Projekt zu Treibhausgasneutralität CO2-neutrale Produktion: Wie kann das klappen?

Die Stahlproduktion ist einer der Haupttreiber von CO2-Emissionen. Mittels einer Roadmap soll sie bis 2050 klimafreundlicher werden.

17.01.2024

Deutschland bis 2045 CO2-neutral machen? Ein Projekt gibt nun klare Leitlinien hierfür. In „DekarbInd“ ist ein ganzheitliches Bewertungsschema für Technologien zur klimaneutralen Umstellung industrieller Produktionsprozesse entwickelt worden, ebenso wie Eckpunkte für eine Dekarbonisierung der Stahl- und Zementindustrie.

Deutschland soll bis 2045 treibhausgasneutral werden – doch allein 2021 emittierte die deutsche Industrie etwa 181 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Auf sie entfallen damit rund 24 Prozent der nationalen Treibhausgasemissionen. Etwa zwei Drittel der industriellen Emissionen stammen aus der energieintensiven Industrie, wovon wiederum die Hälfte von der Stahl- und Zementindustrie verursacht wird.

Aufgrund ihrer prozessbedingten Emissionen sowie hoher Prozesstemperaturen gestaltet sich die Dekarbonisierung hier besonders herausfordernd. Für ihr Gelingen sind neue technologische Konzepte und langfristig angelegte politische Rahmenbedingungen essenziell, um der Industrie Planungssicherheit für notwendige Investitionen zu geben. Genau hier setzte das Projekt „DekarbInd“ an.

Ausgangspunkt für „DekarbInd“

In „DekarbInd“ entwickelten Forschende des Fraunhofer ISI und des Wuppertal-Instituts unter anderem Eckpunkte für Roadmaps zur Dekarbonisierung der Stahl- und Zementindustrie. In mehreren Workshops tauschten sich Stakeholder aus Wirtschaft, Industrie, Verbänden, gesellschaftlichen Interessengruppen, Politik, Behörden und Wissenschaft über zwei Jahre hinweg partizipativ aus. Ausgangspunkte beider Roadmaps waren die Erarbeitung gemeinsamer Visionen, möglicher Transformationspfade, Identifikation von Treibern und Hemmnissen sowie konkreter Maßnahmen und Handlungsfelder.

Derkarbonisierung der Stahlindustrie

Der für die Stahlindustrie erarbeiteten Roadmap liegt die Vision einer Dekarbonisierung bis 2050 zugrunde – und dass der Industriezweig sowohl global wettbewerbsfähig bleibt als auch weiterhin ein hohes gesellschaftliches Ansehen genießt. Bei der Transformation erscheint vor allem der Bau neuer, mit grünem Wasserstoff betriebener Direktreduktionsanlagen als vielversprechend, wenngleich diese teuer sind. Außerdem sollen der Schrotteinsatz in der Stahlproduktion erhöht sowie die Dekarbonisierung der Elektrostahlproduktion vorangetrieben werden.

Haupthindernisse für den Wandel sind derzeit ein noch offener regulatorischer Rahmen und das Fehlen einer handelsüblichen Definition für „grünen Stahl“. Maßnahmen sollten hier direkt ansetzen: Beispielsweise sollte das „Fit-für-55“-Paket, welches verbindliche Rechtsvorschriften zum EU-Ziel der Reduzierung der Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent schafft, stellenweise konkretisiert werden. Auch könnten einheitliche Standards für die Bilanzierung der CO2-Intensität von Stahlprodukten helfen, nicht zuletzt, um die Entstehung von Leitmärkten für grünen Stahl zu begünstigen.

Knappe Ressourcen wie etwa von Wasserstoff sind ein weiteres Hemmnis, dem mittels einer zusätzlichen Versorgung über internationale Märkte begegnet werden sollte. Um dem Mangel an hochwertigem Schrott entgegenzuwirken, der vor allem auf fehlende Recycling-Geschäftsmodelle und eine schlechte Recycelbarkeit von Endprodukten zurückzuführen ist, könnten eine bessere Produktregulierung sowie eine verbesserte FuE-Förderung Abhilfe schaffen.

Derkarbonisierung der Zementindustrie

Bezüglich der Zementindustrie benennt die Roadmap ebenfalls die Vision einer Dekarbonisierung bis spätestens 2050, die mittels einer deutlichen Reduzierung der brennstoffbedingten CO2-Emissionen erreicht werden soll. Die Bereitstellung von Energie soll mittel- bis langfristig vollständig durch CO2-neutralen Strom, Wasserstoff oder Biomasse erfolgen. Diese Energieträger sind jedoch schon heute knapp und werden dies auch in Zukunft bleiben, was ein Haupthemmnis darstellt. Für die Zementindustrie sind sie daher noch nicht wirtschaftlich einsetzbar und gehen mit entsprechend hohen Kosten einher.

Die Verwendung neuer Zemente und Betonbautechniken könnten die Dekarbonisierung ebenfalls vorantreiben und sollte weiter erforscht werden, damit sie künftig in ausreichenden Mengen verfügbar sind. Für verbleibende, nicht anderweitig vermeidbare CO2-Mengen ist der Aufbau von CO2-Abscheideanlagen an Klinkeröfen erforderlich, die spätestens ab circa 2030 sukzessive im industriellen Maßstab aufgebaut werden sollten.

Weitere Treiber wie etwa die Digitalisierung und der Einsatz von KI könnten Herstellungsprozesse insgesamt effizienter machen. Als wichtigste Handlungsfelder werden mittel- und langfristig eine kontinuierliche Weiterentwicklung von gesetzlichen Regelwerken und Rahmenbedingungen gesehen.

Bewertungsschema für Technologien

Neben den auf die Zukunft ausgerichteten Roadmaps wurde im Projekt „DekarbInd“ auch ein ganzheitliches Bewertungsschema entwickelt, das stärker auf die gegenwärtige Anwendung von klimaneutralen Technologien abzielt. Dr. Ali Aydemir, der am Fraunhofer ISI das Projekt „DekarbInd“ leitete, erklärt dazu: „Neben rein techno-ökonomischen Kriterien spielen ökologische, soziale und systemische Aspekte bei industriellen Technologien eine zunehmend wichtigere Rolle. Unser im Projekt entwickeltes Entscheidungsinstrument auf Excel-Basis ist weniger ein Bewertungsschema im klassischen Sinne, sondern soll vielmehr helfen, langfristige Entwicklungen zu berücksichtigen und mögliche Einschränkungen und Konflikte frühzeitig zu erkennen.“

Die Anwendung funktioniert dabei in drei Schritten. Zunächst werden einzelne Technologien oder technische Maßnahmen erfasst, die dann untereinander verglichen werden – zum Beispiel „CO2-arme Technologien zur Dampferzeugung“. Im dritten und letzten Schritt erfolgt die Einordnung, Visualisierung und Interpretation der Ergebnisse, um positive und problematische Aspekte der betrachteten Technologie zu identifizieren.

Die vergleichende Bewertung der Technologien erfolgt dabei anhand von Kriterien wie ihres Einsatzhorizonts und der technischen Verfügbarkeit oder ihrer Effizienz. Das dabei entstehende Wissen richtet sich explizit an Experten, welche die Ergebnisse abschließend bewerten.

Verwandte Artikel