Elon Musk gilt als Visionär, der mithilfe wegweisender Innovationen die Welt verändert. Mit seinen Elektroautos treibt der Tesla-Gründer gerade den Durchbruch der E-Mobilität voran und bringt die etablierten Automobilkonzerne mächtig ins Schwitzen. Auch im Energiesektor macht der Innovator häufig von sich reden. Allerdings bleiben seine Produktentwicklungen hier noch hinter den Erwartungen zurück. Der Energiespeicher Powerwall führt in Europa noch immer ein Schattendasein: Laut einer aktuellen Studie von EuPD Research zum Speichermarkt in Deutschland liegt Tesla hierzulande nicht unter den zehn größten Speicheranbietern.
Im vergangenen Herbst hatte Musk unter großem Getöse seine neueste Innovation der Weltöffentlichkeit präsentiert: Solardachziegel. Die hiesige Solarindustrie reagierte auf diese Ankündigung eher gelassen. Denn Tesla ist in diesem Produktbereich kein Pionier. In Europa sind einige Unternehmen schon deutlich weiter als Elon Musk und verkaufen solare Dachziegel seit mehreren Jahren. Bislang sind Solardachziegel nur ein Nischenprodukt – warum ist das so? „Weil kein Hersteller die technischen Herausforderungen mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit zufriedenstellend lösen konnte. Und das wird auch für Tesla schwierig“, sagt Solarwatt-Chef Detlef Neuhaus. Darüber hinaus sind noch andere wichtige Punkte zu beachten: Erstens muss das Dach auch mit solaren Dachziegeln 30 Jahre dicht sein. Zweitens ist es problematisch, die vielen kleinen Ziegel mit maximal zwei Solarzellen unter hohem Aufwand und störungsfrei miteinander zu verbinden.
Indach-Module als Alternative
Zudem muss das Solar Roof natürlich auch sicherheitstechnisch einwandfrei funktionieren. Und eine solche Prüfung steht beispielsweise in Deutschland noch aus. Ob ein Solardach hierzulande installiert werden darf, entscheiden die Bautechniker. „Ein Tesla-Solardachziegel muss den Anforderungen und Regeln deutscher Bautechnik entsprechen“, erklärte Josef Rühle jüngst in der Wirtschaftswoche. Er ist verantwortlich für den Bereich Technik beim Dachdeckerverband in Köln und stellte klar, dass ohne eine offizielle baurechtliche Bewertung kein Solardachziegel auf einem deutschen Dach verbaut werden dürfen.
Auch Solarwatt hatte vor einigen Jahren mit der Entwicklung von Solarziegeln begonnen, dann aber wieder verworfen. „In unserem Firmen-Museum liegen mehrere Entwicklungen dieser Art, wir haben uns für einen anderen Weg entschieden, der für den Kunden wirtschaftlich ist“, so Detlef Neuhaus. Solarwatt bietet Indach-Module an. Diese sind so groß wie gängige Solarmodule und ersetzen ebenfalls die gängige Dacheindeckung. Die EasyIn-Module sind seit 2009 im Markt erhältlich. Im Rahmen der Solar-Leitmesse Intersolar im Juni dieses Jahres stellte die Firma das Indach-Modul auch als Doppelglas-Variante vor. „Die Module sehen nicht nur ästhetisch aus, sie produzieren nebenbei auch mehr als 30 Jahre Strom. Sie finanzieren sich dadurch quasi von selbst“, sagt Neuhaus.
Langlebige Glas-Glas-Module
Solarwatt ist einer der Solarpioniere in Deutschland. Das Unternehmen erlebte das Auf und Ab der hiesigen Solarbranche hautnah. Im Zuge der Branchenkrise Anfang der 2010er Jahre stellte der sächsische Mittelständler sein Produktportfolio radikal um: Ausgehend von der reinen Modulproduktion für den Massenmarkt entwickelte sich das Unternehmen zu einem Hersteller kompletter Photovoltaiksysteme. Diese Systeme bestehen aus Stromspeicher, Energiemanager und hochwertigen, langlebigen Glas-Glas-Modulen. Die empfindlichen Solarzellen sind in einem DoppelglasModul, wie der Name schon sagt, sowohl an der Vorderseite als auch an der Rückseite jeweils durch eine Glasscheibe geschützt. Dies führt im Vergleich zu einem Standardmodul in Glas-Folie zu einer längeren Lebensdauer und dadurch zu mehr Ertrag.
