Vor nicht einmal fünf Jahren beschworen Experten das goldene Zeitalter des Flüssig-Erdgases. Als umweltfreundlichster fossiler Brennstoff schien Gas die ideale Übergangslösung auf dem Weg zur erneuerbaren Stromversorgung.
Anno 2015 zeichnet sich ein anderes Bild: Kohle und mancherorts sogar Öl haben dem Gas den Rang abgelaufen. Kurzfristig sagen die Experten der Strategie- und Innovationsberatung Arthur D. Little Überkapazitäten und fallende Flüssig-Erdgas-Preise voraus. Im aktuellen Viewpoint „Unlocking global LNG market value“ analysieren sie, wie die rasante Preiskonvergenz den weltweiten Gasmarkt beeinflusst.
Das globale Marktvolumen von Flüssig-Erdgas verzeichnet seit Jahren nur minimale Wachstumsraten und hat noch immer nicht das Niveau des Jahres 2011 erreicht. Nach Ansicht von Arthur D. Little wird die Produktion von Flüssig-Erdgas bis 2020 konstant steigen, da neue Förderprojekte in Australien und den USA erschlossen werden.
Als Folge dieser Überkapazitäten werde der Preis für Flüssig-Erdgas weiter fallen.
Mittelfristig könnte das jedoch zu Problemen führen, da die niedrigen Preise Investoren von neuen Erschließungsprojekten abhalten. So scheinen die Vorkommen in Alaska, dem Mittelmeerraum, Australien und Ostafrika nicht so schnell erschließbar zu sein, weil sie sich schlicht nicht rechnen. Auch China scheint auf den Import von russischem Gas und Öl zu setzen, anstatt eigene Vorkommen zu erschließen.
Prognose der Internationalen Energieagentur in Frage gestellt
Die Experten von Arthur D. Little hinterfragen die Prognose der Internationalen Energieagentur, dass eine Preiskonvergenz für Flüssig-Erdgas sich erst im Laufe der nächsten zehn Jahre einstellen wird. Stattdessen gehen sie davon aus, dass sich in einem wesentlich kürzeren Zeitraum ein funktionierender Markt für Flüssig-Erdgas als Grundlage für eine Preiskonvergenz bildet.
Basis dieser Entwicklung sei der sich ausbildende Käufermarkt sowie die Entstehung global agierender Erdgas-Unternehmen durch Fusionen (z.B. Shell und BG). Käufer von Flüssig-Erdgas können bei kurzfristigen Verträgen Arbitragemöglichkeiten für sich nutzen, was zu einer globalen Angleichung der Preise führen wird.
Aufgrund der derzeitigen Marktsituation geht Arthur D. Little davon aus, dass sich in Europa, Asien und den USA bald konstante Flüssig-Erdgaspreise einstellen werden. Für Asien prognostizieren sie Preise von 8 – 10 USD/MMBtu, für Europa Preise von 6 – 8 USD/MMBtu und für die USA, die mit Fracking große Vorkommen erschließen konnten, rechnen sie mit Preisen von 3,50 bis 4,50 USD/MMBtu. Die Preisunterschiede zwischen den Kontinenten beruhen gemäß der ökonomischen Theorie lediglich auf den unterschiedlichen Transportkosten.
Verdoppelung der LNG-Importe
Für Europa gehen die Experten davon aus, dass sich die Importe von Flüssig-Erdgas von 2014 bis 2020 verdoppeln werden. Grund dafür sei unter anderem das angespannte außenpolitische Verhältnis zu Russland, das derzeit Europas Hauptversorger von Erdgas ist. Der Rückgriff auf Flüssig-Erdgas dient dabei der Diversifizierung der Bezugsquellen – auch einseitige Abhängigkeiten werden vermieden.
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Vollständiger Report mit Praxisbeispielen: Unlocking global LNG market value