Nanophotonischer Prozessor für neuronale Netzwerke Der Computer der Zukunft rechnet mit Licht

Die Konzeptzeichnung zeigt einen programmierbaren, nanophotonischen Prozessor auf einer Leiterplatte.

Bild: MIT
20.06.2017

Der erste nanophotonische Prozessor setzt auf Lichtstrahlen statt auf elektrische Impulse. Er führt komplexe Berechnungen in Sekundenbruchteilen durch und verbraucht dabei kaum Energie.

Forschern des Massachusetts Institute of Technology (MIT) ist ein Durchbruch auf dem Gebiet des Deep Learning und der künstlichen, neuronalen Netzwerke gelungen. Ein neuer Ansatz soll es künftig erlauben, die hochkomplexen Berechnungen deutlich zu beschleunigen und gleichzeitig Energie zu sparen. Die Wissenschaftler um Yichen Shen, Nicholas Harris, Marin Soljačić und Dirk Englund setzen dafür auf Licht statt auf Elektrizität. Das Ergebnis und gleichzeitig die Basis für künftige, neuronale Netzwerke ist ein programmierbarer, nanophotonischer Prozessor.

Langsame Energiefresser

Selbst moderne Supercomputer sind nicht besonders effizient bei den Rechenoperationen, die ihnen neuronale Netzwerke abverlangen. Darunter fallen etwa wiederholte Multiplikationen von Matrizen. Herkömmliche CPUs und GPUs kommen bei diesen Aufgaben schnell an ihre Grenzen beziehungsweise brauchen für deren Bewältigung verhältnismäßig lange. Gleichzeitig verschlingen konventionelle Computerarchitekturen dabei sehr viel Energie.

Lichtstrahlen statt elektrische Impulse

Anstatt also die Rechenoperationen mittels elektrischer Impulse durchzuführen, verwenden die MIT-Forscher Lichtstrahlen. Der Vorteil: „Unser Chip, einmal programmiert, kann Matrixmultiplikationen beinahe auf Anhieb und quasi ohne Energieaufwand durchführen“, erklärt Marin Soljačić.

Das Prinzip veranschaulicht Soljačić mit einem Vergleich zu einfachen Brillengläsern. Diese unterziehen die passierenden Lichtstrahlen einer komplexen Berechnung, nämlich der Fourier-Transformation.

Auf diese Weise arbeitet auch der nanophotonische Prozessor. Vereinfacht ausgedrückt funktioniert er folgendermaßen: Mehrere Lichtstrahlen werden so gelenkt, dass sie miteinander interagieren und bestimmte Interferenzmuster produzieren. Dieses übermittelt das Ergebnis der beabsichtigten Rechenoperation.

Alle Rechenoperationen sind mit Licht programmierbar

Der Prozessor selbst setzt sich zusammen aus einer spezifischen Anordnung von Wellenleitern. Sie sind so miteinander verbunden, dass sie sich modifizieren und damit programmieren lassen. Damit können die Anwender ein Lichtstrahlenbündel für bestimmte Rechenoperationen festlegen.

„Man kann dort jede denkbare Rechenoperation einprogrammieren“, sagt Nicholas Harris. Der Prozessor lenkt also Licht durch eine Serie von gekloppelten, photonischen Wellenleitern. Denn das ist die Voraussetzung dafür, dass das optische System tatsächlich im Rahmen von neuronalen Netzwerken eingesetzt werden kann. Die miteinander verzahnten Einheiten müssen in der Lage sein, nicht lineare Aktivierungsfunktionen anzuwenden.

Erstes neuronales Netzwerk auf optischer Basis

Die Forscher haben auf Basis des nanophotonischen Prozessors bereits ein erstes neuronales Netzwerk umsetzen können. Es ist in der Lage, vier einfache Vokale zu erkennen. Das bislang noch sehr rudimentäre System erzielte dabei eine Genauigkeit von 77 Prozent. Von Ergebnissen um die 90 Prozent, die herkömmliche Rechenarchitekturen derzeit erreichen, ist das optische Prinzip allerdings noch ein gutes Stück entfernt. Künftiger Verbesserung stünde aber laut den MIT-Wissenschaftlern nichts im Wege.

Der Prozessor soll sich aber nicht nur für die Verwendung in Deep-Learning-Umgebungen eignen. Ein mögliches Einsatzgebiet ist unter anderem die Signalverarbeitung bei der Übertragung von Daten. Ein großer Vorteil des optischen Systems ist nämlich, dass eine Konvertierung von analogen in digitale Signale nicht erforderlich ist. „Dieser Ansatz könnte eine Signalverarbeitung direkt im analogen Bereich ermöglichen“, erläutert Dirk Englund.

Einsatz in selbstfahrenden Autos oder Drohnen denkbar

Bis nanophotonische Prozessoren tatsächlich alltagstauglich werden, ist noch viel Forschungsarbeit zu leisten. Nichtsdestotrotz sehen die Entwickler schon jetzt Potenzial für Bereiche außerhalb der IT. Beispielsweise würden sich optische Systeme auch für Rechenzentren, Sicherheitssysteme oder für den Einsatz in Drohnen und selbstfahrenden Autos empfehlen.

„Überall, wo viel Rechenleistung gebraucht wird, aber wenig Energie oder Zeit vorhanden ist, könnten solche Prozessoren zum Einsatz kommen“, ist Harris überzeugt.

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