Offshore-Windenergieanlagen stehen auf einer gewaltigen, bis zu 60 Meter hohen Tragstruktur; der größere Teil davon bleibt unterhalb der Wasserlinie verborgen. Verwendet wird heute oft ein einziger stählerner Pfahl, ein sogenannter Monopile. Dazu werden bis zu 2000 Tonnen Stahl zusammengeschweißt, bei dessen Erzeugung große Mengen an CO2 freigesetzt werden.
Hohes Einsparpotenzial
Deutlich geringer fällt die Tonnage und damit der bei der Stahlerzeugung freigesetzte CO2-Anteil aus, wenn statt des Monopiles filigranere Tragstrukturen verwendet werden. Diese als Jacket-Gründungen bezeichneten Leichtbaustrukturen stellen fertigungstechnisch jedoch eine Herausforderung dar, so dass CO2-Einsparpotenziale bislang industriell nicht umgesetzt werden.
Das hat vor allem mit den sehr komplexen Schweißnähten zu tun: Die Jacket-Gründungen werden heute meist manuell zusammengeschweißt und später mit Spezialschiffen zu ihrem Einsatzort gebracht. Toleranzen bei der Fertigung von Hand und hohe Sicherheitsanforderungen machen eine konservative Auslegung erforderlich, das heißt, es werden dickwandige Bauteile verarbeitet.
„Durch automatisierte Schweißverfahren, mit denen man gleichzeitig optimierte Geometrien der Schweißnähte erzielt, ließe sich die Ermüdungsfestigkeit der Gründungen erhöhen und so der Bedarf an zu verarbeitendem Stahl reduzieren“, erklärt Andreas Pittner von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM). „Die Einsparpotenziale sind eindrucksvoll.“
Bei einer durchschnittlichen 12-Megawatt-Anlage ließen sich gegenüber einem Monopile 20 Prozent an Gewicht, das heißt circa 400 Tonnen Stahl und entsprechend rund 800 Tonnen an CO2 einsparen. Durch ein optimiertes Design der Schweißnähte nach bionischen Prinzipien sowie Einsparungen beim energieintensiven Schweißen selbst lässt sich der CO2-Anteil in der Fertigung weiter reduzieren. Insgesamt ergibt sich für einen Windpark mit 100 Anlagen ein Einsparpotenzial, das über 100.000 Tonnen CO2 entspräche.
Projekt zu Leichtbautechniken
Noch jedoch stellen die sehr komplexen Schweißnähte der Jackets eine Herausforderung für die automatisierte Fertigung dar – diese wäre wiederum die Voraussetzung für die Anwendung der Leichtbauprinzipien im Stahlbau.
Den damit verbundenen Fragestellungen widmet sich jetzt das neue Verbundprojekt „SmartWeld“, das Andreas Pittner leitet. Es wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Rahmen des Technologietransfer-Programms Leichtbau mit 3,17 Millionen Euro gefördert und ist auf drei Jahre angelegt.
Beteiligt sind neben der BAM das Institut für Stahlbau und das Testzentrum Tragstrukturen der Leibniz Universität Hannover, das Fraunhofer Institut für Windenergiesysteme (IWES), Salzgitter Mannesmann Forschung sowie das Ingenieurbüro Jörss – Blunck – Ordemann.
„Wir wollen die Verwendung von Leichtbautechniken durch eine durchgängige Digitalisierung der gesamten Fertigungs- und Prüfkette ermöglichen“, so Pittner. „Das betrifft das Design der Anlagen über die Fertigung, Bauteilprüfung und das Qualitätsmanagement. Dabei arbeiten wir bewusst unter industrienahen Bedingungen, damit der Technologietransfer in die Wirtschaft später schnell gelingen kann.“
Auch anderweitig einsetzbar
Die Tragstrukturen von Windenergieanlagen sind letztlich nur ein Anwendungsbeispiel für die Einsparpotenziale von CO2 durch Leichtbau. Die Erkenntnisse von SmartWeld ließen sich später auch auf andere Bereiche übertragen, in denen großformatige Stahlbauten gefertigt werden, zum Beispiel bei Tragstrukturen für Brücken.