Mit einem Streckennetz von 1.320 Kilometer und 469 U-Bahn-Stationen handelt es sich bei der New York City Transit – kurz NYC Transit – um das größte öffentliche Transportunternehmen Nordamerikas. Täglich nutzen rund 5,6 Millionen Menschen die U-Bahn, 2014 legte die Flotte circa 581 Millionen Kilometer zurück. NYC Transit steuert die Stadtteile Brooklyn, Bronx, Manhattan und Queens 7.883 Mal pro Wochentag an. Carmen Bianco, Leiterin der MTA New York City Transit, geht davon aus, dass die Fahrgastzahlen weiter steigen werden. Das verbesserte Transportangebot, eine wachsende Bevölkerung sowie die positive Wirtschaftslage haben dazu geführt, dass die U-Bahn insbesondere von unregelmäßigen Nutzern sowie außerhalb der Spitzenzeiten häufiger frequentiert wird. Daraus resultieren neue Herausforderungen hinsichtlich der Wartung und Optimierung des U-Bahn-Systems.
Bahnstrecken wie die der NYC Transit verfügen meist über eine dritte Schiene außerhalb der Bahngleise. Sie leitet den notwendigen Strom an die Motoren der elektrisch betriebenen Schienenfahrzeuge sowie andere bewegliche Stromverbraucher – zum Beispiel Krananlagen – weiter. Da die dritte Schiene nur Strom zuführt und nicht das Fahrzeuggewicht trägt, lässt sie sich besser isolieren. Sie besteht oft aus einer Aluminiumlegierung, weshalb die dritte Schiene einfach zu installieren ist und mit höheren Spannungen – bis 1.500 V gegenüber 200 V bei einer Stromzuführung über die Fahrschienen – verwendet werden kann.
Von der Stromschiene werden die Fahrzeuge über sogenannte Schleifschuhe versorgt, die Strom an Fahrmotoren liefern, welche die Räder der U-Bahn-Wagen antreiben. Die Rückleitung des Stroms erfolgt über die Räder und Schienen. Die dritte Schiene der New Yorker U-Bahn verteilt 625 VDC nominal, maximal 925 VDC (Nennleistung) sowie bis zu 4.000 A. Das Transportsystem erhält gleichgerichteten AC-Strom von einer Umspannstation. Schutzschalterstationen und Hochspannungskabel versorgen die dritte Schiene überall mit Gleichstrom. Innerhalb des Systems zweigen Leitungen mit 600 VDC ab.
In den Wintermonaten kann es auf der Stromschiene zu Schnee- und Eisansammlungen kommen, die den Zugverkehr stören. Um diese Beeinträchtigung zu unterbinden, setzt NYC Transit an strategischen Punkten außerhalb der Tunnel spezielle Heizelemente ein. Bislang wurden diese im Oktober manuell eingeschaltet und im Mai des folgenden Jahres wieder ausgeschaltet. Sie waren also ununterbrochen in Betrieb, selbst wenn kein Schnee oder Eis lag. Neben dem exorbitanten Stromverbrauch stellte die manuelle Lösung eine Sicherheitsgefahr dar. Denn die Mitarbeiter setzen sich einem Risiko aus, während sie die Heizelemente an der Strecke ein- respektive ausschalten oder andere Wartungsarbeiten ausführen. Um den erheblichen Stromverbrauch und die damit einhergehenden Kosten zu reduzieren, suchte die Behörde daher nach einer wirtschaftlichen und zuverlässigen Lösung zur Fernsteuerung und -überwachung der Heizelemente.
Inline-Steuerungen zur Sicherheit
Vor diesem Hintergrund hat die amerikanische Tochtergesellschaft von Phoenix Contact gemeinsam mit Kapsch TrafficCom ein SCADA-System entwickelt, das auf einer drahtlosen Kommunikation basiert. Kapsch TrafficCom gehört zur Kapsch AG, einem Telekommunikations- und Verkehrstelematik-Konzern mit Hauptsitz in Wien. Der international agierende Geschäftsbereich ist auf Technologien, Lösungen und Dienstleistungen für intelligente Transportsysteme (ITS) spezialisiert. Dazu zählen elektronische Mautsysteme, Verkehrsmanagement-Lösungen mit den Schwerpunkten Verkehrssicherheit und -steuerung, elektronische Zutrittskontrollsysteme, vollautomatische Videodetektion sowie Lösungen zur Parkraum-Bewirtschaftung.
