Fest steht: Mit dem Energienetz in seiner heutigen Form kann die Energiewende nicht gelingen: Durch einen steigenden Anteil Erneuerbarer Energien nehmen auch die Stromschwankungen im Netz deutlich zu. Zudem ersetzen viele kleine Strom-Lieferanten wenige große. Und: Netze müssen gleichzeitig Strom in zwei Richtungen transportieren können.
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, entwickelt das Kopernikus-Projekt Ensure, gefördert vom Bundesforschungsministerium, Technologien für das Energienetz der Zukunft. Dazu hat Ensure bis 2019 analysiert, welche Anforderungen Stromnetze bis 2050 erfüllen müssen. Seither entwickelt es Lösungen, mit denen sich diese Anforderungen umsetzen lassen. Jetzt hat das Projekt die ersten fünf Technologien bekanntgegeben, die es in der Praxis oder digital simuliert testen wird. Die Technologien im Überblick:
1. Der Ensure-Adaptivschutz
Um das Stromnetz zu schützen, messen Schutzgeräte im Netz permanent Ströme und Spannungen. Kommt es zu Störungen, schalten sie die betroffenen Bereiche ab. Das Problem: Bisher werden Schutzgeräte einmalig programmiert – und arbeiten dann nach den immer gleichen Regeln. Auf Veränderungen im Netz können sie dadurch nicht reagieren.
Der Ensure-Adaptivschutz soll das ändern: Er vernetzt mehrere Schutzinstrumente, lässt ihre Datenströme zentral zusammenlaufen und berechnet fortlaufend Einstellparameter, die zur aktuellen Netzsituation passen. Dadurch lernt das Schutzsystem ständig dazu und kann flexibel auf die Einspeisung Erneuerbarer Energien reagieren.
2. Der Ensure-Solid-State-Transformer
Das Stromnetz funktioniert mit Wechselstrom, E-Autos brauchen Gleichstrom. Bisher lassen sich E-Auto-Ladestationen daher nur über mehrere Umwandlungsschritte ans Stromnetz anschließen.
Der Ensure-Solid-State-Transformer soll das ändern. Er hat einen sogenannten Umrichter bereits integriert, der Wechselstrom in Gleichstrom umwandelt. Durch diese smarte Lösung für den Direktanschluss ans Netz gibt es deutlich weniger Energieverluste beim Weg des Stroms vom Netz ins Auto.
3. Ensures MVDC-Kurzkupplungs-Simulator
Bislang sind Mittelspannungsnetze in Teilnetze aufgeteilt. Kommt es zu einer Störung, lassen sich Stromausfälle dadurch leicht lokal begrenzen. Das Problem: Die Netze sind dadurch kaum flexibel und können keine Energie untereinander austauschen. So kann es vorkommen, dass in einem Teilnetz Windenergieanlagen abgeschaltet werden müssen, weil das Netz überlastet ist, während im benachbarten Teilnetz noch Kapazitäten vorhanden sind.
Ensures innovative MVDC-Kurzkupplungen sollen das ändern. Sie ermöglichen den dauerhaften Austausch von Energiereserven zwischen einzelnen Teilnetzen – und stellen trotzdem sicher, dass Störungen nicht auf benachbarte Teilnetze übergehen können. Ensure testet sie zunächst durch eine digitale Simulation.
4. Das Ensure-Vermaschungskonzept
Bisher ist Deutschlands Energienetz weitestgehend strahlenförmig organisiert: Zentrale Kraftwerke liefern Energie in alle Teile Deutschlands. Wenn die Strahlen dieser Sterne in Zukunft wie Maschen eines Netzes miteinander verbunden werden, lässt sich die Energie auch auf vielen anderen Wegen ihrem Ziel zuführen – und das deutlich effizienter und bei verhältnismäßig geringen Netzausbau-Kosten.
Analysen aus Ensure zeigen, dass intelligente Vermaschungen dazu beitragen können, den veränderten Anforderungen von Erzeugung und Verbrauch von Energie gerecht zu werden. Jetzt will Ensure sein Vermaschungskonzept auf Verteilnetzebene auch in der Praxis testen.
5. Ensures digitales Umspannwerk
Im Stromnetz sind Umspannwerke so etwas wie Kreuzungen. Hier treffen unterschiedliche Netze mit unterschiedlichen Spannungen aufeinander. Es gilt, den Strom so zu lenken, dass die Netze stabil funktionieren. Damit das klappt, hilft es zu wissen, wie der tatsächliche Leistungsfluss innerhalb eines Umspannwerkes erfolgt. Je mehr abrufbare Informationen es gibt, desto besser lassen sich diese Informationen bestimmen.
Genau dafür hat Ensure ein digitales Umspannwerk entwickelt. Neue Messgeräte und moderne Kommunikationstechnik erfassen hierbei digital Daten einzelner Umspannwerkskomponenten, werten sie aus, verarbeiten sie schnell und effizient – um auf Grundlage dieser Daten besser als bisher und automatisiert Stromflüsse steuern zu können.
Bis 2022 will Ensure diese Technologien erstmalig testen. Anschließend sollen diese ausgebaut und um weitere Technologien ergänzt werden.
Zum Kopernikus-Projekt Ensure
Das Kopernikus-Projekt Ensure erarbeitet, wie das Stromnetz der Zukunft (und der Weg dorthin) aussehen könnte – und berücksichtigt dabei alle Möglichkeiten. Bis 2019 legte das Projekt die theoretischen Grundlagen, seit 2020 bereitet Ensure den Aufbau des Energienetzes der Zukunft auch in der Praxis vor.
Dafür erarbeiten Netzbetreiber, Industrie und Wissenschaftler gemeinsam ein Konzept für eine Region, in der sie die im Projekt betrachteten Ansätze für ein zukunftsfähiges Energienetz ab 2022 testen wollen. Dieser „Energiekosmos Ensure“ liegt im Norden Deutschlands, wo besonders viele zukünftige Anforderungen schon heute getestet werden können.
Ziel ist es, ein Gesamtkonzept für die Energieversorgung zu entwerfen, das in den bestehenden sozio-ökonomischen Rahmen eingebettet ist und eine Übertragbarkeit der Ergebnisse innerhalb Deutschlands und Europas sicherstellt.