Will man zu René Schilling, gehören feste Schuhe, lange Hosen und ein Oberteil mit langen �?rmeln zur Grundausstattung. Vor der Tür bewaffnet man sich noch mit einer Schutzbrille. So gerüstet kann man den Raum mit den fünf Destillationsanlagen, den Kolonnen, betreten. In der Anlage, die Schilling gerade betreut, blubbert eine gelbe Flüssigkeit, eine rote verhält sich ruhig in ihrem Glaskolben. Wie zum Kontrast in blau gekleidet, erklärt er den Destillationsvorgang - und seinen Weg zur und innerhalb der BASF. Die Fußstapfen seiner Mutter führten ihn zum Chemieriesen in Ludwigshafen, sie ist hier Laborantin. Nach der Mittleren Reife bewarb er sich als Kaufmann, doch zum Erfolg führte erst die zweite Bewerbung -für eine Ausbildung zum Chemikanten. Inzwischen ist er froh darüber, denn er genießt das praktische Arbeiten im chemischen Umfeld. Nach seiner Ausbildung arbeitete er vier Jahre in der Produktion, wo er Vorprodukte für Waschmittel herstellte. Das war ganz gut, aber Schilling wollte es spannender. Jetzt arbeitet er in der Forschung und kümmert sich um die Destillationsprozesse. Hier gleicht kein Tag dem anderen, jeder Prozess stellt ihn vor neue Aufgaben. Zurzeit arbeitet er an einem Wertprodukt. So wird bei der BASF ein Destillat genannt, wenn der Kunde, für den René Schilling destilliert, das Ergebnis verkauft. Die Anlage, an der er das gerade tut, ist etwa sechs Meter hoch und geht über zwei Stockwerke. In diesem Labor können die Kolonnen auch schon mal zwölf Meter hoch sein, in der Regel aber eher einen bis zehn. Die Destillation findet in drei Stufen statt. In der Ersten werden Amin und Wasser getrennt, in der Zweiten restliche Leichtsieder abdestilliert, die Dritte liefert dann endlich das Wertprodukt. Beim ersten Durchgang fingen der junge Chemikant und seine Kollegen mit 1,5kg Zulauf pro Stunde an. Da die Destillation in der zweiten Stufe schwieriger ist, sind es inzwischen nur noch 500Gramm pro Stunde, die durch die Anlage laufen. An der Kolonne selbst steht selten jemand, denn vieles läuft automatisch. Bedient wird die Kolonne über das Prozessleitsystem, das die Heizungen und Pumpen entsprechend der Vorgaben regelt. Allerdings entnimmt Schilling mehrmals am Tag Proben vom Endfass, um diese zu analysieren. Sollten die Werte nicht den Erwartungen entsprechen, geht dieses Fass nochmals durch die Kolonne. Vorher muss er jedoch die Parameter ändern, damit diesmal alles glatt geht.
Seine Herausforderung: der Feinschliff
Hier liegt für ihn die Herausforderung: „Warum was passiert und was man folglich besser machen könnte, da probiere ich leider noch rum“, bedauert er. Das ist verständlich, wenn man bedenkt, dass er erst seit knapp zwei Monaten in der Destillation arbeitet. Sein Ziel ist es, irgendwann so gut zu sein wie seine Kollegen, die oft auf Anhieb wissen, wie es besser läuft. Deshalb will er so schnell wie möglich viel lernen, damit er dann alles selbst machen kann. Einiges war ihm aber auch schon vertraut: „Durch meine Zeit in der Produktion konnte ich die Anlagen auf Anhieb fahren: Die Kolonnen einstellen, hochfahren und am Laufen halten - damit habe ich keine Probleme.“ Auch das chemische Grundwissen brachte er durch seine Ausbildung zum Chemikanten bereits mit. Eigentlich geht es nur noch um den Feinschliff, der mit der Erfahrung kommt.
Hoffentlich ging über Nacht nichts schief
An einem typischen Tag braucht Schilling nur 15 Minuten mit dem Auto bis zum Verbundstandort. Nachdem er seine Arbeitskleidung angezogen hat, sieht er nach der Anlage, die über Nacht lief. Manchmal stellt er sie abends ab - immer dann, wenn Schwankungen im Prozess oder Unreinheiten im Produkt zu erkennen sind. „Läuft die Anlage zum Feierabend stationär, setze ich die Abschaltung ein. Das heißt, ich lege Grenzwerte fest, bei denen die Anlage automatisch abschaltet. So passieren weder Unfälle, noch Verunreinigungen am Produkt“, erklärt er. Außerdem hängt Schilling ein neues Fass an den Zulauf, damit dieser morgens nicht leer ist. Wenn über Nacht etwas schief ging, zum Beispiel die Sicherheitsabschaltung wegen eines Grenzwerts aktiviert wurde, fährt er die Anlage morgens wieder auf Betriebstemperatur hoch. Arbeitet er an einer Wertproduktherstellung, besteht die Aufgabe von René Schilling darin, das Produkt regelmäßig zu analysieren und so viel wie möglich durch die Kolonne zu fahren. Manchmal betreut er mehrere Anlagen parallel, doch derzeit ist er am Aufbau einer anderen beteiligt. Das nimmt einiges an Zeit in Anspruch: Das rein mechanische Aufbauen der Teile ist meistens etwa nach zwei Wochen erledigt. Viel aufwendiger ist die ganze Peripherie, inklusive Messregler und Prozessleitsystem, und die Dichtigkeit der einzelnen Elemente. Bis die Anlage tatsächlich betriebsbereit dasteht, dauert es schon mal fünf bis sechs Wochen. Den Aufbau der komplexen Anlagen unterschätzen die Mitarbeiter auch mal selbst, besonders wenn einige Details noch nicht hundertprozentig stimmen. Aber auch der Abbau einer Kolonne dauert Wochen. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Grundkonstruktionen der Anlagen wenn möglich erhalten bleiben und nur Veränderungen im Aufbau vorgenommen werden. Destillieren, um ein Wertprodukt zu erhalten, kommt selten vor. Normalerweise arbeitet die Abteilung von Schilling internen Forschungseinheiten zu. Kommen Aufträge aus deren Richtung, geht es um die Frage, wie man am besten destillieren kann. Es geht um die Anlage des Kunden, um die Angaben für die Ingenieure, welche Anlagen von über 100 Metern konstruieren - auf Basis der Angaben des jungen Chemikanten. Dazu führt er die Destillation verschiedener Flüssigkeiten durch, prüft, ob diese möglich ist, analysiert Probleme, sucht Lösungen und dokumentiert die Ergebnisse. Wenn man ihn fragt, ob er sich vorstellen kann, auch in Zukunft für die Forschungsabteilung zu destillieren, antwortet er mit einem überzeugenden „Auf jeden Fall!“ Seine neue Arbeit macht René Schilling sichtlich Spaß. Nach zwei Monaten sammelt er täglich neue Erfahrungen, an denen sein Wissen wächst. Gewiss begeistern ihn die stets neue Komplexität und die Aufregung, ob die Analyse- und Destillationsergebnisse auch den Erwartungen entsprechen.