Die Unternehmensverantwortlichen mühen sich um die Anpassung an eine Welt, die sich im Laufe ihrer Karrieren fundamental verändert hat. Die Ausbreitung neuer Technologien, von sozialen Medien und mobilen Apps bis hin zu digitalen Einkaufserlebnissen und mobilen Bezahlsystemen sowie die anspruchsvollen und sich rasch ändernden Erwartungen einer neuen Verbraucherklasse, versiert im Umgang und ermächtigt zum Einsatz erschwinglicher allgegenwärtiger Technologie zwingen globale Unternehmen, sich danach auszurichten und Innovationen einzuführen. In den letzten Jahrzehnten gründeten die Vertriebsabteilungen neue Zweigniederlassungen, wodurch komplizierte Organisationsstrukturen entstanden. Nach der Konsolidierung der boomenden Märkte müssen diese Strukturen eingehend überprüft und hinterfragt werden. Sehr häufig haben sich die Unkosten innerhalb ausländischer Vertriebsorganisationen, die ursprünglich zur Expansion in der Anfangsphase notwendig waren, mittlerweile zu schweren Kostentreibern entwickelt. Wie die in München ansässigen Management-Berater Wieselhuber & Partner herausgefunden haben, nimmt die Anzahl zentraler Positionen rascher zu als die Expansionsrate des Unternehmens. Aus diesem Grunde ist eine kritische Untersuchung der Organisations- und Vertriebsstruktur unumgänglich, besonders für den globalen Vertrieb, weil dadurch die meisten Aktivitäten und Kosten in den Zweigniederlassungen aufgedeckt werden, die mit der Anpassung an deren Märkte verbunden sind. Diese sekundären organisatorischen Ausgaben werden oft unterschätzt.
Global Account Managements
In der zunehmend globalen Geschäftsumgebung, meinte Uwe Püschel, erweitern viele Unternehmen ihre Tätigkeiten auf weltweiter Basis. Bei komplizierteren, regional verteilten Organisationen werden diese Firmen mehr oder weniger gezwungen, auf globaler Basis zu arbeiten, und sie erwarten von ihren Lieferanten eine ebensolche Arbeitsweise. Doch trotz aller beschleunigten Ausbreitung ist die Globalisierung alles andere als eine neue Problemstellung. Kunden brauchen eine zentrale Kontaktstelle, die in der Lage ist, all ihre weltweiten Probleme anzugehen und zu koordinieren. Das Konzept eines Global Account Managements, wie es Fujitsu vor mehr als fünf Jahren ins Leben gerufen hat, ist entscheidende Voraussetzung für diese Zielsetzung. Ein zentrales Team am Stammsitz, das sich auf Key-Accounts konzentriert, wird durch speziell zugeordnete Support-Teams in den Regionen ergänzt. Es kommuniziert mit dem Management am Hauptsitz des Kunden sowie anderen zentralisierten Funktionen wie zum Beispiel dem Beschaffungswesen.
Josef Behammer, Director Marketing EMEA von Kontron, meinte dazu: „Strategisches Key Account Management funktioniert nur dann, wenn grundsätzlich auch versucht wird, mit dem Kunden einen gemeinsamen Mehrwert zu erzielen. Erwartungen werden gleich von Beginn an richtig gesetzt und gesteckte Ziele lassen sich auch gemeinsam viel schneller erreichen. Eine erfolgreiche Win/Win-Situation wird von Kunden geschätzt und erhöht damit auch die Kundenbindung." Und Holger Ruban, President Business Supplies bei Conrad, fügte hinzu: „Die Funktion des Key Account Managements (KAM) ist im Begriff, sich zu drastisch zu verändern. KAM wird künftig nicht mehr nur einen Bereich des Anbieterunternehmens darstellen, sondern notwendigerweise in allen Bereichen integriert sein. Diese neuen Aufgabenstellungen erfordern natürlich ein starkes Commitment des Top-Managements und die Motivation, für Kunden kontinuierlich neue Leistungen zu entwickeln."
Stark regional orientiert
Volker Koppert, Head of Business Unit PCB Connectors, stellte die neue Organisationsstruktur seines Arbeitgebers Phoenix Contact vor. Charakteristisch für Phoenix ist eine starke regionale Orientierung – 30 Prozent des Umsatzes werden in Deutschland, 30 Prozent in Resteuropa gemacht –, außerdem eine breite Streuung über alle Branchen hinweg sowie eine hohe Fertigungstiefe: Von Schrauben bis hin zur Montagemaschine wird alles in dem familiengeführten Unternehmen selbst hergestellt. Koppert erläuterte die Umorganisation, die vor drei Jahren stattgefunden hat: Es gibt drei große Bereiche (mit vier Divisions) – für die Produkte für Geräte, für Schaltschränke sowie für Produkte, die zu einer Lösung beitragen. Diese wiederum sind unterteilt in Business Units (BUs). Volker Koppert ist in der von Lars Brickenkamp geleiteten Division Device Connectors (Umsatzanteil an den 1,6 Mrd Euro des Gesamtunternehmens bei 25 Prozent) verantwortlich für die BU „PCB Connectors“. Die den BUs zugeordneten Vertriebsgesellschaften in 53 Ländern sind rechtlich selbstständig, mit zum Teil eigenen Kompetenzzentren. Unternehmer ist der Leiter der BU, während die Division lediglich noch Margenziele vorgibt.
Es gibt, wie Lars Brickenkamp erläuterte, noch eine Reihe von „Shared Resources“, weil für die vollständige BU-Struktur noch das Volumen fehlt. In den zwanzig größeren Landesgesellschaften sind unterschiedliche Vertriebs-Teams für die Divisions unterwegs; trotzdem wird der Ansatz „One Face to the Customer“ möglichst weiter verfolgt. Die Zuordnung zu den BUs erfolgte nach Know-how und Markt. Dabei diskutiert man Grenzfälle jährlich und nimmt Ausgleichszahlungen vor, wobei Cross-Selling möglich ist. Dadurch sind wiederum internationale Key Accounts für die großen Kunden entstanden, die in mehreren Ländern einkaufen und die einen Key-Rabatt sowie von den lokalen Gesellschaften Sonderpreise erhalten.
Es entspann sich während des Treffens eine rege Diskussion über die Lenkung, die Zielsetzung, die Entwicklungs-, Strategie- und die Budgetverantwortung. Jeder der Teilnehmer hat verwandte Probleme, und „die Gefahr, dass gelegentlich mehr über die Verteilung der Margen verhandelt wird als über Kunden" sei groß. Eine Patentlösung gebe es nicht, vor allem angesichts der stark divergierenden Voraussetzungen in den Ländern, beispielsweise zwischen den USA und China. Doch der Gedankenaustausch trägt wohl dazu bei, Optimierungspotenziale zu untersuchen, zu erkennen und auszuschöpfen.