Wer von Wasser spricht, spricht von der Lebensquelle schlechthin. Doch den Fluten wohnt nicht weniger zerstörerische Kraft inne als einem Lauffeuer oder Erdbeben. Schon häufig haben Tsunamis und Überschwemmungen tausende Menschen das Leben gekostet, Betonmauern und Bäume einfach umgerissen, als wären sie aus Pappe. Die Kraft des Wassers ist schier unvorstellbar. Da liegt es nur nahe, sie sich zunutze zu machen.
Heute liegt der Hauptnutzen von Wasserkraft nicht mehr im Antrieb von Mühlen, sondern in der Stromerzeugung. Um Strom aus Wasser zu schöpfen, bedarf es zwei grundlegender physikalischer Prinzipien: der, dass Energie niemals verbraucht, sondern nur umgewandelt wird, und der Gravitation. Weiterhin muss die mechanische Strömung in nutzbaren elektrischen Strom konvertiert werden, der dann ins Stromnetz eingespeist wird. Welche Vorgänge bewerkstelligen das? Oder …
… wie funktioniert ein Wasserkraftwerk?
Fundamental ist es zunächst, das zu nutzende Wasser in Bewegung zu bringen. Bei Flüssen geschieht das auf natürliche Weise, sie entspringen Höhengelände mit zumeist starkem Gefälle. Verengte Zwischenräume, wie sie in Gebirgen oft vorkommen und durch die sich das Wasser seinen Weg bahnen muss, treiben den Druck der reißenden Massen zusätzlich in die Höhe. Kraftwerke, die sich diese Gewalt zunutze machen, heißen Laufwasserkraftwerke. Sie reduzieren außerdem sekundär die Fließgeschwindigkeit und Zerstörungskraft der Flüsse.
Die zweite, bekanntere Form von Wasserkraftwerken verwertet prinzipiell die gleichen Kräfte, führt diese jedoch aktiv herbei. Die Rede ist von Wasserspeicherkraftwerken. Solche Einrichtungen stauen gewaltige Mengen Wasser hinter einem Damm zu Seen auf – den Stauseen. Das in ihnen gesammelte Wasser besitzt aufgrund seiner erhöhten Lage große Mengen potenzieller Energie. Für einen stetig hohen Wasserstand sorgt die Natur selbst: Wasser verdunstet, kondensiert zu Wolken und regnet sich über den Seen wieder ab. Im Falle eines Pumpspeicherkraftwerks können Wassermengen sogar je nach Bedarf nach oben in den Speicher gepumpt werden, um dann wieder hinabfließen und für Strom sorgen zu können.
Doch wie wird nun aus Energie Strom? Das Prinzip ist immer das gleiche, unabhängig von der WKW-Form: Wasser fließt aus erhöhter Lage durch ein Leitungssystem (Fallrohre) bis ins Kraftwerk. Dort gerät eine Turbine unter dem mechanischen Druck in Drehung und gibt dieses Moment an eine Erregermaschine weiter, die es wiederum in Strom umwandelt. Dieser setzt innerhalb eines Generators den sogenannten Rotor in Bewegung; dabei handelt es sich um eine Reihe von Elektromagneten, die sich in einer als Stator bezeichneten Kupferdrahtspule bewegen. Das zwischen Rotor und Stator wirkende Magnetfeld sorgt für den nutzbaren Strom, der in einem letzten Schritt in das Elektrizitätsnetz eingespeist wird.
Wasserkraft in der Welt
Bis 2030 will Deutschland seinen Stromverbrauch zu 50 Prozent mit Erneuerbaren Energien decken; derzeit sind es rund 39 Prozent. Nach einer vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in Auftrag gegebenen Studie kommt ein Anteil von vier Prozent des in Deutschland produzierten Stroms von der Wasserkraft. Im Vergleich zu Photovoltaik mit sieben Prozent, Biomasse mit circa neun und dem Vorreiter Windenergie mit fast neunzehn Prozent nimmt sie damit einen der letzten Plätze ein, hinter ihr liegt nur die Geothermie. Hinzu kommt, dass das Potenzial der rund 7600 Wasserkraftanlagen in Deutschland weitestgehend erschöpft ist. Heißt: Die Kraftwerke produzieren bereits annähernd das ihnen höchstmögliche Maß an Strom.
