Der Wandel, den die dänische 180.000-Einwohner-Stadt Odense vollzieht, ist bezeichnend. War es in der Vergangenheit vor allem der Schiffsbau, der die Stadt prägte, soll diese Aufgabe nun die Robotik übernehmen. Bis 2020 soll Odense zur weltweit führenden Robotik-Stadt werden. Durch die Erfolge von Universal Robots, Startup-freundlicher Rahmenbedingungen und dem Zusammenhalt der Technologie-Community, wie sie von Søren G. Aarhus von Odense Robotics beschrieben wurden, wohl durchaus realistisch.
Von der Medizintechnik bis zum Einzelhandel
Dass es in der Assistenz- und Servicerobotik keineswegs nur um ein paar technische Spielereien und Gimmicks geht, verdeutlichten Prof. Dr. Stefano Stramigioli von der niederländischen University of Twente sowie Wolfgang Ptacek vom Austrian Center for Medical Innovation and Technology in ihren Vorträgen. Ob in der Brustkrebsdiagnose, bei Autopsien oder in der Neurochirurgie: Viele Disziplinen der Medizin, vor allem aber betroffene Patienten sollen in den kommenden Jahren von Robotiklösungen profitieren. Denn Eingriffe laufen präziser und schonender ab, während Künstliche Intelligenz auch die Diagnostik verbessert.
Ein komplett anderes Einsatzfeld der Servicerobotik, nämlich den Lebensmitteldiscounter, stellte Dr. Nikolaus Blümlein von der deutschen Lidl Stiftung vor. Die Herausforderung hier: Roboter müssen mit den besonderen Bedingungen der Läden zurechtkommen, wenn sie Regale auffüllen, Kartonagen entsorgen oder Einkäufe an der Kasse verpacken sollen. Was in strukturierten Großlagern mit Transportplattformen bereits realisiert ist, soll künftig auch auf den Einzelhandel ausgedehnt werden. Wie dies gelingen kann, war bei der abschließenden Company Tour im Danish Technological Institute (DTI) anhand einer Studie zu erleben.
Künstliche Intelligenz als Triebfeder
Vor allem auf Seiten der Software, aber auch mechanisch sind interessante Entwicklungen zu verzeichnen. Das belegten die Referate von Prof. Dr. Jan Peters von der Universität Darmstadt, Martin Naumann von Drag and Bot, Dr. Klas Nilsson von Cognibotics, Prof. Michael Beetz von der Universität Bremen sowie Prof. Jamie Paik vom Reconfigurable Robotics Lab der Eidgenössischen Technischen Hochschule (EPFL) Lausanne. Alle fünf beleuchteten Ansätze, wie Serviceroboter mithilfe unterschiedlicher Methoden der KI intuitiv programmiert, aber auch mechanisch optimiert werden können.
Das Ziel dabei: einfach nutzbare Serviceroboter für die „Do-it-yourself-Automation“, wie es Naumann umschrieb. Ähnlich wie im Kindergarten oder in der Grundschule sollen Serviceroboter in Simulationsumgebungen über die drei Stufen beobachten, nachahmen und optimieren eigene Bewegungsabläufe lernen, trainieren und dann auf Grundlage der erarbeiteten Wissensbasis an neue Anforderungen in der realen Welt adaptieren. Festzuhalten ist aber auch, dass künftig so manche mechanische Herausforderung zu lösen sein wird, beispielsweise das Zusammenspiel von Kraft, Präzision und Geschwindigkeit, wenn Roboterarme oder Greifer im unmittelbaren Umfeld des Menschen bewegt werden.
Sicherheit und Eigenverantwortung
Das sichere Zusammenspiel von Mensch und Roboter beleuchteten Dr. Walter Wohlkinger von Blue Danube Robotics sowie Thomas Pilz, geschäftsführender Gesellschafter des Sensorspezialisten Pilz. Dabei wurde zweierlei klar: Es gibt vielfältige Möglichkeiten, um sichere Anwendungen für die Mensch-Roboter-Kollaboration zu realisieren, von der Sensorhaut für Roboter über die Steuerung der Bewegungsabläufe bis zur sensorgestützten Raum- und Greifkraftüberwachung.
Aber auch der Mensch wird sich dem Verhalten des Roboters anpassen müssen. So plädierte Pilz dafür, die geltenden Normen entsprechend den Entwicklungen der Servicerobotik anzupassen und kritisch zu hinterfragen, wann und in welchem Umfang technische Absicherungen oder auch Unterweisungen der Anwender sinnvoll sind.
Globale Aufmerksamkeit als Ziel
Einen ökonomischen, aber auch ethischen Blick auf die Servicerobotik gaben schließlich Jeff Burnstein von der Association for Advancing Automation, Oliver Stahl von Robotise sowie Niels Jul Jacobsen von Mobile Industrial Robots. Mittlerweile engagieren sich China, USA und Europa im Bereich der Servicerobotik, wobei unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und unterschiedliche Strategien in der Umsetzung gefahren werden.
So vertrat Burnstein die Ansicht, dass es nicht mehr entscheidend sei, wer zuerst über eine neue Technologie verfügt, sondern vielmehr, wer die Technologie am wirkungsvollsten einsetzt und globale Aufmerksamkeit erzeugt. Bei der Frage der Ethik sah Stahl allein den Menschen am Zug: Nicht der Roboter, sondern der Mensch sei es, der entscheidet, was aus den Technologien gemacht wird. Für den Erfolg der Servicerobotik sind also noch so manche Hausaufgaben zu machen, vor allem in Bezug auf die Aspekte Intelligenz, Sicherheit, Mapping, Clouds und Standardisierung – aber auch in Sachen Ethik.
Für Henrik A. Schunk, geschäftsführender Gesellschafter bei Schunk und Initiator der Expertentage, stand am Ende des Symposiums fest: Es waren die bislang besten Schunk Expert Days. Das hat zum einen am besonderen Ökosystem von Odense, aber auch an der Dynamik gelegen, die das Thema Servicerobotik mittlerweile gewinnt. Man darf also schon heute gespannt sein, was die Neuauflage der Veranstaltungsreihe im kommenden Jahr bringen wird.