Ist der Stromvertrag zu teuer, ist mit wenigen Klicks schnell ein neuer abgeschlossen. Wer ein Eigenheim besitzt, kann mit PV-Modulen auf dem Dach oder einem Mini-BHKW im Keller noch mehr sparen. Und erzeugen die Geräte zu viel Energie, lässt sich ebenfalls dazuverdienen. Weil die Energielandschaft immer dezentraler wird, sind Verbraucher heute in der Lage, sich von althergebrachten Konstrukten zu emanzipieren. Anstatt Energie aus lokalen Kraftwerken zu beziehen, werden sie zu mündigen Prosumern und gestalten die Energielandschaft aktiv mit. Sie entscheiden selbst, woher ihre Energie kommt und können mit überschüssigem Strom handeln. Dabei sind sie immer weniger von Energiekonzernen abhängig.
Geschäfte ohne Mittelsmann
Genau dieser Gedanke steckt auch hinter Blockchain: Die dezentrale Technologie erlaubt die Abwicklung von Transaktionen zwischen zwei Parteien in einem Peer-to-Peer-Netzwerk. Die Transaktionen werden nicht auf einem zentralen Server, sondern auf allen mit dem Netzwerk verbundenen Rechnern gespeichert. Mehrere Transaktionen werden in einem Block zusammengefasst. Ist dieser voll, wird der nächste gefüllt und es entsteht die namensgebende Kette aus Blöcken. Das bringt folgende Vorteile: Transaktionen können schneller und unkomplizierter abgewickelt werden und ein Vermittler wird überflüssig. Zudem ist es damit auch möglich, sogenannte Smart Contracts abzuschließen, die unter bestimmten Voraussetzungen in Kraft treten und deren Einhaltung und Überwachung automatisiert erfolgt.
Bedeutet das nun, dass Energieversorger ausgedient haben? Eine Dena-Studie unter 70 Entscheidungsträgern der deutschen Energiewirtschaft zeigt eher, dass Blockchain als ein Türöffner für neue Prozesse und Anwendungen wahrgenommen wird. Immerhin 21 Prozent der Befragten sehen in Blockchain einen Game-Changer für die Energiewirtschaft. So ist es auch kein Wunder, dass viele Energiekonzerne bereits mit der neuen Technologie experimentieren. Innogy arbeitet beispielsweise mit dem Startup Slock.it zusammen und nutzt die Blockchain-Plattform Ethereum, um Ladevorgänge von Elektrofahrzeugen zu vereinfachen. Auch beim Handel mit Energie versucht sich das Unternehmen mit Blockchain: Der Innogy Innovation Hub arbeitet gerade an einer Peer-to-Peer-Plattform und hat sich dafür die Unterstützung des Startups Conjoule geholt.
Ein Blockchain-Marktplatz für den Handel mit Energie ist auch eines der Ziele von Eon. Das zugrundeliegende Peer-to-Peer-Netzwerk wurde von dem Energie-IT-Unternehmen Ponton entwickelt und ist Teil des Projekts Enerchain. Diese Initiative mit mittlerweile 33 Teilnehmern will einen dezentralen Europäischen Marktplatz für den Energiehandel via Blockchain entwickeln.
Die Beispiele aus dem Alltag der Energieunternehmen zeigen, dass sie eher mit der Blockchain anstatt gegen sie arbeiten. Dass die Blockchain-Technologie eher einen Mehrwert für Energieversorger und Endkunden schaffen kann, davon ist auch Siemens überzeugt. Durch die Kombination von Microgrid-Control-Lösungen und Blockchain, die das Unternehmen derzeit in Brooklyn testet, können die Betreiber von PV-Anlagen beispielsweise überschüssigen Strom in das bestehende lokale Netz einspeisen. Ihre Vergütung erhalten sie direkt von den Abnehmern – also ihren Nachbarn. Für etablierte Energieversorger ergeben sich so neue Geschäftsmodelle, indem sie etwa Mehrwertdienste für Anschlussteilnehmer in Form von Preisprognosen oder Betriebsoptimierungen anbieten können.
Ein ähnliches Projekt, das allerdings dezentrale Batteriespeicher über eine Blockchain-Lösung in das Energieversorgungssystem einbindet, führen Tennet und Sonnen im Allgäu durch. Die Blockchain-Lösung stammt von IBM, einen Pool von Heimspeichern stellt Sonnen bereit. Die Partner untersuchen, inwieweit sich damit bei Engpässen im Stromnetz Notmaßnahmen wie die Abregelung von Windparks reduzieren lassen. Dazu sind die Heimspeicher miteinander vernetzt und das intelligente Lademanagement der Batteriespeicher passt sich individuell der jeweiligen Situation im Netz von Tennet an.
Hausaufgaben für die Nachwuchstechnologie
Bevor die Blockchain aber endgültig in der Energiewirtschaft ankommt, bleiben noch viele Fragen offen. Auch wenn die Technologie auf den ersten Blick sicher scheint, wird es dauern, bis die Akzeptanz groß genug ist, um so etwas sensibles wie die Stromversorgung komplett über ein digitales Netzwerk laufen zu lassen. Und auch rechtlich ist die Blockchain noch Neuland. Um dem Thema politisch Gehör zu verschaffen und Deutschland als Standort zu stärken, haben mehr als 20 Vertreter der deutschen Blockchain-Landschaft im Juni 2017 den Blockchain Bundesverband gegründet. Die Mitglieder setzen sich nun für die Schaffung von Rahmenbedingungen ein.