Flughäfen gibt es in Berlin gefühlt an jeder Ecke – vier an der Zahl. Während der eine noch auf seine Eröffnung wartet, hat der andere den Betrieb längst eingestellt. Doch ausgerechnet dort, auf dem geschichtsträchtigen Areal des stillgelegten Flughafens Berlin-Tempelhof, stand Anfang Juni 2017 die Zukunft im Mittelpunkt: Unter strahlendem Sonnenschein gab am 10. und 11. Juni eine ganz besondere Rennserie in dem Terminal und rund um das Rollfeld ein Gastspiel. Wer meint, ein Autorennen mitten in der Stadt grenze an Lärmbelästigung, liegt falsch: Statt kreischender Verbrennungsmotoren und beißendem Benzingeruch gaben surrende Elektromotoren den Ton an – und das ohne Emissionen. Elektromobilität steht im Fokus der Formel E, der ersten rein elektrischen Rennserie, die seit 2014 auf der ganzen Welt gastiert. Das Besondere dabei: Die Elektroboliden drehen ihre Runden nicht wie bei der Formel 1 auf speziell vorgesehenen Rennstrecken, sondern flitzen auf Straßenkursen mitten durch die Stadt. Nicht nur in Berlin, sondern auch durch Monaco, New York und Montreal.
Elektroniklabor auf vier Rädern
Ziel der Serie ist es zum einen, Aufmerksamkeit für Umweltbewusstsein und Energieeffizienz im Automobilbereich zu schaffen. Zum anderen nutzen die Unternehmen, die sich in den insgesamt zehn Formel-E-Rennteams engagieren, die Serie als Innovationsfeld für ihre Produkte. Eines dieser Unternehmen ist Würth Elektronik eiSos. Als Technologiepartner des Teams Abt Schaeffler Audi Sport – das einzige deutsche Team in der Serie – macht sich der Elektronikhersteller seit der ersten Saison für die Rennserie und damit für das Zukunftsthema E-Mobility stark. Alexander Gerfer, CTO der Würth Elektronik eiSos Gruppe, ist von der Formel E begeistert und erklärt, was die Serie für sein Unternehmen bedeutet: „Wir decken damit das ganze Feld der Batterieladetechnik ab, also Themen wie Energie, Energiehaushalt, Rückgewinnung und Effizienz.“ Die Rennserie ist für den CTO ein idealer Ort, um eigene Entwicklungen über Laborbedingungen hinaus zu testen und zu verbessern (siehe Interview S. 26). Dafür stattet sein Unternehmen die insgesamt vier Autos des Abt-Teams seit der zweiten Saison mit Steckverbindern, Kondensatoren und Redcube-Terminals aus – würfelförmigen Kontakten zur Hochstromübertragung. Außerdem steckt in den E-Flitzern eine spezielle Batterie des Unternehmens, die das Bordspannungsnetz mit Energie versorgt. Fällt die Hauptbatterie aus, bleibt die Steuerelektronik erhalten. Darüber hinaus hat Würth Elektronik eiSos gemeinsam mit Abt das dazugehörige Batterieladegerät entwickelt.
Über diese und weitere Entwicklungen des Unternehmens konnten dessen Kunden sich am Rennwochenende in Berlin auch über die Theorie hinaus informieren. Denn bei der Formel E entsteht die Nähe zur Technik nicht nur durch die Lage der Rennstrecke. Kunden und Besucher haben etwa die Möglichkeit, bei einem Gang durch die Boxengasse, dem sogenannten Pitwalk, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und mitzuerleben, wie die Teams ihre Fahrzeuge auf das Rennen vorbereiten. Zwei E-Autos stehen jedem Fahrer im einstündigen Rennen zur Verfügung. Da die Kapazität der eingesetzten Lithium-Ionen-Batterien mit 28 kWh beschränkt ist, müssen die Fahrzeuge einmal im Rennen gewechselt werden. Weil Motor, Getriebe und Elektronik viel Energie verbrauchen, sind verlustarme Bauteile, wie Würth sie bietet, erforderlich.
