenbedingungen für eine optimale Ausführung nach. Workshops mit Experten aus der Praxis dienen dazu, die Bedürfnisse und Anforderungen an die zu entwickelnden Roboterfunktionen zu ermitteln und Umsetzungskonzepte zu validieren. Zudem kann auf Ergebnisse vorheriger Praxistests mit mobilen Reinigungsrobotern zurückgegriffen werden.
Nach erfolgreicher Umsetzung werden die entwickelten Technologien und Roboter erst im Labor, dann in Kliniken und Pflegeheimen getestet und anhand der Erfahrungen optimiert. Für den Praxistransfer entwickelt bwcon geeignete Geschäftsmodelle für Einrichtungen des Gesundheitswesens.