Beteiligungsangebote sind wenig inklusiv und transparent. Ambitionierte Methoden zur Partizipation wurden bisher kaum angewandt. Die Einbeziehung der Bevölkerung erfolgt stark top-down, und was am schwersten wiegt: „Es fehlen ein Plan und ein strategischer Ansatz der Beteiligung für die lange Strecke des Strukturwandels, der bekanntlich einen langen Atem braucht“, so Dr. Jan-Hendrik Kamlage, Wissenschaftlicher Geschäftsführer und Leiter der Forschungsgruppe Partizipation und Transformation am Centrum für Umweltmanagement, Ressourcen und Energie (CURE) an der Ruhr-Universität Bochum.
Frei von Kohle bis 2038
2019 fiel der Entschluss: Bis 2038 will Deutschland aus der Kohleverstromung komplett ausgestiegen sein. Das hat Folgen, zum Beispiel für das rheinische Braunkohlerevier, das seit Jahrzehnten vom und mit dem Braunkohletagebau lebt. Damit der Strukturwandel hier konstruktiv verläuft, wurde mit dem Ausstieg auch der gerechte Übergang in eine postfossile Wirtschaftsweise festgelegt. Bis 2038 stellt der Bund dafür 14,8 Milliarden Euro zur Verfügung.
Die Kohlekommission empfahl eine partizipative Ausgestaltung des Ausstiegs und eine regionale Umsetzung der Förderung durch einen „zivilgesellschaftlichen Dialog und Teilhabe an der Zukunftsgestaltung der Reviere“. „Eine solche partizipative Governance strebt an, demokratisches Engagement durch Information und Dialog in dafür gestalteten Beteiligungsräumen zu fördern“, erklärt Kamlage.
Einige Gruppen kaum beteiligt
Das Studienteam untersuchte die Aufbauphase der von der Landesregierung und der Zukunftsagentur Rheinisches Revier verantworteten partizipativen Governance zwischen Herbst 2019 und Ende 2022. Kriterien für die Bewertung der einzelnen Beteiligungsmaßnahmen waren, wie transparent, fair, inklusiv und einflussreich sie waren. Wurden vielfältige Akteurgruppen eingeladen? Waren Auftrag und Ziele allen klar? Wurden verschiedene Perspektiven einbezogen und gemeinsame Lösungen entwickelt? War das Konzept für die Beteiligung stimmig und langfristig angelegt?
Das Urteil der Forschenden fällt wenig schmeichelhaft aus. Zwar gab es Beteiligungsformate und digitale Plattformen. Doch Qualität und Aktualität von Webseiten waren umstritten, mancher Ergebnisbericht wurde erst auf Nachfrage veröffentlicht. Einige Gruppen wurden so gut wie gar nicht beteiligt. „Es ist zum Beispiel nur von vier Jugendlichen dokumentiert, dass sie in den Prozess einbezogen waren“, berichtet Kamlage.
Empfehlungen für mehr Transparenz
Die Forschenden empfehlen, die Gremien inklusiver zu gestalten und ihnen klare Aufgaben und ein dauerhaftes Mandat zu geben. Auch in die Leitungsgremien sollte die Vielfalt der Zivilgesellschaft eingebunden werden. „Wir raten auch dazu, eine mehrjährige, lernende Programmstruktur zu prüfen, die alle vier bis sechs Jahre an die sich verändernden Bedingungen angepasst wird“, so Kamlage.
„Dazu sind ein partizipatives Monitoring und eine externe Evaluation notwendig“, fügt Kamlage hinzu. Zu den Empfehlungen gehören außerdem die Intensivierung von Beteiligungsangeboten, ergänzende face-to-face-Formate und eine digitale Plattform, die alle Infos bündelt. Zudem seien Bottom-up-Formate wünschenswert, die von lokalen Initiativen stimuliert werden.