Der deutsche Gasverbrauch soll bis zum Jahr 2032 um mindestens 20 Prozent zurückgehen. Da dies allein nur einen kleinen Anteil zu einer ausgeglichenen Erdgas-Bilanz beiträgt, soll russisches Gas vor allem durch LNG-Lieferungen ersetzt werden.
Das sind die zentralen Parameter des Entwurfs des Netzentwicklungsplans „Gas 2022–2032“, den die Fernleitungsnetzbetreiber am 31. März 2023 vorgelegt haben. Nach Berechnungen der Fernleitungsnetzbetreiber ergibt sich dafür ein Investitionsbedarf von 4,4 Milliarden Euro. Darin enthalten sind 1,9 Milliarden Euro an Netzausbaumaßnahmen für LNG-Anlagen.
Resilientere Energieversorgung
Nachdem im vergangenen Winter insbesondere die warmen Temperaturen, die weitgehende Nutzung von Redundanzinfrastruktur und eine Verbrauchsreduktion für eine gesicherte Gasversorgung gesorgt haben, gilt es nun neben der Unabhängigkeit von russischen Importen und der Erhöhung der Diversifizierung der Importquellen das Fernleitungsnetz in Bezug auf die geänderten gaswirtschaftlichen Rahmenbedingungen resilienter aufzustellen.
Dr. Thomas Gößmann, FNB Gas Vorstandsvorsitzender: „Eine zuverlässige Energieversorgung hat für die Menschen in Deutschland und die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts absolute Priorität. Darum arbeiten wir seit Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine mit Hochdruck daran, unser Netz an die massiven Veränderungen der geopolitischen und energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen.“
Entwicklung verschiedener Varianten
Nachdem die Modellierung ursprünglich auf dem bestätigten Szenariorahmen vom 20. Januar 2022 basierte, haben die BNetzA und die Fernleitungsnetzbetreiber gemeinsam Modellierungsvarianten für den Teilersatz russischer Gasmengen entwickelt und die Ergebnisse als Zwischenstand im Juli 2022 veröffentlicht. Anschließend haben die Fernleitungsnetzbetreiber Modellierungsvarianten für die dauerhafte Unabhängigkeit von russischem Gas durch LNG entwickelt. Diese wurden im Teilneubescheid durch die BNetzA vom 11. November 2022 bestätigt.
Im Rahmen der öffentlichen Konsultation vom 16. Dezember 2022 bis 31. Januar 2023 gingen 31 Stellungnahmen ein. Die Stellungnahmen sind auf der Webseite des FNB Gas veröffentlicht. Aus diesen ergab sich jedoch keine eindeutige Präferenz für einen Netzausbauvorschlag.
Die Fernleitungsnetzbetreiber haben sich entschieden, die Variante LNGplus C für den Netzausbau vorzuschlagen. Die dieser Variante zugrundeliegende Gasinfrastruktur bietet die Flexibilität zwischen einem schwerpunktmäßigen Ausbau der LNG-Kapazitäten an der deutschen Nord- und Ostseeküste (wie in Variante B) und höhere Importmöglichkeiten aus angrenzenden westeuropäischen Nachbarländern.
„Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch offen, welche Kapazitäten an den deutschen LNG-Standorten konkret realisiert werden,“ erläutert Inga Posch, Geschäftsführerin des FNB Gas. „Gleichzeitig haben angrenzende Netzbetreiber signalisiert, dass sie zusätzliche Kapazitäten an den Grenzübergangspunkten zur Verfügung stellen können. Im Sinne einer schnellstmöglichen Bereitstellung und Flexibilität ist es sinnvoll, diese Zugänge zu westeuropäischen LNG-Anlagen auch zu nutzen.“
Fehlende gesetzlichen Grundlagen verzögern Investitionen
Das Entwurfsdokument enthält zudem eine Analyse, welche Gasversorgungsleitungen bis 2027 perspektivisch aus dem Fernleitungsnetz auf Wasserstoff umgestellt und für das im Juli 2022 veröffentlichte zukünftige Wasserstoffnetz genutzt werden könnten. Danach könnten dreiviertel der circa 2.000 km infrage kommenden Gasversorgungsleitungen ohne erdgasverstärkende Maßnahmen umgestellt werden. Aufgrund der nach wie vor fehlenden gesetzlichen Grundlagen sind Maßnahmen für den Aufbau des Wasserstofftransportnetzes weder Bestandteil des Ausbauvorschlags noch werden sie im veranschlagten Investitionsvolumen berücksichtigt.
Gößmann: „Das wirtschaftliche Potenzial für Wasserstoff ist enorm. Um jetzt die Dekarbonisierung der Industrie zu ermöglichen, muss die Politik das Rad nicht neu erfinden. Erdgas und Wasserstoff haben so viel gemeinsam, dass wir bestehende Strukturen und Prozesse problemlos und effizient weiternutzen können. Zeitraubende Diskussionen über das Für und Wider einer neu zu gründenden Netzgesellschaft bringen uns nicht weiter.“