Die Trends hin zu einer Digitalisierung und Vernetzung der Produktion wirken sich auch zunehmend auf die Landwirtschaft aus: In einer im November letzten Jahres vom Bauernverband und dem Digitalverband Bitkom veröffentlichten Studie zur Digitalisierung der Landwirtschaft gingen 49 Prozent der befragten Landwirte und Lohnunternehmer davon aus, dass der Einsatz von autonomen Traktoren im Jahr 2030 weit verbreitet sein wird.
Anfang 2017 war die Entwicklung autonomer Nutzmaschinen für die Landwirtschaft eines der Kernthemen der Landwirtschaftsmesse SIMA in Paris. Dort präsentierte der Landtechnikhersteller Case einen autonomen Konzepttraktor, der sich durch die fehlende Fahrerkabine schon optisch von herkömmlichen Fahrzeugen unterschied.
Nachrüsten für das autonome Fahren
Das Tiroler Familienunternehmen Lindner hat nun einen neuen Traktor vorgestellt, der für das autonome Fahren nachgerüstet werden kann, sobald es erlaubt wird. Gemeinsam mit ZF Friedrichshafen entwickelt Lindner den TracLink-Pilot. „Damit ermöglichen wir erstmals hochautomatisierte Fahrfunktionen im Grünland“, erklärt Geschäftsführer Hermann Lindner. Aktuell läuft die intensive Testphase. „Der Lintrac 110 ist so konzipiert, dass er für das autonome Fahren nachgerüstet werden kann, sobald es erlaubt wird.“
„Unser Prototyp zeigt, wie auch die Landwirtschaft von den Megatrends Vernetzung und künstliche Intelligenz profitiert“, sagt Mark Mohr, Leiter des Projekthauses Automated Operations bei ZF, über das Testfahrzeug auf Basis des Lintrac 90. ZF hat den Traktor mit einer Reihe intelligenter Systeme ausgestattet. Durch die Ausrüstung des Fahrzeugs mit verschiedenen Kameras, Lidar- und Radarsensoren, deren Signale von der Deep-Learning-fähigen Steuerplattform ZF Pro AI verarbeitet werden, verfügt der Traktor über ein 360-Grad-Surround-View mit Personenerkennung. Ein zusätzliches GPS-System in Verbindung mit dem Lenk-, Hydraulik- und dem stufenlosen Getriebesystem macht den automatisierten Ablauf von Prozessen in der Landwirtschaft möglich. Diese lassen sich auch per App aktivieren. „Ein sicherer Stillstand des Fahrzeuges wird durch die Ansteuerung der elektromechanischen Parkbremse erreicht“, berichtet Mohr.
Unterstützung durch einen sensorbasierten Assistenten
Ein Beispiel dafür ist die Prozessoptimierung: Ein sensorbasiertes Assistenzsystem erfasst Schnittkanten, Feldgrenzen und Mähschwaden und hält den Traktor automatisch auf Spur, was den Arbeitsvorgang effizienter gestaltet und den Fahrer entlastet. Sicherer wird die Fahrt durch die erwähnte Rundumsicht, die nicht nur der Traktor im Blick hat, sondern auch der Landwirt dank praktischem Tablet im Cockpit. Mit der „Copy-und-Paste“-Funktion erlernt der Schlepper die gefahrene Route. Nach der ersten Tour ist der Traktor somit in der Lage, die Fläche automatisch und ohne Fahrer zu bearbeiten. Hierbei achtet er dank Personen- und Objekterkennung permanent auf die Sicherheit in seiner Umgebung.
Eine weitere Anwendung ist die „Follow-me“-Funktion, mit der der Traktor selbstständig einem vorausfahrenden Schlepper folgt. Werden beide Fahrzeuge mit unterschiedlichen Geräten ausgestattet, lassen sich dadurch beispielsweise zwei Arbeitsschritte in einer Route zusammenfassen. „Wir liefern damit einen kompakten, wendigen und stufenlosen Traktor für die Berg- und Grünlandwirtschaft, den Weinbau, den Forst und den Kommunalbereich“, erklärt Geschäftsführer Hermann Lindner. Das höchstzulässige Gesamtgewicht des neuen Lintrac 110 liegt bei acht Tonnen, die Nutzlast bei rund 3,5 Tonnen. Mit der Vorserie startet Lindner im Juni 2018. Die Serienproduktion der Agrar- und der Kommunalversion beginnt im Sommer 2018.
Verschiedene Hürden auf dem Weg
Bis zum flächendeckenden Einsatz von autonomen Traktoren in Deutschland sind allerdings noch einige Hürden zu nehmen. Auf der einen Seite müssen die juristischen Voraussetzungen dazu geschaffen werden. Bundestag und Bundesrat haben bereits einen entsprechenden Gesetzesentwurf dazu auf den Weg gebracht. Auf der anderen Seite hängt auch diese Entwicklung wesentlich vom Breitbandausbau und der Netzabdeckung im ländlichen Raum ab. Ein Blick auf die Karte zur Breitbandverfügbarkeit der deutschen Haushalte auf der Homepage des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zeigt hier teilweise noch deutliche Lücken auf.
Daneben sind noch ein paar weitere Fragen wie die nach der Verfügbarkeit von Geodaten oder die nach der Sicherheit und Hoheit der Traktordaten zu klären. Genügend Potenzial für diese neue Technologie wäre aber vorhanden.