Das seit diesem Jahr geltende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verschärft sich Anfang 2024 nochmals. Dann sind bereits Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern dazu verpflichtet, Maßnahmen gegen Menschenrechtsverletzungen und umweltbezogene Risiken entlang ihrer Lieferkette zu ergreifen.
Bisher galt dies nur für Firmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern. „Die zweite Stufe des Gesetzes betrifft nun deutlich mehr Unternehmen, als es bisher der Fall war. Viele müssen sich zeitnah Gedanken über ein entsprechendes Risikomanagementsystem, Verantwortlichkeiten und Meldepflichten machen“, sagt Michael Ritter, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Factoring für den Mittelstand.
Zunehmende Kosten für indirekt Betroffene zu befürchten
Neben den direkt Betroffenen dürfte die Regelung aber noch um einiges weitere Kreise ziehen: „Viele Mittelständler sind als Lieferanten eng mit Großunternehmen und Konzernen verbunden. Wendet sich einer dieser Abnehmer beim Durchleuchten seiner Lieferkette an seine KMU-Partner, kann das auch für sie entsprechende Prüfungen und Anpassungen bei der eigenen Lieferantenstruktur bedeuten, um die Kundenbeziehung nicht zu gefährden. Hier kann Handlungsbedarf bestehen, selbst wenn ein Unternehmen von dem Gesetz nicht unmittelbar betroffen ist“, so Ritter.
Dem Experten zufolge seien zahlreiche Unternehmen bereits dabei, ihre Lieferketten vorsorglich zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Mittelständler schauen sich teils gezielt nach Lieferanten in Europa, den direkten Nachbarländern oder im Inland um. So sollen etwa Beziehungen zu Zulieferern aus dem asiatischen Raum kompensiert werden.
„Das Lieferantenportfolio derart umzukrempeln, fordert von den Unternehmen zusätzliche Liquidität. Angesichts der aktuell unsicheren Wirtschaftslage, den Nachwirkungen der Corona-Pandemie und der Energiekrise sowie den momentanen Kredithürden ist das nicht trivial“, wendet Ritter ein. Hinzu käme, dass nicht wenige Mittelständler aus den Erfahrungen mit zerrütteten Lieferketten und Materialengpässen den Schluss gezogen hätten, auch ihre Lagerhaltung wieder auszubauen. Das erfordere ebenfalls freie Mittel.
Forderungsverkauf kann Liquidität bereitstellen
Eine Möglichkeit, um mit der Herausforderung umzugehen, sieht Ritter in einer speziellen Art der Umsatzfinanzierung: „Beim Factoring verkaufen Mittelständler regelmäßig offene Forderungen an einen Finanzierungspartner und erhalten den Großteil der jeweiligen Rechnungssumme unmittelbar ausgezahlt. Dadurch haben sie liquide Mittel sofort zur Hand, auf die sie andernfalls Wochen oder manchmal auch Monate hätten warten müssen“, sagt der Experte.
Diese Liquidität könne beispielsweise dafür eingesetzt werden, sich auf die Suche nach neuen Lieferanten zu begeben, höhere Preise europäischer Partner abzufedern, Vorratskäufe zu tätigen oder die Lagerflächen zu erweitern. Auch wenn kurzfristiger Handlungsbedarf besteht, etwa wenn ein Großabnehmer entsprechende Informationen und Anpassungen bezüglich der Lieferkette fordert, bleiben KMU durch die direkt verfügbare Liquidität handlungsbereit.
Der Lösungsansatz über Factoring hat neben der unmittelbaren Auswirkung auf die Liquidität noch einen weiteren Effekt. Ritter zufolge zahle sich dieser besonders in volatilen Zeiten wie den jetzigen aus: „In der anhaltend unsicheren Wirtschaftslage ist es nicht unwahrscheinlich, dass Zahlungsausfälle zunehmen werden. Mit dem Verkauf von Forderungen gibt ein Unternehmen jedoch das Risiko solcher Ausfälle ab. Im Zweifel haftet der Factoring-Partner, der für diesen Fall vorsorglich mit einer Warenkreditversicherung ausgestattet. Der Factoringnutzer kann demnach den Rechnungsbetrag auch bei einer möglichen Insolvenz eines Kunden behalten.“