Sie sind seit zwei Jahren Vorstandsvorsitzender Ihres Unternehmens. Wie aufregend war diese Reise bisher?
Spannend und intensiv sind die richtigen Worte, um diese Zeit zu beschreiben. Die letzten Jahre waren geprägt von außergewöhnlichen Herausforderungen, die normalerweise über eine Dekade hinweg auftreten. Die Reise begann mit der globalen Pandemie, die uns gezwungen hat, unsere Prozesse und Strategien im Eiltempo anzupassen. Zusätzlich hat die geopolitische Instabilität, insbesondere der Krieg in Europa, uns ständig vor neue Herausforderungen gestellt. Es war eine Phase, in der ich ständig lernen und mich neu orientieren musste, ohne wirklich innehalten zu können, um über das bisher Erreichte nachzudenken. Mein Wunsch wäre es, einmal ein „normales“ Jahr zu erleben, aber ich habe gelernt, dass dies in der heutigen Zeit fast unmöglich ist. Veränderungen und Herausforderungen sind zur neuen Norm geworden, und es geht darum, diese mit einer klaren Vision und der nötigen Flexibilität zu meistern.
Wie hilft Ihnen in diesen herausfordernden Zeiten der Familien-Spirit im Unternehmen?
Der Familien-Spirit ist in diesen Zeiten ein unschätzbarer Vorteil. Bei Lapp wissen die Mitarbeitenden, dass wir als Familienunternehmen eine langfristige Orientierung haben und nicht von kurzfristigen Marktschwankungen getrieben sind. Diese Stabilität und Sicherheit sind für viele unserer Mitarbeitenden sehr wichtig und geben ihnen das Vertrauen, dass sie sich bei uns langfristig gut aufgehoben fühlen. Darüber hinaus legen wir großen Wert auf Maßnahmen, die die Bindung unserer Mitarbeitenden fördern. Dazu gehören vielfältige Benefits und kulturelle Initiativen, die den Zusammenhalt stärken und das Arbeitsklima positiv beeinflussen. Ein Beispiel dafür ist unser internationales Fußballturnier, das wir regelmäßig organisieren. Solche Veranstaltungen sind mehr als nur sportliche Wettkämpfe; sie sind Ausdruck unserer Unternehmenskultur und tragen dazu bei, dass sich unsere Mitarbeitenden als Teil eines großen globalen Teams fühlen. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie steht bei uns im Fokus. Mein Vater war einer der ersten Unternehmer in Deutschland, der eine betriebsnahe Kindertagesstätte gründete. Diese Tradition setzen wir fort, indem wir Programme und Unterstützungen anbieten, die es unseren Mitarbeitenden ermöglichen, Beruf und Familie gut zu vereinen. Derartige Maßnahmen sind nicht nur Ausdruck unserer Werte, sondern auch ein wesentlicher Faktor, der uns als Arbeitgeber attraktiv macht, besonders in einer Region wie Stuttgart, wo wir uns gegen große Namen behaupten müssen.
Zählt familiäres Handeln auch als Wettbewerbsvorteil im Werben um Fachkräfte?
Absolut. Familienunternehmen bieten eine besondere Arbeitskultur, die auf Vertrauen, Beständigkeit und persönlicher Nähe basiert. Diese Kultur unterscheidet uns von großen börsennotierten Konzernen und macht uns zu einem attraktiven Arbeitgeber. Natürlich legen wir auch Wert auf Leistung – das ist in jedem Unternehmen wichtig – aber bei uns geht es nicht nur um die bloße Erfüllung von Zielvorgaben. Unsere Mitarbeitenden wissen, dass ihre Arbeit geschätzt wird und dass sie in einem Umfeld arbeiten, das von gegenseitigem Respekt und einem starken Gemeinschaftsgefühl geprägt ist. Wir bieten nicht nur eine berufliche Heimat, sondern auch eine familiäre Gemeinschaft, in der sich unsere Mitarbeitenden entfalten und weiterentwickeln können. Und das sind nicht nur schöne Worthülsen: So sind wir etwa Teil des Netzwerks für familienfreundliche Unternehmen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und wurden diesbezüglich auch schon mehrfach ausgezeichnet.
Was waren die wichtigsten Faktoren, die Ihr Unternehmen in den letzten Jahren erfolgreich und mit Wachstum durch die unsichere Weltwirtschaft geführt haben?