Betrachtet man jedoch die weltweite Bedeutung von Wasserkraft, so ergeben sich gänzlich andere Werte. In der EU erzielt mehr als ein Drittel der Mitgliedsstaaten signifikante Mengen Strom aus Wasser. Der Zweitplatzierte Österreich etwa deckt seinen Bedarf zu 66 Prozent mit Wasser-Strom, gefolgt von der Schweiz mit 56 und Kroatien mit 53 Prozent (Stand 2013). Spitzenreiter ist Norwegen: Mit 99 Prozent schlägt es den Rest der EU-Länder nach hinten ab – vor allem Deutschland, das im hinteren Drittel stagniert.
Selbstverständlich sind manche Länder prädestinierter für die Nutzung von Wasserkraft als andere; das liegt hauptsächlich an ihrer Topographie. So ist es sinnvoll, dass Norwegen aufgrund seiner Bergmassive und Gletscher über zahlreiche effektive Möglichkeiten verfügt, Wasser in Strom zu konvertieren. Durch steile Gefälle und Gletscher-Schmelzströme entlädt sich die potentielle Energie der Wassermassen auf ihrem Weg nach unten in immense, verwertbare kinetische Energie. Das ist auch der Grund, weshalb der relevante Beitrag zur Stromversorgung Deutschlands aus den südlichen Bundesländern kommt: Nur hier können sich die Kraftwerke der günstigen Umgebung der Alpen und des Alpenvorlandes bedienen.
Für viele unverzichtbar
Für die Stromerzeugung ist Wasserkraft die weltweit am häufigsten genutzte erneuerbare Energiequelle. Was sie dem Windrad und Solarmodul voraushat, ist ihre Stetigkeit: Wasser produziert kontinuierlich Strom, ungeachtet der Witterungsverhältnisse. Im Gegensatz zu Solarenergie, die von Sonnenstunden abhängig ist, und Windenergie, welche unter anhaltender Windstille leidet, ist Wasserkraft damit grundlastfähig. Sie profitiert sogar von hoher Luftfeuchtigkeit beziehungsweise Niederschlägen, denn diese füllen das Stauwasser bei den Speicherkraftwerken auf. Dadurch, dass die Stromproduktion zu jeder Zeit durch die Öffnung der Ventile eingeleitet werden kann, ist Wasserkraft ein wertvoller, flexibel auf den Bedarf abstimmbarer Stromlieferant.
Allerdings ist der Bau eines WKWs grundsätzlich auch mit einem erheblichen Eingriff in die Natur verbunden. Um einen Stausee künstlich anzulegen, wird extrem viel Platz benötigt, der anderweitig nicht weiter genutzt werden kann. Dies führt nicht selten zu Spannungen zwischen den Befürwortern des Baus und Anwohnern, die schlimmstenfalls umgesiedelt werden müssten. Ebenfalls ist eine Überschwemmung nicht ausgeschlossen, sollte ein Stausee doch überlaufen oder dessen Damm unter dem gewaltigen Wasserdruck brechen. Problematisch insbesondere bei Laufwasserkraftwerken ist, dass sie das Fließverhalten eines Flusses maßgeblich verändern, Lebensräume von Fischen und Wasserpflanzen werden dadurch gestört.
Nichtsdestotrotz besteht kein Zweifel, dass Wasserkraft einen entscheidenden Beitrag zum Stromhaushalt vieler Nationen leistet. Weltweit werden etwa sechzehn Prozent des Strombedarfs mit Wasserkraft gedeckt, sogar die Kernkraft deckt weniger ab. Auch wenn der erneuerbare Energieträger für Deutschlands Topographie nicht so gewinnbringend ist wie andere Grünstrom-Anlagen, kann noch immer Potenzial ausgeschöpft werden – weniger durch den Bau weiterer Anlagen, denn da ist Deutschland situiert, als durch die Verbesserung bereits bestehender WKWs. Für Länder wie Österreich, die Schweiz oder Norwegen ist Wasserkraft längst unverzichtbar geworden. Ohne Strom läge schon nach kurzer Zeit ein Großteil der Versorgungsstruktur brach. So, könnte man sagen, erfüllt Wasser einmal mehr seine Rolle als Quell des Lebens.