Frank Behrmann ist mit diesem Beitrag im E&E-Kompendium 2020 als einer von 100 Machern der Elektronikwelt vertreten. Alle Beiträge des E&E-Kompendiums finden Sie in unserer Rubrik Menschen.
Ja, ich gebe es zu: Auch ich lese ungern Bedienungsanleitungen. Wenn doch, liegt es meist daran, dass das Gerät mit Touchdisplay, Kamera, Computing-Power und jeder Menge Software zwar alle Voraussetzungen mitbringt, „smart“ zu sein, aber erst die Vernetzung im Internet es zu einem Smart Device macht.
Genauso haben kommerzielle und industrielle Geräte, gleich ob Werkzeugmaschine in der Fabrik, Pfandautomat im Supermarkt, Zugangssysteme in einem Gebäude oder medizinisches Analysegerät in der Klinik, neben ihren spezifischen Aufgaben das Potenzial, sich zu vernetzen, also „smart“ zu werden. Was fehlt also noch?
Auch hier gilt: Es ist nicht nur die Anwendung, die ein Gerät „smart“ macht, sondern die vernetzte Lösung im industriellen Internet der Dinge (IIoT) in Kombination mit einer sehr einfachen und intuitiven Bedienung.
Embedded, Cloud und Edge Computing
Machen wir uns mit den verschiedenen Begrifflichkeiten, die im Umfeld von IIoT kursieren, vertraut: Im Kontext einer vernetzten Lösung wird das dezentrale Computing-System, also zum Beispiel das Embedded-System im Gerät oder eine intelligente Sensor-Box, als „Edge“ bezeichnet. Dem gegenüber wird das Computing-System virtualisiert als „Cloud“ umschrieben.
Während früher die Frage war: „Soll die Anwendung lokal mit begrenzter Computing-Power ausgeführt, verarbeitet und gespeichert werden, oder sende ich alle Rohdaten in das Datencenter und verarbeite sie dort mit nahezu unbegrenzter Rechenleistung?“, so lautet sie heute: „Wie realisiere ich eine Lösung durchgängig von der lokalen Anwendung bis zu den Cloud-Diensten? Welche Funktionen realisiere ich lokal, also mit Edge Computing, und welche remote mit Cloud Computing, und wie spielen diese zusammen?“
Schon bei der Konzeption ist es essenziell, die Anwendung durchgängig von der lokalen Applikation bis zu den Cloud-Diensten zu planen und ganzheitlich mit der passenden Hard- und Software IoT-kompatibel zu entwickeln. Das ist, was ich „Edge-to-Cloud Engineering“ nenne.
Smarte Nutzererfahrung
Damit komme ich wieder zurück auf meine am Anfang gestellte Frage des „smarten“ Geräts. Nehmen wir ein traditionelles Zugangssystem, das aus Sprechstelle, lokaler Gegenstelle und Türöffner besteht. Der Kunde möchte es nun „smartifizieren“: ein Video des Besuchers übertragen, Bewohner mit biometrischer Gesichtserkennung authentifizieren und von jedem Ort mobil bedienen. Das erfordert eine Lösung nach IoT-Paradigmen mit einem durchgängigen „Edge-to-Cloud Engineering“.
Die Aufgabenstellung ist durchaus anspruchsvoll: Welche ist die passende Computing-Plattform, welche Schnittstellen, Protokolle und Sicherheitskonzepte sollen verwendet werden? Über welche IoT- und Cloud-Plattform können die Daten zuverlässig und sicher ausgetauscht werden?
Im industriellen Umfeld steigt die Komplexität, weil durch die spezifischen Aufgaben die Geräte auch spezielle Anforderungen haben, seien es die Umgebungsbedingungen im Feld, die Verfügbarkeit von 24/7 oder die Sicherheit der Funktion und Daten auf allen Ebenen.
Neben der reinen Funktion gilt es, dem Anwender die smarte Nutzererfahrung zu ermöglichen, die er im privaten Umfeld gewohnt ist, und eine intuitive Bedienung mit einem modernen Design in Einklang zu bringen – damit ein Anwender genau wie ich einfach loslegen kann, ohne das Handbuch bis zur letzten Seite intensiv studieren zu müssen.