Es kommt nicht jeden Tag vor, dass durch die Innenstadt von Braunschweig Schwertransporter mit tonnenschweren Kabeltrommeln rollen. 21 Schwerlasttransporter sind mit einem Kran und einer Blinkanlage auf dem Dach auf den Straßen unterwegs.
Die Fracht: schiffsschraubengroße Stahltrommeln, über 3 m hoch, mit aufgewickelten 110-kV-Hochspannungskabeln so dick wie die Unterarme mancher Bauarbeiter. In den nächsten Monaten sollen die Kabel allesamt unter die Erde und dafür sorgen, dass die knapp 250.000 Einwohner-Metropole auch weiterhin zuverlässig ihren Strom bekommt.
„Durch die Elektromobilität steigen auch in Braunschweig die Anforderungen an das Stromnetz. Wir wollen die alten Hochspannungskabel aus den 80er Jahren erneuern und unser Netz stabiler machen“, sagt Volker Schwanitz, Projektverantwortlicher der BS Netz, wie die Braunschweiger Stadtwerke heißen.
Dafür haben Bauarbeiter zwischen den Umspannwerken der Stadt eine lange Kabeltrasse aufgegraben. Rund 6,7 km ist der erste von drei Bauabschnitten lang. An einem heißen Julitag wirbeln auf der Baustelle drei Männer der auf Hochspannung spezialisierten Wassermann Kabeltechnik. Neben ihnen lärmt der Autoverkehr, Fahrradfahrer eilen vorüber. Mit einem Zugseil ziehen die Männer das Hochspannungskabel durch den Graben. Um die hohe Netz-Spannungen auszugleichen, müssen sie den Prozess mehrmals wiederholen. Drei solcher dicken Kabel werden am Ende für das sogenannte drei Phasen-System nebeneinander liegen.
Alles aus einer Hand
Für das Unternehmen Lapp war die braunschweiger Baustelle etwas Besonderes, bevor der erste Spaten überhaupt in die Erde sank. Der Experte aus Stuttgart liefert in Braunschweig nicht nur die Kabel, zum ersten Mal übernimmt er die Koordination für das gesamte Bauprojekt. Ein Rollenwechsel vom Verbindungsspezialist zum Projektkoordinator, den das Unternehmen über Monate hinweg vorbereitete.
„Es ist das erste Projekt im Bereich der Energieversorgung, bei dem wir als Komplettanbieter auftreten“, sagt Johannes Gleich, der bei Lapp vertriebsverantwortlich für alle Stadtwerke und Netzbetreiber in Deutschland ist. Zusammen mit Wassermann, die als Zulieferfirma vor allem die Bauarbeiten erledigt, übernimmt der Hersteller aus Baden-Württemberg sämtliche Arbeitsschritte: Die Lieferung der Kabel, die Verlegung, die Installation, den Umbau im Umspannwerk sowie an den Trafostationen und überreicht anschließend den Auftraggebern die Übergabeprotokolle.
„Der Organisationsaufwand ist immens“, sagt Gleich. So sei etwa durch die schiere Dimension der Kabeltrommel eine Just-in-time-Lieferung notwendig, weil die Trommeln nicht einfach am Straßenrand geparkt werden könnten.
Die Koordination zwischen Kunden, Verlegefirma und anderen Zulieferern sei aufwendig, „aber es ist toll, wenn die einzelnen Arbeitsschritte ineinandergreifen.“ Auch seitens Wassermann bestehen Erwartungen an die Partnerschaft: „Alle Beteiligten müssen eng Zusammenarbeiten – vom Projektmanagement in der Bauleitung bis hin ins Back Office, und natürlich vor Ort“, so Michael Richter, der bei Wassermann als Betriebsstättenleiter in Burgdorf unter anderem für das Team aus der Montage verantwortlich ist.
Funktioniert die Zusammenarbeit nicht, verzögert sich nicht nur die Fertigstellung der Baustelle und damit die reibungslose Gewährleistung von Infrastruktur, es können hohe Kosten auf die Stadtwerke zukommen. Richter ist zufrieden, denn mit Lapp war ein Projektleiter und Ansprechpartner am Zug, mit dem das Projekt erfolgreich abgeschlossen werden konnte.
Für eine optimale Infrastruktur
Gleich erkannte das große Marktpotenzial und den damit einhergehenden Bedarf von Leistungen im Infrastrukturbereich. Daher erweiterte Lapp sein Portfolio um Lösungen für die Verlegung und Installation von Hochspannungskabeln im 110-kV-Bereich durch die Zusammenarbeit mit Sublieferanten, wie zum Beispiel Wassermann. Gleich nahm vor rund einem Jahr Kontakt zu einer ganzen Reihe von Stadtwerken in Deutschland auf, darunter auch BS Netz. Das Projektteam erkannte, dass Städte und Gemeinden nicht nur ihre Netzkabel erneuern wollen, sondern auch nach Unterstützung bei der Projektabwicklung suchen.
„Es kommt nicht alle Tage vor, dass eine Stadt wie Braunschweig neue 110-kV-Kabel verlegt“, sagt Janine Putsche von BS Energy, die den Unternehmens-Einkauf verantwortet. „Wir haben nach einem Auftragnehmer gesucht, der möglichst alles aus einer Hand anbietet und als alleiniger Ansprechpartner fungiert. Bei Lapp war das der Fall“, sagt sie. Es sei natürlich ein Wagnis, wenn Unternehmen Neuland betreten, versteht Johannes Gleich. Doch mit der Leistungsbreite und -tiefe des Unternehmens sei das Risiko überschaubar.
Fazit
In Braunschweig sind schon seit geraumer Zeit die Kabeltrassen wieder zugeschüttet. Die Stadt profitiert bereits von ihrem vollen Netzbetrieb. Angesichts des immer größeren Strombedarfs durch die E-Mobilität, bringt das erhebliche Vorteile – heute und in Zukunft.