„Lauf einfach weiter“ Robotische Hose als Gehhilfe

Das System erkennt, wie schnell oder langsam sich die Person bewegt, passt sich an das jeweilige Gewicht der Beine an und unterstützt entsprechend individuell.

Bild: DALL·E, publish-industry
13.11.2024

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) haben eine Roboterhose entwickelt, die das Gehen erleichtert und den Energieaufwand reduziert. Die Technologie soll vor allem älteren und gebrechlichen Menschen helfen, länger mobil und gesund zu bleiben. „Damit kann man langsam gehen, aber auch joggen“, sagt TUM-Professor Lorenzio Masia. „Wir haben ein System entwickelt für Menschen, mit dem man sich gerne mehr bewegt. Das ist das gleiche Konzept wie das Elektrorad, nur für das Laufen.“

Nach Analysen der Forschenden spart ein junger Mensch, der auf einem 500 m langen Weg einen Berg hochgeht, unterstützt durch die robotische Hose, durchschnittlich knapp 18 Prozent der Energie ein, die er normalerweise benötigt hätte. Auch ein älterer Mensch, der auf der Ebene 400 m weit unterwegs ist, reduziert seine nötige Energie mit Technikeinsatz um mehr als zehn Prozent. Das entspricht einem etwa 10 beziehungsweise 6 kg geringeren Körpergewicht. Die Konstruktion, die das möglich macht, nennen die Forschenden WalkON, was so viel wie „Lauf einfach weiter“ heißt.

Wenn Doktorandin Enrica Tricomi vom Stehen ins Gehen übergeht, ziehen zwei dünne Drähte, die vom Oberschenkel bis zum Hüftgurt reichen, gleichzeitig nach oben und nehmen der Muskulatur im Oberschenkelbeuger einen Teil der Arbeit ab. Ein am Oberschenkelgurt angebrachtes Messgerät ermittelt die Winkelstellung und -geschwindigkeit der Beine. Genau beim Übergang in die Schwungphase gibt das Gerät ein Signal an die Motoren. Dabei ist es egal, ob ein älterer Mensch die robotische Hose trägt oder aber ein sportlicher Jugendlicher: „Das System erkennt, wie schnell oder langsam sich die Person bewegt, passt sich an das jeweilige Gewicht der Beine an und unterstützt entsprechend individuell“, erläutert die Forscherin. Ihre Smart-Robotic-Shorts erfordern keinerlei Voreinstellungen, sind innerhalb von wenigen Minuten angezogen und einsatzbereit. Sie funktionieren quasi per „Plug & Play“.

Faktor Gesundheit: Ältere Menschen profitieren besonders

Wer das System nutzt, fühlt sich sicher, wie eine Umfrage unter den Teilnehmenden der Studie ergab. Auf einer Skala von null (keine Kontrolle möglich) bis sieben (sehr gute Kontrolle möglich) landen die Bewertungen durchschnittlich bei über sechs. „Gerade bei älteren Menschen ist es wichtig, dass sie sich sicher fühlen“, sagt Masia, der sein System insbesondere bei Menschen für sinnvoll hält, die zwar etwas gebrechlich sind, aber noch keinen Rollator benötigen.

Der Professor, der gerade von der Universität Heidelberg als stellvertretender Direktor zum Munich Institute of Robotics and Machine Intelligence (MIRMI) der TUM gewechselt ist, sieht neben älteren Menschen auch Personen, die durch eine Krankheit geschwächt sind, etwa ein schwaches Herz haben oder an Lungenerkrankungen leiden, als Zielgruppe der Entwicklung. „Laufen hilft ihnen, den Stoffwechsel zu verbessern, was sich wiederum positiv auf ihre Erkrankung auswirken kann“, sagt Masia. Dadurch, dass Nutzerinnen und Nutzer länger unterwegs sein können, sind sie insgesamt mobiler und unabhängiger. Dies hat kann eine positive Auswirkung auf die Lebensqualität bewirken.

Vision: Exoskelette für die Freizeit entwickeln

Im Gegensatz zu Systemen, die als so genannte Exoskelette in Outdoorgeschäften bereits angeboten werden, handelt es sich nicht um ein hartes Gestell, sondern um weiche Kleidung. „WalkOn sieht mehr nach Keidung aus und ist insgesamt nicht größer als ein kleiner Rucksack“, sagt Doktorandin Tricomi, die das System in den letzten vier Jahren Stück für Stück zu dem gemacht hat, was es jetzt ist. In der Zukunft wird ein modulares System entstehen, das sich der Nutzer selbst zusammenstellen kann, ist Prof. Lorenzo Masia überzeugt: „In ein paar Jahren kauft man sich eine kurze Hose, befestigt daran einen Motor, steckt zwei Kabel an und fertig ist das System, mit dem man in die Berge gehen kann.“

Bildergalerie

  • Eine Seniorin testet die robotische Hose, die TUM-Wissenschaftlerin Enrica Tricomi mitentwickelt hat.

    Eine Seniorin testet die robotische Hose, die TUM-Wissenschaftlerin Enrica Tricomi mitentwickelt hat.

    Bild: Uwe Anspach

  • Die robotische Hose WalkON hilft Menschen beim Laufen. Zwei Motoren ziehen Seile, die zur Unterstützung der Oberschenkelmuskulatur dienen.

    Die robotische Hose WalkON hilft Menschen beim Laufen. Zwei Motoren ziehen Seile, die zur Unterstützung der Oberschenkelmuskulatur dienen.

    Bild: Uwe Anspach

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