Photonische Zeitkristalle bestehen aus Materialien, die im Raum überall gleich beschaffen sind, deren Eigenschaften sich aber zeitlich periodisch ändern. Durch diese zeitliche periodische Änderung lässt sich die spektrale Zusammensetzung von Licht gezielt verändern und verstärken, beides sind entscheidende Faktoren für die optische Informationsverarbeitung. „Dies eröffnet neue Freiheitsgrade, birgt aber auch viele Herausforderungen“, sagt Professor Carsten Rockstuhl vom Institut für Theoretische Festkörperphysik und Institut für Nanotechnologie des KIT. „Die vorliegende Studie ebnet den Weg, diese Materialien für informationsverarbeitende Systeme einzusetzen, in denen alle Lichtfrequenzen genutzt und verstärkt werden sollen.“
Vierdimensionalen photonischen Kristallen ein Stück näher
Die zentrale Kenngröße eines photonischen Zeitkristalls ist seine Bandlücke im Impulsraum. Zur Erläuterung: Der Impuls ist ein Maß dafür, in welche Richtung sich das Licht ausbreitet. Eine Bandlücke beschreibt, in welche Richtungen sich das Licht ausbreiten muss, damit es verstärkt wird: Je breiter die Bandlücke, desto größer ist die Verstärkung. „Bisher müssen wir in photonischen Zeitkristallen für eine große Bandlücke die zeitlich periodische Änderung der Materialeigenschaften, etwa den Brechungsindex, intensivieren. Nur dann wird Licht überhaupt verstärkt“, erklärt Puneet Garg, einer der beiden Erstautoren der Studie. „Da die Möglichkeiten hierfür bei den meisten Materialien begrenzt sind, ist dies eine große Herausforderung.“
Als Lösung kombinierte das Forschungsteam die photonischen Zeitkristalle mit einer zusätzlichen räumlichen Struktur und konstruierte somit „photonische Raum-Zeit-Kristalle“: Es baute photonische Zeitkristalle aus Silizium-Kugeln ein, die das Licht „einfangen“ und etwas länger halten als bisher möglich. So reagiert das Licht wesentlich besser auf die zeitlich periodische Änderung der Materialeigenschaften. „Wir sprechen hier von Resonanzen, die die Wechselwirkung von Licht und Materie verstärken“, sagt Xuchen Wang, ebenfalls Erstautor. „In so optimal abgestimmten Systemen erstreckt sich die Bandlücke fast über den gesamten Impulsraum, das heißt: Das Licht wird unabhängig von seiner Ausbreitungsrichtung verstärkt. Dies könnte das fehlende Puzzleteil auf dem Weg zur praktischen Nutzung solcher neuen optischen Materialien sein.“
„Wir freuen uns sehr über diesen Durchbruch bei den photonischen Materialien und sind gespannt auf die langfristigen Auswirkungen unserer Forschung“, sagt Rockstuhl. „So kann das enorme Potenzial der modernen optischen Materialforschung ausgeschöpft werden. Die Idee ist nicht auf Optik und Photonik beschränkt, sondern kann für viele Systeme in der Physik angewandt werden und potenziell neue Forschungen in verschiedenen Bereichen anregen.“
Das Forschungsprojekt wurde in dem Sonderforschungsbereich "Waves: Analysis and Numerics" durchgeführt, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), und ist eingebettet in den Helmholtz-Forschungsbereich Information.