Fragen sind beim Pitwalk erwünscht, denn um E-Mobility voranzubringen, ist es wichtig, über die Bedürfnisse ihrer unterschiedlichen Nutzer zu diskutieren. Das meint auch Alexander Gerfer: „Man sollte die Diskussion um E-Mobility viel mehr segmentieren und genauer hinschauen, zum Beispiel auf die Städte. Dort haben Reichweite und Schnellladen einen geringeren Stellenwert als bei einem E-Truck, der über Land fährt und ganz andere Ladebedingungen hat.“ Sein Wunsch lautet deshalb, das Thema relaxter anzugehen und es nicht mit ewigen Diskussionen über fehlende Reichweite zu blockieren.
Aufklärung rund um E-Mobility
Für einen relaxten Umgang mit Elektromobilität sorgte in Berlin vor allem einer: Lorandt Fölkel, Entwicklungsingenieur und Technologiebotschafter #askLorandt bei Würth Elektronik eiSos. Er kennt sich mit E-Mobility bestens aus und stand auch in der Racesuite von Würth Elektronik eiSos Rede und Antwort. In zwei Live-Demonstrationen brachte er den neugierigen Gästen Energy Harvesting und Wireless Power näher – und das auf nette Art: „Alles, was sich in unserem Energy Harvesting Design Kit befindet, ist Standard und kein Hokuspokus“, versichert er beispielsweise mit seinem sympathischen rumänischen Akzent. Auch abseits der Formel E beantwortet er gemeinsam mit einem Expertenteam die Fragen von Kunden und allen, die mehr über Elektrotechnik, Schaltungsdesign oder den Einsatz von Bauelementen wissen möchten.
Wissensvermittlung mit persönlichem Anstrich – so könnte man das Konzept hinter der Formel E beschreiben. Neben Lorandt Fölkel standen in der Racesuite von Würth Elektronik eiSos – einer Loge im Terminal für Kunden und Gäste des Unternehmens – auch Alexander Gerfer und weitere Mitarbeiter für Gespräche zur Verfügung. Und selbst Lucas di Grassi, der neben Daniel Abt für das Abt-Team fährt, schaute zwischen Autogrammstunde und Rennen kurz vorbei. Wie viele andere Fahrer der rein elektrischen Rennserie ist er ein ehemaliger Formel-1-Fahrer und nun zusammen mit seinem Teamkollegen im Auftrag der Nachhaltigkeit unterwegs.
Formel E stiftet Sinn
An diesem Samstag startete di Grassi von der Pole Position. Mit bis zu 272 PS und maximal 225 km/h flitzen die Stromer über die Piste und beschleunigen in 2,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Dabei surren sie mit angenehmen 80 Dezibel die Tribünen entlang. Über Sieg und Niederlage entscheidet oft, wie gut die Fahrer mit der Energie an Bord haushalten – jedes unnötige Bremsmanöver und jeder verpasste Windschatten kann Sekunden kosten. Aber auch die Stimmung unter den Fans kann das Zünglein an der Waage sein: Um ihrem Favoriten Rückenwind zu geben, können die Fans abstimmen, welcher Pilot einen sogenannten Fanboost im Rennen erhält. Damit darf der Fahrer in seinem zweiten Auto zusätzliche 100 kJ Energie freischalten, die er einmalig in einem Leistungsfenster zwischen 180 und 200 kW beliebig einsetzen kann.
Am Ende fuhr di Grassi in Berlin trotz Fanboost auf den zweiten Platz. Statt über den verpassten Sieg enttäuscht zu sein, lobte Alexander Gerfer: „Es gibt bei der Formel E harten Einsatz vom ganzen Team, das kann man live erleben.“ Wichtiger als der Sieg sei es, nach jedem Rennen sagen zu können, dass keiner auf der Rennstrecke stehengeblieben ist und die Fahrer gerade bei einem Fahrzeugwechsel vielleicht sogar noch eine Runde länger draußen bleiben konnten. Teamwork ist es also, was die Formel E neben der Erprobung von Produkten ausmacht. Und das ist für den CTO besonders im Hinblick auf den Nachwuchs ein wichtiges Argument: „Die Generation Y will heute Sinnhaftigkeit in ihrer Arbeit sehen. Die Formel E und die Verbindung mit unserer täglichen Arbeit ist ein perfektes Mittel, um das zu zeigen“, betont er.