Eine große Überraschung hatte Conrad Electronic für die diesjährige Embedded World versprochen. Mit dem Conrad Marketplace ist dem Distributor das auf jeden Fall gelungen. Ähnlich wie bei Amazon, dem Primus in diesem Bereich, verkauft Conrad auf diesem nicht nur sein eigenes Sortiment, sondern auch andere Unternehmen können ihre Produkte über den Marktplatz vertreiben. Wie genau sich das Unternehmen das vorstellt und was den Conrad Marketplace von Amazons unterscheidet, haben wir bei dem Vorsitzenden der Geschäftsführung von Conrad, Holger Ruban, nachgefragt.
E&E:
Marketplaces kennt man vor allem aus dem Konsumbereich. Wieso denken Sie wird das auch in der Industrie funktionieren?
Holger Ruban:
Die Kunden möchten nicht mehr zu mehreren Händlern, um alle ihre Bauteile und Komponenten zu bekommen. Sie wollen alles bei einem Distributor kaufen. One-Stop-Shopping ist hier das Stichwort. Bisher müssen Ingenieure und Einkäufer oft zu 10 oder 20 verschiedenen Stellen, um die verschiedenen Produkte, die sie benötigen, zu bekommen. In Zukunft sollen sie alles bei Conrad erhalten. Das lässt sich unseres Erachtens am besten über einen Marketplace erreichen.
Sie könnten die Artikel auch selbst ins Sortiment nehmen.
Mit einem Teil könnten wir das sicherlich. Aber irgendwann kommen wir mit der Lagerhaltung und der Logistik an unsere Grenzen. Wir bieten aktuell über 750.000 Artikel an. Bis Ende 2018 sollen es im Marketplace über zehn Millionen sein. Das ist eine ganz andere Größenordnung.
Möchten Sie damit auch in andere Branchen vorstoßen?
Auf jeden Fall. Das ist eines unserer Ziele. Durch den Marktplatz haben wir die Möglichkeit, auch Bauteile und Geräte aufzunehmen, die wir normal nicht anbieten würden. Viele Unternehmen brauchen für ihre Geräte nicht mehr nur Elektronik, sondern auch Bauteile aus anderen Bereichen. Wir möchten auch ganz neue Kunden und Branchen ansprechen, zum Beispiel Firmen, die nicht aus der Elektronik kommen. Unser langfristiges Ziel ist es, alles abzudecken, was mit Technik zu tun hat.
Wieso ist es ein geschlossener Marketplace?
Dadurch sorgen wir dafür, dass die Qualität stimmt. Anders als etwa bei Amazon Business, soll nicht jeder seine Produkte hineinstellen können. Wir nehmen nur Händler auf, die die ISO-Norm 9001 erfüllen. Außerdem sollen auch die Rückverfolgbarkeit der Supply Chain und die Qualität der Lieferungen gewährleistet sein.
Eine Öffnung des Marketplace zu einem späteren Zeitpunkt ist also nicht geplant?
Nein, das haben wir nicht vor. Das würde auch nicht funktionieren, weil dann die Qualität der Produkte nicht sichergestellt ist. Darauf wird in der Industrie deutlich mehr geachtet als etwa im Konsumbereich.
Sprechen Sie Unternehmen an, damit diese den Marktplatz nutzen, oder rechnen Sie damit, dass sie von selbst auf Sie zukommen?
Beides. Wir reden mit Firmen, deren Produkte wir gerne dabei hätten und die unsere Anforderungen erfüllen. Es können aber natürlich auch sehr gerne Hersteller von sich aus auf uns zukommen. Seit wir den Launch des Conrad Marketplace bekannt gegeben haben, kommt das auch regelmäßig vor und wir bekommen viele Anfragen dazu.
Überprüfen Sie welche Produkte angeboten werden oder ist das den Verkäufern selbst überlassen?
Die von uns ausgewählten Firmen entscheiden selbst, welche Produkte sie hineinstellen. Da mischen wir uns nicht ein. Wir bieten allerdings Hilfe beim Einstellen und der Vermarktung an. Darin kennen wir uns schließlich aus. Außerdem überprüfen wir stichprobenartig die Artikel und schauen zum Beispiel, ob die Beschreibungen passen und die technischen Angaben vorhanden sind. Bei der geplanten Menge an Produkten können wir aber natürlich nicht jedes Einzelne überprüfen.
Schließen Sie Firmen aus, falls diese die Kriterien nicht erfüllen?
Sollte die Qualität der Produkte oder der Lieferungen wiederholt nicht stimmen, werden wir Verkäufer auch ausschließen. Wir glauben allerdings nicht, dass es soweit kommt.
Sehen Sie die Gefahr, dass Probleme mit Verkäufern Ihnen statt dem Verkäufer angelastet werden?
Dieser Gefahr sind wir uns bewusst. Das ist bei Marktplätzen einfach so, dass teilweise nicht zwischen den Verkäufern und dem Marktplatz unterschieden wird. Darum ist es sehr wichtig, im ständigen Austausch mit den Sellern zu stehen.
Holen Sie sich durch den Marketplace nicht die Konkurrenz auf die eigene Seite?
Das wird bei manchen Produkten auf jeden Fall passieren. Neben einem Conrad Produkt haben wir dann eben auch ein oder vielleicht sogar mehrere Konkurrenz-Produkte auf dem Marketplace. Das ist bei solchen Plattformen eben so und auch der Sinn hinter einem Marktplatz. Wir sehen aber kein Problem darin, wenn der Kunde unsere und die Konkurrenzprodukte auf der Plattform vergleicht. Das würde er eh tun, nur nicht auf unserer Seite, sondern außerhalb. Da ist es uns lieber, wenn er das auf unserer Seite macht.
Die Betaphase hat Ende April begonnen. Wie lange soll sie dauern?
Das ist schwer abzusehen. Wir planen sie bis Mitte des Jahres abgeschlossen zu haben.
Ende 2018 soll der Marketplace in allen Ländern, in denen Conrad tätig ist, verfügbar sein. Wie viele Händler werden dann auf der Seite aktiv sein?
Bis Ende des Jahres rechnen wir mit circa 100. Wie es dann weitergeht, ist schwer zu sagen. Das kommt drauf an, wie der Marktplatz von den Unternehmen angenommen wird. Wir sind zwar sehr optimistisch, aber müssen trotzdem erst einmal abwarten, wie die Rückmeldungen sind. Wir planen aber wie gesagt bis Ende 2018 zehn Millionen Artikel auf dem Marktplatz anzubieten.
Wie ist denn bisher die Resonanz?
Wir sind selbst überrascht, wie positiv sie ausfällt. Wir haben mit deutlich mehr Skepsis gerechnet. Fast alle Unternehmen, die wir angesprochen haben, beteiligen sich am Marktplatz oder sind zumindest interessiert. Und wie gesagt wurden wir seit der Bekanntgabe auch von vielen Firmen angesprochen, die gerne Zugang dazu hätten.
Der Marketplace wird auch eine Spracherkennung enthalten. Was versprechen Sie sich davon?
Die Voice Search ist vor allem als Hilfsmittel für Ingenieure gedacht, die zum Beispiel in schmutzigen Umgebungen arbeiten. Mit öligen Fingern kann man schließlich schlecht einen Computer oder ein Smartphone bedienen. Die Sprachsuche wird in Zukunft die klassische Suche ergänzen.
Eine Conrad Alexa, vielleicht mit anderem Namen, ist also nicht geplant?
(lacht) Eine gute Idee. Aber nein. An einer Alexa arbeiten wir nicht.