Auch Solarworld muss sich nach der Insolvenz verändern. Mit einer stark verkleinerten Mannschaft schwingt sich der neue alte Geschäftsführer Frank Asbeck auf, das Unternehmen in eine goldene Zukunft zu führen. Wie er das erreichen will, hat er auch schon mitgeteilt: Solarworld setzt ab sofort auf das Premium-Segment. Das Unternehmen spezialisiert sich auf Module mit der sogenannten PERC-Technik. Diese haben eine verspiegelte Rückseite, was zu einer höheren Energiegewinnung führen soll. Eine echte Innovation ist das allerdings nicht. Auch der weltgrößte Photovoltaikanbieter Trina Solar aus China setzt für manche Modulreihen auf diese Technik. Experten warnen schon davor, dass Solarworld ohne eine signifikante Anpassung des Geschäftsmodells wieder in Schwierigkeiten geraten könnte. So sagte Götz Fischbeck von Smart Solar Consulting im August im Handelsblatt: „Es ist nicht ersichtlich, warum Solarworld mit dezimierter Truppe und geringeren Produktionskapazitäten auf einmal Gewinne generieren soll.“
Solarfolie als Zukunftstrend?
Ein völlig anderes Feld besetzt Heliatek aus dem Dresdner Norden. Das Unternehmen produziert eine flexible organische Solarfolie. Diese ist weniger als einen Millimeter dünn und wird laut Firmenangaben vor allem bei Leichtbaustrukturen oder an Gebäudefassaden eingesetzt, bei denen die Verwendung von Standard-Solarpanels nicht möglich wäre. Auch wenn das 2006 gegründete Unternehmen momentan noch rote Zahlen schreibt, die Nachfrage nach der Solarfolie steigt. Das große Marktpotenzial erkennen auch die Investoren: Im vergangenen Jahr schloss das Unternehmen eine 80 Millionen Euro Finanzierungsrunde erfolgreich ab, um das Fertigungsvolumen zu erweitern. Heliatek könne nun seine weltweite Führungsposition im Bereich der organischen Solarfolien weiter ausbauen und die nächste Phase der Unternehmensexpansion beginnen, gab die Firma bekannt. „Wir werden mit Hilfe unserer Technologie die dezentrale Energieerzeugung an Fassaden von Industrie- und Gewerbebauten ermöglichen", sagt CEO Thibaud Le Séguillon selbstbewusst.
Auch in der Fraunhofer Gesellschaft werden neuartige Komponenten entwickelt und getestet, die die Stromerzeugung per PV-Anlage weiter verbessern sollen. Ende September stellten die Forscher des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE einen neuen Wirkungsgradrekord bei multikristallinen Solarzellen auf. Der erzielte Wirkungsgrad liegt bei 22,3 Prozent – erstmals wurde die „magische Grenze von 22 Prozent“ erreicht. Auf der Fachmesse EU PVSEC in Amsterdam zeigte das Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik eine neuartig strukturierte Glasoberfläche, auf der sich weniger Staub und Sand absetzt. Ohne eine zusätzliche Beschichtung soll so die Effizienz der Module verbessert werden. „Die weltweit installierte Leistung steigt, die Kosten zur Stromerzeugung mit Photovoltaik sinken. Das zeigt, wie dynamisch die Solarindustrie im globalen Maßstab weiterhin wächst. Wir wollen mit unseren Lösungen dazu beitragen, dass auch die Unternehmen in Deutschland und Europa weiterhin von dieser Entwicklung profitieren können“, sagt Prof. Jens Schneider, Leiter der Gruppe Modultechnologie am Fraunhofer CSP. Denn auf lange Sicht werden sich nur Firmen am Markt halten können, die bereit sind in Innovationen zu investieren und die intelligente Energiewelt von morgen so aktiv mitgestalten werden.