Das SCADA-System der NYC Transit, dem die DYNAC-Software von Kapsch zugrundeliegt, erlaubt die Verwaltung der Bahninfrastruktur neben den Schienen. Mitarbeiter können aus der Ferne über eine zentrale Bedienoberfläche eine Systemdiagnose durchführen. So lässt sich sicherstellen, dass Heizelemente stets einwandfrei funktionieren. Zur Überwachung der Feldgeräte wurden an ausgewählten Standorten Inline-Steuerungen (ILC) von Phoenix Contact verbaut. Die kompakten SPS, die über das Modbus-TCP-Protokoll kommunizieren, bieten vielfältige Funktionen. Je nach Applikationsanforderung lassen sie sich um jeweils benötigte I/O- und Funktionsmodule erweitern. Einige Steuerungen verfügen über einen Steckplatz für SD-Karten, was das Hochladen und Speichern von Programmänderungen vereinfacht.
Robuste Funktechnologie
Die Anwendung der NYC Transit beinhaltet verschiedene Bediengeräte. Sie fungieren als primäre Verbindung zwischen dem DYNAC-SCADA-Master und einem Netz von 670 Kontrollpunkten, die verteilt über das gesamte U-Bahn-System montiert sind. In näherer Zukunft plant NYC Transit weitere Installationen. Jeder der Kontrollpunkte sammelt, speichert und überwacht die für das SCADA-System relevanten Daten, die über ein im 900-MHz-Bereich arbeitendes Funknetz auf Basis der Technologie Trusted Wireless von Phoenix Contact an das Kontrollzentrum gesendet werden. Die Kontrollpunkte umfassen ein NEMA-4x-Gehäuse, in dem sich neben der Inline-Steuerung mit den angereihten I/O-Modulen sowie dem Trusted-Wireless-Ethernet-Funkmodul auch Relais, Netzteile und Umformer von Phoenix Contact befinden. Überspannungsschutz-Geräte sorgen für hohe Zuverlässigkeit, indem sie die elektronischen Interfaces vor den in dieser Umgebung häufig auftretenden Stoßspannungen absichern.
Die Kapsch-Mitarbeiter haben das Funknetz gemeinsam mit den Wireless-Experten von Phoenix Contact eingerichtet. Der Aufbau eines Funknetzes wäre unerschwinglich gewesen, wenn die Beförderung der Millionen Fahrgäste pro Tag hätte unterbrochen werden müssen. Trusted-Wireless-Ethernet-Geräte kommen zum Einsatz, weil sich die Technologie für SCADA-Applikationen eignet und die besonderen Bedürfnisse ausgedehnter Infrastruktur-Anwendungen aufgreift. Je nach Applikationsanforderung stehen unterschiedliche Einstellmöglichkeiten zur Verfügung.
Funkausbreitungsstudien und Standortanalysen zeigen die verschiedenen Anforderungen an die Funkknoten. Das System ist als selbst heilendes Mesh- und zum Teil als Punkt-zu-Punkt-Netzwerk ausgelegt. Die in den USA im lizenzfreien 900-MHz-Frequenzband arbeitende Technologie zeichnet sich ferner durch hohe Robustheit und Zuverlässigkeit aus. Dies ist in einer Stadt wie New York, in der es viele Funknetzwerke gibt, sehr wichtig. Denn Störungen durch andere drahtlose Systeme könnten zu Problemen führen.
Auch kann Trusted Wireless Entfernungen bis zu mehreren Kilometern überwinden. Dazu kann die Datenrate der Funkschnittstelle individuell festgelegt und so die Empfängerempfindlichkeit erhöht werden. Bei einer niedrigen Datenrate lässt sich eine wesentlich größere Reichweite überbrücken als bei einer hohen Übertragungsgeschwindigkeit. Für Trusted Wireless sprechen zudem die guten Diagnosemöglichkeiten sowie die Koexistenz zu weiteren im gleichen Frequenzband funkenden Systemen.
In den vergangenen sieben Jahren war die Lösung zwei Hurrikans, Tagen mit Temperaturen weit unter 0 °C sowie verschiedenen Eis- und Schneestürmen ausgesetzt, in denen über 70 cm Schnee fielen. Trotz dieser widrigen Bedingungen hat das Wireless-System zuverlässig funktioniert. Bislang wurden mehr als 670 Kontrollpunkte automatisiert. Mit der neuen Lösung lassen sich über 1.700 Heizelemente für die dritte Schiene aus dem Kontrollzentrum der NYC Transit sowohl automatisch als auch manuell fernsteuern und –überwachen. Sie verlängert die Nutzungsdauer der Heizelemente bei gleichzeitiger Reduzierung des Energieverbrauchs. So spart die Behörde fast 12.000 US-Dollar pro Tag ein, was sich auf mehr als eine Million US-Dollar pro Jahr summiert. Noch wichtiger ist, dass das System die Sicherheit steigert, da sich das Wartungspersonal weniger häufig an den Strecken befindet. Künftig sollen alle Heizelemente über das funkbasierte SCADA-System ferngesteuert und -überwacht werden.