Festo stellt auf der Hannover Messe 2019 seine neuen Bionik-Projekte vor. Dazu gehört unter anderem die pneumatische Roboterhand BionicSoftHand. Kombiniert mit dem BionicSoftArm, einem pneumatischen Leichtbauroboter, eignet sich die Konstruktion für die Mensch-Roboter-Kollaboration.
Sensible Hand mit großer Kraft
Damit die BionicSoftHand sicher und direkt mit dem Menschen interagieren kann, wird sie pneumatisch betrieben. Im Gegensatz zur menschlichen Hand besitzt die BionicSoftHand keine Knochen. Ihre Finger bestehen aus flexiblen Balgstrukturen mit Luftkammern. Umschlossen sind die Bälge in den Fingern von einem speziellen 3D-Textilmantel, der sowohl aus elastischen als auch hoch festen Fäden gestrickt ist. Damit kann über das Textil genau bestimmt werden, an welchen Stellen die Struktur sich ausdehnt und damit Kraft entfaltet und wo sie an der Ausdehnung gehindert wird. Die Hand ist dadurch leicht, nachgiebig, anpassungsfähig und sensibel, aber dennoch in der Lage, starke Kräfte auszuüben.
Lernen durch Trial and Error
Die Lernmethoden von Maschinen sind mit denen des Menschen vergleichbar. Ob positiv oder negativ, sie benötigen eine Rückmeldung auf ihre Aktionen, um diese einordnen zu können und daraus zu lernen. Bei der BionicSoftHand kommt die Methode des Reinforcement Learning zum Einsatz: das Lernen durch Bestärken.
Das bedeutet: Statt einer konkreten Handlung, die sie nachahmen muss, bekommt die Hand lediglich ein Ziel vorgegeben. Dieses versucht sie durch Ausprobieren, sprich Trial and Error zu erreichen. Anhand des Feedbacks optimiert sie nach und nach ihre Aktionen, bis sie schließlich die gestellte Aufgabe erfolgreich löst.
Konkret soll die BionicSoftHand einen zwölfseitigen Würfel so drehen, dass am Ende eine vorher festgelegte Seite nach oben zeigt. Das Einlernen der dazu nötigen Bewegungsstrategie geschieht in einer virtuellen Umgebung anhand eines digitalen Zwillings, der mithilfe der Daten einer Tiefenkamera und den Algorithmen der Künstlichen Intelligenz erstellt wird.
Verschlauchung schlank halten
Um den Aufwand für die Verschlauchung der BionicSoftHand möglichst gering zu halten, haben die Entwickler eine kleinbauende, digital geregelte Ventilinsel konstruiert, die direkt unterhalb der Hand angebracht ist. Auf diese Weise müssen die Schläuche zur Ansteuerung der Finger nicht durch den kompletten Roboterarm gezogen werden. Die BionicSoftHand lässt sich so mit nur je einem Schlauch für Zuluft und Abluft schnell und einfach anschließen und in Betrieb nehmen. Mit den eingesetzten proportionalen Piezoventilen sind die Bewegungen der Finger präzise regelbar.
Gefahrlose Zusammenarbeit möglich
Die strikte Trennung zwischen der menschlichen Arbeit und den automatisierten Aktionen von Robotern wird zunehmend aufgehoben. Ihre Arbeitsbereiche verschmelzen zu einem kollaborativen Arbeitsraum, in dem vor allem Roboter gefragt sein werden, die sich flexibel anpassen lassen und sich auf unterschiedliche Szenarien einstellen. Mit dem pneumatischen Roboterarm BionicSoftArm sollen Mensch und Maschine in Zukunft gleichzeitig dasselbe Werkstück bearbeiten, ohne dass sie voneinander abgeschirmt werden müssen.
Der BionicSoftArm ist eine kompakte Weiterentwicklung des BionicMotionRobot von Festo, dessen Anwendungsspektrum durch einen modularen Aufbau deutlich erweitert worden ist. Der Arm lässt sich nun mit bis zu sieben pneumatischen Balgsegmenten und Drehantrieben kombinieren. Damit ist er in Reichweite und Beweglichkeit flexibler und kann bei Bedarf auch auf engstem Raum um Hindernisse herum arbeiten. Gleichzeitig ist er von Grund auf nachgiebig und soll deshalb gefahrlos mit dem Menschen zusammenarbeiten können. Eine direkte Mensch-Roboter-Kollaboration ist mit dem BionicSoftArm ebenso möglich wie der Einsatz in klassischen SCARA-Anwendungen, beispielsweise Pick-and-Place-Aufgaben.
Je nach Aufbau und montiertem Greifer lässt sich der modulare Roboterarm für verschiedene Anwendungen nutzen. Seine nachgiebige Kinematik erleichtert ihm die Anpassung an unterschiedliche Aufgaben an wechselnden Orten. Der Wegfall aufwendiger Sicherheitseinrichtungen wie Käfigen oder Lichtschranken verkürzt die Umbauzeiten und ermöglicht einen flexiblen Einsatz.
Ebenfalls vorgestellt: Unterwasserroboter mit Flossenantrieb
Die Natur lehrt uns eindrucksvoll, wie die optimalen Antriebssysteme für bestimmte Schwimmbewegungen aussehen. Um sich fortzubewegen, erzeugen Meeresstrudelwurm und Sepia mit den Flossen eine durchgängige Welle, die sich entlang ihrer gesamten Länge voranschiebt. Für den BionicFinWave hat sich das Bionik-Team von dieser undulierenden Flossenbewegung inspirieren lassen. Die Undulation drückt das Wasser nach hinten, wodurch ein Vorwärtsschub entsteht. Mit diesem Prinzip manövriert sich der Unterwasserroboter wie ein Fisch vorwärts oder rückwärts durch ein Rohrsystem aus Acrylglas.
Seine beiden Seitenflossen sind komplett aus Silikon gegossen und kommen ohne Verstrebungen oder andere Stützelemente aus. Die beiden Flossen sind links und rechts jeweils an neun kleinen Hebelarmen befestigt, die wiederum von zwei Servomotoren angetrieben werden. Zwei anliegende Kurbelwellen übertragen die Kraft auf die Hebel, sodass sich die beiden Flossen individuell bewegen lassen und unterschiedliche Wellenmuster generieren können. Sie eignen sich besonders für eine langsame und präzise Fortbewegung und wirbeln weniger Wasser auf als beispielsweise ein Schraubenantrieb.
Damit die Kurbelwellen entsprechend flexibel und biegsam sind, sitzt zwischen jedem Hebelsegment ein Kardangelenk. Dazu wurden die Kurbelwellen inklusive der Gelenke und des Pleuels aus Kunststoff in einem Stück im 3D-Druck-Verfahren gefertigt – wie auch die restlichen Körperelemente des BionicFinWave. Denkbare Einsatzgebiete des bionischen Technologieträgers wären etwa Inspektionen, Messreihen oder Datensammlungen in der Wasser- und Abwassertechnik oder anderen Gebieten der Prozessindustrie.
Der BionicFinWave stand bereits in unserer P&A-Ausgabe 7+8.2018 im Rampenlicht. Lesen Sie hier mehr dazu.