Siemens und seine Projektpartner haben in der Allgäuer Gemeinde Wildpoldsried ein regionales, in sich geschlossenes intelligentes Stromverteilnetz realisiert - ein sogenanntes Microgrid. Wildpoldsried gilt als Vorzeigegemeinde bei der Transformation hin zu einer von Prosumern gestützten Stromversorgung. Die Gemeinde mit rund 2500 Einwohnern versorgt sich energetisch vollständig aus erneuerbaren Energien und erzeugt über das ganze Jahr gesehen sieben Mal so viel Strom wie sie verbraucht.
Der Inselnetzversuch fand im Rahmen des Forschungsprojektes IREN2 statt. Hier haben Siemens, die Allgäuer Überlandwerk, AllgäuNetz, ID.KOM, RWTH Aachen und die Hochschule Kempten seit 2011 gemeinsam ein Smart Grid im Allgäu aufgebaut und erprobt. Ziel des Projektes ist es, ein Energiesystem mit dezentraler Stromerzeugung technisch und wirtschaftlich zu optimieren.
Warum werden Microgrids immer wichtiger?
Steigt der Anteil dezentraler, erneuerbarer Einheiten zur Stromerzeugung wie etwa Photovoltaik- oder Biogas-Anlagen im Energiemix, können lokale Inselnetze einen wichtigen Beitrag leisten, um eine hohe Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten. Auch im Falle von Störungen wie etwa durch Sturm oder Überflutungen sowie Blackouts springen dezentrale Energieerzeuger ein.
„Der wachsender Anteil dezentraler Energieerzeuger in lokalen Netzen erfordern eine intelligentere Steuerung, um die Stabilität und den optimalen Betrieb des Netzes aufrechtzuerhalten“, sagte Constantin Ginet, Leiter Globale Microgrid Lösungen bei der Siemens-Division Energy Management.
Was zeichnet Inselnetze aus?
Im Fokus der Forschungskooperation von IREN2 stehen Microgrids als Inselnetze sowie der Einsatz und der Betrieb von Microgrids als topologische Kraftwerke. Inselnetze sind autarke Versorgungsgebiete, die nicht mit dem öffentlichen Netz verbunden sind und deshalb besondere Anforderungen an die Betriebsführung stellen. Topologische Kraftwerke sind Netzabschnitte, deren Lasten und Erzeuger gemeinsam wie ein konventionelles Kraftwerk gesteuert werden können.
In vier Schritten zum Inselnetz
Der Nachweis der Inselnetzfähigkeit des Niederspannungsnetzes erfolgte in vier Schritten.
Die Experten initiierten zunächst bewusst einen Stromausfall. Die Stromversorgung im betroffenen Netzabschnitt wurde dann lokal als Inselnetz wieder hergestellt. Dieser Inselnetzbetrieb funktionierte abgekoppelt vom öffentlichen Stromnetz reibungslos.
Im nächsten Schritt synchronisierten die Partner das Inselnetz wieder unterbrechungsfrei mit dem öffentlichen Netz, so dass es auf die 32 betroffenen Anschlüsse in mehreren Straßenzügen keine Auswirkungen hatte - einschließlich einer Schule, eines Kindergarten, eines Gewerbegebäudes sowie mehrere Privathaushalte.
Schließlich demonstrierten die Experten, wie sich „per Knopfdruck“ der betroffene Abschnitt des Netzes auf Inselbetrieb und wieder zurück schalten lässt, ohne dass dabei die Stromversorgung unterbrochen wurde.
Die Zukunft dezentraler Stromversorgung
Der Inselnetzversuch in Wildpoldsried wird künftig auch Vorbild für andere Niederspannungsnetze sein. Denn Inselnetze haben in einer sich grundlegend wandelnden Energiewelt eine immer größere Bedeutung.
Noch zu Beginn der 1990er gab es in Deutschland nur rund hundert große Kraftwerke, die Strom erzeugten. Mittlerweile ist die Zahl kleiner, dezentraler Stromerzeugungsanlagen auf mehrere Millionen angestiegen. Ihre Anzahl wird auch künftig weiter wachsen. Mit steigendem Anteil erneuerbarer Energiequellen wachsen auch die Schwankungen in der Stromerzeugung. Smart Grids können dank intelligenter Steuerung und Energiespeicherung die volatile Erzeugung und den Verbrauch ausbalancieren und somit einen stabilen Netzbetrieb ermöglichen.