Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Klaus Töpfer nahm Anleihen beim Motto des preisgekrönten deutschen „Balancity“-Pavillons der Expo 2010 in Shanghai, um die Städte an ihre große Aufgabe zu erinnern: Zur „Stadt im Gleichgewicht“ sollen sie sich entwickeln.
Einen Schritt dazu hat soeben München abgeschlossen, die ab Mai in ihren eigenen On- und Offshore-Windparks, Wasserkraftanlagen, Geothermie-, Biomasse- und Solaranlagen bilanziell so viel erneuerbaren Strom erzeugt, wie ihre Haushalte, U-Bahn und Tram verbrauchen.
„Wir sollten es in Zukunft schaffen, dass nicht nur bilanziell, sondern auch technisch Ökostrom in München ankommt“, gab sich Dr. Florian Bieberbach selbstkritisch. Bis 2025 wollen die SWM so viel Ökostrom erzeugen, wie ganz München benötigt. München werde damit weltweit die erste Millionenstadt sein, die dieses Ziel erreicht. „Es wird sicher noch Jahrzehnte dauern, bis München eine gänzlich CO2-neutrale Stadt wird“, so der SWM-Chef.
Für ihre Vision haben die SWM schon 2008 die „Ausbauoffensive Erneuerbare Energien“ gestartet, für die sie insgesamt ein Budget von 9 Milliarden Euro bereitstellen und dabei auch in Offshore-Windstrom investieren, deren Transport nach Bayern allerdings Landes-Ministerpräsident Horst Seehofer bekanntlich zunehmend missfällt. Einstweilen halten die Münchner jedoch aus wirtschaftlichen Gründen auch an der Stromerzeugung aus Kohle fest.
Energieversorgung für Metropolen der Zukunft
Zur Feier des erreichten Etappenziels diskutierte der Bundesumweltminister a. D. und Exekutivdirektor des Institute for Advanced Sustainability Studies Prof. Töpfer am Freitag voriger Woche mit Dr. Patrick Graichen, Geschäftsführer Agora Energiewende, Edith Hofer, Generalsekretariat EU-Kommission, Bereich Energieunion, Simon Müller, Internationale Energieagentur sowie Dr. Florian Bieberbach, Vorsitzender der SWM-Geschäftsführung über „Energieversorgung für die Metropolen der Zukunft“.
Globale Trends
Energy Analyst Simon Müller hob dabei zwei große internationale Trends hervor: Angesichts des wachsenden Anteils volatiler erneuerbarer Energien im Netz gelte es Vorkehrungen zu treffen, um schnell nachsteuern zu können. Andererseits erweise sich die oft beschworene „Dunkelflaute“ nicht als so großes Problem wie ein zu hohes Solar- und Windangebot, angesichts dessen es gelte, die Überschüsse ökonomisch sinnvoll zu nutzen.
Das eigentlich Problem sei jedoch der Bestand an Kraftwerken mit hohem CO2-Ausstoß, mit denen noch Geld verdient werden soll: „Wie kriegen wir das alte Zeug aus dem System raus?“, fragte Müller provozierend. Insbesondere große Kohlekraftwerke erweisen sich trotz Kraft-Wärme-Kopplung in manchen Metropolregionen der Welt als großes Problem für Luftqualität.
Edith Hofer vom Generalsekretariat EU-Kommissionbetonte, dass Flexibilität einen Preis bekommen müsse. „Dies ist ein wichtiges Thema in den demnächst auf EU-Ebene beginnenden Konsultation über das Strommarktdesign.“
Problem sind Wärme und Verkehr
Dr. Patrick Graichen, Direktor des „Think Tanks“ Agora Energiewende wies darauf hin, dass der Blick auf 100 % erneuerbaren Strom nur ein Baustein auf dem Weg zur klimaneutralen Stadt sein könne. Fortschritte auf den Feldern Wärme und Verkehr seien schwieriger zu erreichen.
„Angesichts der Tank/Teller-Debatte bleibt vor allem die Elektromobilität als Handlungsoption beim Individualverkehr, während es auf dem Wärmesektor darum geht, wirtschaftlich nicht sanierbaren Baubestand vorrangig über Fernwärmenetze mit Wärme aus erneuerbaren Quellen zu bedienen.“
Tests mit Power-to-Heat
Der Gastgeber und Stadtwerke-Chef Dr. Florian Bieberbach rechnet angesichts zunehmend besserer Dämmung mit einem kontinuierlich sinkenden Wärmebedarf für München. Zukünftig soll dieser niedrigere Bedarf mittels Fernwärme aus Kraft-Wärme-Kopplung und Erdwärme abgedeckt werden, die derzeit stark ausgebaut wird. Bei Power-to-Heat ist man dagegen noch zurückhaltend: Es laufen einzelne Tests mit Elektroheizern.
Weitere Informationen
„Die Zeit der Riesen ist zu Ende“, Interview mit Dr. Florian Bieberbach, Stadtwerke München in Energy 2.0 6+7.2014 (September 2013), S. 14