Ein zentraler Erfolgsfaktor war unsere globale Aufstellung und Diversifizierung. Bereits vor vielen Jahren haben wir unsere Strukturen so ausgerichtet, dass wir in den drei Hauptregionen – Amerika, Europa und Asien – unabhängig voneinander operieren können. Diese Regionalisierung hat uns erlaubt, flexibel auf globale Unsicherheiten zu reagieren und unsere Produktion und Logistik in jeder Region an die dortigen Bedürfnisse anzupassen. Dies hat uns geholfen, die Herausforderungen der letzten Jahre besser zu bewältigen und uns schneller auf veränderte Marktbedingungen einzustellen. Ein weiterer wichtiger Faktor war unsere strategische Entscheidung, uns stärker auf das Lösungsgeschäft zu fokussieren. Wir haben uns von einem produktorientierten Unternehmen zu einem Anbieter von Komplettlösungen entwickelt. Das bedeutet, dass wir unseren Kunden nicht nur Kabel oder Stecker verkaufen, sondern umfassende Lösungen anbieten, die auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Wir sind einer der wenigen Anbieter, die Kabel und Stecker aus einer Hand liefern können, und das verschafft uns einen klaren Wettbewerbsvorteil. Das gilt auch für wachstumsstarke Märkte wie die Infrastruktur für die Elektromobilität und Fertigungsanlagen von Batterien – hier werden jeweils genau unsere Lösungen benötigt. Und auch entscheidend: Wir haben schon vor COVID mit einem Kulturwandel bei Lapp angefangen, der uns gerade in den letzten Jahren und in diesen unsicheren Zeiten intern gestärkt und resilienter gemacht hat.
Ist es wichtig, als international agierendes Unternehmen Produktionen vor Ort zu haben?
Ja, das ist entscheidend. Das Prinzip „local for local“ ermöglicht es uns, flexibel auf die Bedürfnisse der Märkte einzugehen und lokale Normen besser zu erfüllen. Durch die lokale Produktion können wir schneller auf Kundenanforderungen reagieren und sind weniger abhängig von globalen Lieferketten, was uns widerstandsfähiger gegenüber externen Störungen macht. Auch eine höhere Wertschöpfungstiefe ist ein zentraler Bestandteil unserer Strategie. Das stärkt unsere Unabhängigkeit vor Ort und gibt uns einen klaren Wettbewerbsvorteil. Durch die Herstellung eigener Compounds können wir auch die Qualität unserer Produkte besser kontrollieren und spezifischer auf Kundenanforderungen eingehen. Wir investieren also kontinuierlich in neue Produktionsstandorte in Regionen mit starkem Wachstumspotenzial. So sind wir in der Lage, unseren Kunden weltweit hochwertige Produkte zu liefern, die genau auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind, und unsere Wettbewerbsfähigkeit sichert. Jedes Land hat seine eigenen Vorschriften und Standards, die eingehalten werden müssen, um dort erfolgreich zu sein. Wenn man in einem Land nicht vor Ort produziert und die lokalen Normen erfüllt, wird es sehr schwierig, dort Fuß zu fassen.
Und wie sieht es mit der Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland aus? Welche Rahmenbedingungen wünschen Sie sich hierfür?
Mein größter Wunsch wäre mehr Planungssicherheit von der Politik. In den letzten Jahren haben wir gesehen, wie schnell sich gesetzliche Rahmenbedingungen ändern können, sei es in der Energiepolitik, bei Steuern oder bei regulatorischen Vorschriften. Diese Unvorhersehbarkeit macht es für Unternehmen sehr schwierig, langfristige Investitionen zu planen. Ein Beispiel ist die Energiepolitik: Wenn die Strompreise sich plötzlich vervielfachen, kann das ein Unternehmen in erhebliche Schwierigkeiten bringen, insbesondere wenn man bereits in Projekte investiert hat, die auf stabilen Energiekosten basieren. Langfristige, klare und verlässliche Rahmenbedingungen sind unerlässlich, um Investitionen zu tätigen, die oft über Jahrzehnte angelegt sind. Wenn wir als Unternehmen nicht wissen, was uns in den nächsten zehn Jahren erwartet, wird es sehr schwierig, fundierte Entscheidungen zu treffen. Das betrifft nicht nur die Energieversorgung, sondern auch die Verfügbarkeit von Fachkräften. Wir wissen seit Jahrzehnten, dass die Babyboomer-Generation in Rente geht, aber es wurden nur unzureichende Maßnahmen ergriffen, um dieses Problem zu lösen. Hier brauchen wir dringend eine langfristige Strategie, die es uns ermöglicht, die nötigen Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Ein weiteres Thema, das mir am Herzen liegt, ist die Bürokratie. Es dauert in Deutschland oft viel zu lange, Genehmigungen zu bekommen, sei es für Neubauten, Erweiterungen oder andere unternehmerische Vorhaben. In anderen Ländern, wie zum Beispiel den USA oder China, geht das oft viel schneller. Dort bekommt man eine Genehmigung oft innerhalb von wenigen Monaten, während es bei uns Jahre dauern kann. Das bringt uns im internationalen Wettbewerb in eine schwierige Position. Letztlich geht es darum, dass wir in Deutschland wieder mehr auf die Stärken setzen, die uns in der Vergangenheit erfolgreich gemacht haben: Fleiß, Innovationskraft und Effizienz für eine starke Industrie. Wenn wir es schaffen, diese Werte zu bewahren und gleichzeitig die notwendigen Reformen umsetzen, bin ich zuversichtlich, dass wir auch in Zukunft erfolgreich sein werden und das Gütesiegel „Made in Germany“ wieder weltweit mehr an Achtung gewinnt.
