Bertram Schilling ist mit diesem Beitrag im A&D-Kompendium 2020 als einer von 100 Machern der Automation vertreten. Alle Beiträge des A&D-Kompendiums finden Sie in unserer Rubrik Menschen .
Sie sollten alles infrage stellen! Hätte man, um Licht zu gewinnen, immer nur die Kerze optimiert, vielleicht durch die Verwendung von besserem Wachs oder einem anderen Docht, hätte Edison nie die Glühbirne erfunden. Dieses Beispiel zeigt anschaulich, wie erfolgreich ein disruptiver Ansatz sein kann.
Auf der anderen Seite stecken viele Unternehmen in dem Dilemma, an bestehende Betriebsstrukturen, Technologien oder Prozesse gebunden zu sein, die wiederum Disruption erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen.
Bei Gesprächen mit unseren Kunden finden wir oft dieses Dilemma vor. Das Produktmanagement fordert neue, innovative Bedientechnologien, doch die Entwickler und Konstrukteure haben Vorbehalte, da das Know-How fehlt. Oft werden deshalb Innovationen mit dem Kommentar „unkalkulierbares Risiko“ abgeschmettert.
Denkanstöße geben
Durch die konsequent innovative Ausrichtung von Hy-Line beschäftigen wir uns systematisch mit neuen, zukunftsweisenden Bedientechnologien. Diese haben wir unter dem Begriff „HMI 5.0“ in vielen Seminaren, Vorträgen und Fachartikeln publik gemacht. HMI 5.0 ist eine Technologie-Kollektion, die Denkanstöße gibt.
Damit erhält der Interessent die Möglichkeit, die Disruption in erträgliche Bahnen zu lenken und in seinem Unternehmen und seinem Projekt als Evolution zu integrieren. Natürlich gibt es die Kunden, die ihre Systeme aus verschiedenen Gründen sorgsam weiter entwickeln und das Modell der letzten Generation ergänzen und pflegen.
Wie in der Automobilindustrie möchte man mit dem neuen Modell die Käufer der letzten Generation weiter mitnehmen, ohne sie zu verprellen. Oder es gibt etablierte Prozesse, die der Anwender gewohnt ist, um mit dem Gerät die gewünschten Ergebnisse zu erzielen, und die man nicht einfach umstellen kann.
Woher kommen die Ideen für die Disruption?
Disruption heißt für mich, mich der Herausforderung zu stellen, eine vollkommen neue Technologie zu analysieren und auf ihre Tauglichkeit im praktischen Einsatz zu bewerten. Gerne bin ich dann der im amerikanischen Sprachraum gebräuchliche „Technology Evangelist“, der diese aufgeschlossenen Kunden vorstellt.
Die Gespräche dazu – mit Ingenieuren über die Funktion, mit den Produktmanagern über den Mehrwert und mit Entscheidern über den Vorsprung ihres Unternehmens – haben zwar unterschiedliche Schwerpunkte, reizen mich aber wegen ihrer Vielfalt. Woher kommen die Ideen für die Disruption?
Ich beobachte viel in meinem Alltag und ziehe Schlüsse aus meinen Beobachtungen: Kann diese Idee nicht auch in einem anderen Zusammenhang eingesetzt werden? Kann die Oberfläche eines Ameisenhaufens nicht als Vorbild für die nächste Gehäuserückwand dienen: strukturell stark, aber trotzdem höchst durchlässig für den kühlenden Luftstrom. Oder ich betrachte Technologien aus der Consumer-Welt und bereite ihren Transfer vor: Anders hätten wir im Jahr 2008 nicht die PCAP-Technologie in die Industrie gebracht.
Ganz anders als bisher
Disruptives Denken bedeutet: Lasst uns das ganz anders als bisher machen, lasst uns Knöpfe und Schalter vergessen, lasst uns die Maschine mit Gesten oder einem Sprachbefehl bedienen – einige Kunden sind bereit, sich auf diese Vorschläge einzulassen und daraus ein Produkt zu entwickeln. Daher habe ich noch viele Ideen „in der Pipeline“, mit denen ich bei entsprechender Reife, also funktionierender Technik und bezahlbarer Verfügbarkeit, unsere Kunden überzeugen möchte.