Die Flut der Änderungsmitteilungen, so genannter Product Change Notifications (PCNs) hat in den letzten Jahren im Bereich der elektronischen Bauelemente enorm zugenommen. So stark, dass laut Anke Bartel, Mitglied im Vorstand der COG (Component Obsolescene Group) Deutschland e.V. und hauptberuflich Kundenteamleiterin beim EMS-Dienstleister BMK, nicht nur große OEMs, sondern auch klassische Mittelstandsunternehmen zunehmend darunter leiden. „Wir bekommen inzwischen pro 1.000 bei der BMK-Group gelisteter Bauteile im Monat bis zu 70 PCNs, und dies in unterschiedlichsten Formaten, als E-Mail mit und ohne PDF, nur als Fax und teilweise sogar noch immer als Brief. All diese PCNs erst einmal einzeln zu selektieren und anschließend zu verarbeiten, ist derzeit noch mit einem extrem hohen manuellen Aufwand verbunden, den es unbedingt zu reduzieren gilt.“ Wenn heute zwei Distributoren eine PCN zum gleichen Bauteil schicken, ist in der Regel nicht sofort erkennbar, ob man diese Benachrichtigung bereits erhalten hat. In der Praxis bedeutet dies, dass deshalb viele Vorgänge schon aus rein administrativen Gründen zwei- und dreifach bearbeitet werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die bislang übliche Vorgehensweise der Hersteller und Distributoren meistens keine schnell Priorisierung erlaubt. „Eine Änderungsmitteilung, bei der es lediglich um eine Verlagerung der Fertigungsstätte von A nach B geht, sieht auf den ersten Blick leider oft auch nicht anders aus, als eine echte, harte Abkündigung“, bestätigt Axel Wagner, Leiter Consulting, Legal & Compliance bei Würth Elektronik eiSos, wie Anke Bartel Mitglied der COG und seit drei Jahren auch in der Smart-PCN-2.0-Arbeitsgruppe aktiv.
Verschiedene Herangehensweisen
Wie uneinheitlich die Akteure auf dem Markt mit PCNs umgehen, zeigt unter anderem das Beispiel der Avnet-Gruppe, wo jedes einzelne Distributionsunternehmen das Thema PCNs anders handhabt. Das fängt bei den verwendeten Abkürzungen an und endet bei der uneinheitlichen Bereitstellung der Daten via Link, Excel-Tabelle oder PDF. Was im Einzelfall noch vergleichsweise unproblematisch erscheinen mag, schaukelt sich in Summe bei größeren Unternehmen zu einer signifikanten zeitlichen und finanziellen Belastung auf. „Unsere mit der Bearbeitung der eingehenden PCNs beauftragten Mitarbeiter verbringen inzwischen rund 75 Prozent des Tages nur damit, die eingehenden PCNs erst einmal zu verifizieren, zu klassifizieren und nach Wichtigkeit einzusortieren. Für die weitere Bearbeitung der PCNs, also der Weiterleitung an möglicherweise betroffenen Fachabteilungen, Mitarbeiter etc., hingegen fallen lediglich die restlichen 25 Prozent der Zeit an. Die bisherige Form der Informationsübermittlung verursacht also einen enormen Aufwand für etwas, das sich mit etwas gutem Willen auch wesentlich leichter und effizienter bewerkstelligen ließe", ärgert sich Bartel.
Bei noch größeren Fertigungsbetrieben kann sich die Zahl der zu sichtenden Änderungsmitteilungen schnell im Bereich von einigen Tausend PCNs pro Jahr bewegen. Vor allem für diese Firmen könnte sich das voraussichtlich Ende des Jahres einsatzbereite Smart PCN 2.0, ein neuartiger von der COG in mühevoller Kleinarbeit entwickelter Konverter als Transportmittel für die Übertragung von PCNs im XML-Format, als wahrer Segen erweisen. Mit Hilfe des Konverters sollen sich via XML-Format nämlich praktisch beliebig viele PCN-Informationen transportieren lassen – quasi alles, was vom jeweiligen Hersteller bzw. Distributor in irgendeiner Form verfügbar ist. Das fängt bei elementaren Daten wie Lieferant, Änderungsgrund, Änderungsdatum und Artikelnummer an und reicht über Änderungsdetails, beispielswiese ob sich die Metalloberfläche oder der Hersteller des Wafermaterials geändert hat, bis hin zu Aussagen, ob es schon irgendwann eine Vorgänger-PCN gab. 172 Punkte führt die aktuelle, von der Arbeitsgruppe um Axel Wagner und Anke Bartel ausgearbeitete Liste auf, die neben den JEDEC- und ZVEI-Vorgaben auch die Guidelines der großen internationalen Fertigungskonzerne berücksichtigt. Theoretisch gibt es künftig also keinen Grund mehr, sich bei der Erstellung der PCN-Daten in Zurückhaltung zu üben. Schließlich muss der jeweilige Hersteller oder Distributor die Daten nur in die vorgefertigte Maske des COG-Konverters eingeben und anschließend auf einen Knopf drücken. Danach werden die Daten automatisch ins XML-Format konvertiert und per E-Mail an die Kunden versandt, welche die tatsächlich benötigten Informationen über den COG-Konverter wiederum direkt in ihr ERP-System einspeisen können. Einfacher geht es nicht.