Was können wir hierbei von den erwähnten Ländern wie China oder den USA in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit lernen?
Der größte Unterschied liegt im Willen und der Entschlossenheit dieser Länder, wirtschaftlich erfolgreich zu sein. In Asien, insbesondere in China und Indien, gibt es einen starken Ehrgeiz, den Lebensstandard der Bevölkerung zu verbessern. Diese Länder sind bereit, hart zu arbeiten und innovative Wege zu gehen, um dieses Ziel zu erreichen. In den USA beeindruckt mich die Innovationskraft und die Schnelligkeit, mit der Entscheidungen getroffen werden. Dort gibt es eine Kultur des „Anpackens“ und eine Bereitschaft, Risiken einzugehen, die wir uns in Deutschland wieder stärker zu eigen machen sollten. Bei uns ist all zu oft das Glas halb leer, wohingegen in Asien und den USA das Glas halb voll ist. Es ist wichtig, dass wir in Deutschland wieder optimistischer denken und gleichzeitig offen für neue Ansätze aus anderen Ländern sind.
Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit bei Ihren Verbindungslösungen?
Das wird immer mehr eine ganz entscheidende Rolle spielen, auch um wettbewerbsfähig zu bleiben. Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur, dass ein Produkt aus umweltfreundlichen Materialien besteht, sondern auch, dass es langlebig ist und eine hohe Leistungsfähigkeit über einen langen Zeitraum hinweg bietet. Ein Kabel, das länger hält, muss weniger oft ausgetauscht werden, was wiederum Ressourcen schont. Gleichzeitig arbeiten wir kontinuierlich daran, unsere Produkte noch umweltfreundlicher zu gestalten. Das beginnt bei der Auswahl der Rohstoffe und reicht bis hin zu innovativen Produktionsprozessen. Ein Beispiel ist der Einsatz von biobasierten Kunststoffen, die wir in einigen unserer Produkte bereits erfolgreich einsetzen. Diese Materialien sind nicht nur umweltfreundlicher, sondern bieten auch die gleichen hohen Leistungsstandards wie herkömmliche Materialien. Des Weiteren ist Kupfer essenziell für unsere Produkte, aber die Produktion ist energieintensiv und mit hohen CO2-Emissionen verbunden. Ein wichtiger Hebel ist deshalb die Nutzung von nachhaltig erzeugter Energie bei der Kupferproduktion. Wir arbeiten eng mit unseren Lieferanten zusammen, um diesen Schritt voranzutreiben, und erhöhen den Anteil an recyceltem Kupfer in unseren Produkten, um die CO2-Bilanz zu verbessern. Durch technologische Innovationen streben wir an, die Effizienz unserer Produkte weiter zu steigern und den Ressourcenverbrauch zu minimieren. Es ist ein komplexer Prozess, aber wir sind überzeugt, dass wir hier große Fortschritte machen können.
Warum sollten sich Kunden für Lapp entscheiden, wenn es um nachhaltige Verbindungslösungen geht?
Weil wir nicht nur hochwertige Produkte, sondern maßgeschneiderte Lösungen bieten, die höchste Standards in Nachhaltigkeit und Qualität erfüllen. Wir sind seit über 60 Jahren ein Innovator in der Verbindungstechnologie und haben uns stets durch kundenorientierte Lösungen ausgezeichnet. Unser Engagement für Nachhaltigkeit zeigt sich in unserem gesamten Produktportfolio und in unserer Art, mit Kunden zusammenzuarbeiten. Wir denken nicht nur an die aktuellen Bedürfnisse unserer Kunden, sondern blicken nach vorne und entwickeln Lösungen, die langfristig Bestand haben. Lapp wird auch in Zukunft ein Familienunternehmen bleiben, das für Vertrauen, Beständigkeit und langfristige Orientierung steht.