Ethanol wird in der Regel durch Fermentation von Zuckern aus stärkehaltigen Rohstoffen wie Mais oder aus lignozellulosehaltiger Biomasse wie Holz oder Stroh hergestellt. Es ist ein etablierter Kraftstoff, der den Verkehrssektor dekarbonisiert und ein Baustein sein kann, um langfristig CO2 zu reduzieren.
Forschende am Campus Straubing für Biotechnologie und Nachhaltigkeit der Technischen Universität München (TUM) haben gemeinsam mit der Technischen Universität Lappeenranta-Lahti (LUT) in Finnland einen neuen Prozess zur Herstellung von Ethanol entwickelt.
Forstwirtschaft-Reststoffe und Wasserstoff
Dabei werden Reststoffe aus der Forstwirtschaft gemeinsam mit Wasserstoff genutzt. Der Wasserstoff soll durch die Zerlegung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff mithilfe von Strom, also per Wasserelektrolyse, hergestellt werden. Damit kann zukünftig der Überschussstrom für die Herstellung von Ethanol genutzt werden.
„Der Gesamtprozess besteht überwiegend aus technisch ausgereiften Teilprozessen. Die Zusammensetzung der Prozessschritte und der finale Schritt, die Hydrierung von Essigsäure zur Ethanolgewinnung, sind allerdings neu“, sagt Daniel Klüh, Doktorand an der Professur für Regenerative Energiesysteme am TUM Campus Straubing.
Kosten sind mit neuer Herstellungsweise wettbewerbsfähig
Auch die wirtschaftliche Machbarkeit haben die Forschenden bewertet. „Unsere errechneten Preise basieren auf Annahmen für Rohstoffe und Energie. Wir nutzen keine aktuellen Marktpreise. Die Berechnungsbasis unserer Preise für die chemischen Anlagenkomponenten ist das Jahr 2020“, erklärt Klüh.
Die niedrigsten Kosten für Ethanol betrugen in den Modellierungen 0,65 Euro pro Liter bei Biomassekosten von 20 Euro pro Megawattstunde, Stromkosten von 45 Euro pro Megawattstunde und einer Produktionsmenge von etwa 42 Kilotonnen Ethanol pro Jahr.
„Die Kosten sind damit wettbewerbsfähig mit den derzeitigen Herstellungsvarianten für Ethanol auf Basis von Lignozellulose. Der Ethanolpreis reagiert sehr empfindlich auf die Stromkosten und schwankt zwischen 0,56 und 0,74 Euro pro Liter“, sagt Kristian Melin, Assistant Professor an der finnischen LUT.
Ein Grund für die Profitabilität des Prozesses ist, dass die Ethanolausbeute im Vergleich zu fermentationsbasierten Prozessen auf Basis von Stroh oder Holz deutlich höher ist. Aus einer Tonne trockener Biomasse können mit dem entwickelten Prozess zwischen 1.350 und 1.410 Liter Ethanol hergestellt werden. Mit den fermentationsbasierten Prozessen können aus einer Tonne trockener Biomasse hingegen nur zwischen 200 bis 300 Liter Ethanol erzeugt werden.
Wo Produktionsstätten entstehen könnten
Ein Teil der Studie widmet sich der variablen geografischen Anordnung der Produktionsstätten, wodurch eine gewisse Unabhängigkeit von Zulieferern erreicht werden könnte. „Länder mit einem hohen Restholzpotenzial und grünem Strom, zum Beispiel Finnland oder auch Kanada, können als Produzenten von Essigsäure dienen, die im letzten Prozessschritt hydriert wird, um Ethanol zu gewinnen“, sagt Prof. Tuomas Koiranen von der LUT.
„Länder wie Deutschland haben dafür in Zukunft hoffentlich einen grünen Strommix und können im eigenen Land die Hydrierung der Essigsäure zu Ethanol durchführen. Allerdings hat Deutschland nicht das Restholzpotential für eine großskalige Biomassevergasung zur Synthese von Essigsäure“, ergänzt Prof. Matthias Gaderer, Professor für Regenerative Energiesysteme an der TUM.
Technologie muss noch reifen
Mit dem Prozess kann unter Einsatz von grünem Strom zum Betrieb der Elektrolyse ein CO2-armer Treibstoff hergestellt werden, der ein Treibhausgasminderungspotential von 75 Prozent im Vergleich zu fossilem Benzin hat. Ethanol ist als Treibstoff schon etabliert. Er kann sowohl, wie schon praktiziert, in Form von E-10 Benzin, mit 10 Prozent Ethanol im PKW-Treibstoffgemisch, oder auch als ED95, mit 95 Prozent Ethanol, im Schwerlastverkehr als Dieselersatz eingesetzt werden.
Mit ihrer Prozesssimulation haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Wettbewerbsfähigkeit des Prozesses gezeigt. „Zur Kommerzialisierung muss der Technologiereifegrad angehoben werden. Nächste Schritte wären beispielsweise weitere Katalysatorentwicklungen, ein Reaktordesign und der Bau sowie Betrieb einer Pilotanlage“, sagt Prof. Gaderer.