Trotzdem ist den Initiatoren natürlich bewusst, dass sich die je nach Region und Firma teilweise sehr unterschiedliche Handhabung von PCNs deswegen nicht von einem Tag auf den anderen standardisieren lässt. Wagner stellt klar, dass dies auch gar nicht das Ziel der COG-Arbeitsgruppe sei: „Sinn und Zweck der Smart PCN 2.0 ist nicht das Was, sondern das Wie. Als kleiner Interessenverband Herstellern und Distributoren die Inhalte ihrer PCNs vorzuschreiben, das wäre völlig vermessen und vermutlich auch ziemlich kontraproduktiv. Unseren Vereinsmitgliedern und Tausenden anderen Industrieunternehmen wäre schon sehr geholfen, wenn sich möglichst viele Hersteller und Distributoren einfach nur zur Nutzung eines einheitlichen, leicht konvertierbaren Transportvehikels für ihre PCNs durchringen könnten.“
Konverter als goldene Brücke
Der COG-Konverter könnte hierbei als goldene Brücke dienen, denn damit steht erstmals ein Schnittstellen-Tool zur Verfügung, das es seinen Anwendern auf der Kundenseite durch so genannte Data-Identifier auf einfache Art und Weise ermöglicht, alle relevanten PCN-Daten ohne große Umwege automatisch sofort dahin zu transportieren, wo sie für die weitere Verarbeitung benötigt werden. Gleichwohl ist es natürlich erforderlich, zu den Daten im XML-Format zusätzlich weiterhin eine PDF-Datei zu verschicken, damit auch ein menschlich lesbares Dokument anbei ist.
Sollte der COG-Konverter bei Herstellern und Distributoren tatsächlich auf breite Akzeptanz stoßen, könnte das den bislang oft mühevollen Umgang mit Dutzenden, oft sogar Hunderten von PCNs definitiv deutlich vereinfachen. Dann würden Anwender irgendwann im Idealfall pro PCN nur noch eine E-Mail an eine standardisierte Unternehmensadresse, zum Beispiel pcn@xxxx.com erhalten, und der Inhalt der Betreffzeile mit Hersteller, Änderungsgrund und PCN-Nummer würde zudem eine schnelle erste Zuordnung bzw. Priorisierung ermöglichen. Aber ob beziehungsweise wann dies der Fall sein wird, wagen die Initiatoren der Smart-PCN-2.0-Arbeitsgruppe bislang nicht zu prognostizieren. Der Idealfall – darin sind sich Bartel, Wagner und die übrigen Mitglieder der Arbeitsgruppe einig – wäre es, wenn sich der Konverter als erstes in der Kommunikation zwischen einigen großen Herstellern und OEMs etablieren würde. Dann ließen sich möglicherweise auch deren Distributoren schneller von den Vorteilen dieser Vorgehensweise überzeugen, zumal die Vertriebspartner der Hersteller die PCNs vor der Weiterleitung ja auch erst einmal sichten und in ihr System einspielen müssen.
Das Problem ist nur, dass sich offensichtlich etliche Distributoren erst in den letzten Jahren mit teils beträchtlichem finanziellem Aufwand eigene Lösungen für den internen und externen Umgang mit PCNs zurecht gelegt haben, von denen sie aus Kostengründen jetzt nur ungern wieder abrücken wollen. Und so bleibt vorerst nichts anders übrig, als auf Aufklärung zu setzen, im Kreis der eigenen Mitglieder aber auch bei Organisationen wie dem Zentralverband Elektro- und Elektronikindustrie (ZVEI), dem Fachverband der Bauelemente Distribution e.V. (FBDi e.V.) oder dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf & Logistik (BME), um möglichst viele Mitstreiter zu werben. So wurde für Unternehmen und Personen, die sich über die Arbeit der Smart-PCN-2.0-Arbeitsgruppe informieren oder eigene Vorschläge einbringen wollen, inzwischen unter anderem auch auf der XING-Plattform eine eigene Gruppe eingerichtet (www.xing.com/net/pric5f4aex/smart-pcn/). „Jegliche Art von Ideen, die dazu beitragen, das Smart-PCN-2.0-Format einem möglichst breiten Anwenderkreis zu erschließen, sind herzlich willkommen. Wir haben mit dieser Form des offenen Austausches bislang recht gute Erfahrungen gemacht“, freut sich Anke Bartel zusammen mit Axel Wagner über den steigenden Zuspruch.