Energieeffizienz verbessern Schwungmassenspeicher als Klimaschützer

Die deutsche Industrie ist unter allen Sektoren derjenige mit dem höchsten Stromverbrauch. Schwungmassenspeicher sollen helfen, den Energie- und CO2-Verbrauch zu reduzieren.

Bild: Gerotor
12.07.2019

Ein Schwungmassenspeicher kann mehr als nur unterbrechungsfreie Stromversorgung. Das Münchner Start-up Gerotor hat die Technologie zu intelligenten Hochleistungsschwungmassenspeichern weiterentwickelt. Durch Spitzenlastmanagement sollen Kostenreduktionen erzielt werden, während durch Rekuperation der Stromverbrauch und somit der CO2-Ausstoß sinken.

Die Industrie in Deutschland ist unter allen Sektoren derjenige mit dem höchsten Stromverbrauch. Mit rund 230 TWh macht ihr Bedarf knapp die Hälfte (2018: 47 Prozent) des gesamten Verbrauchs aus. Maßnahmen zur Reduktion lohnen sich daher insbesondere bei industriellen Prozessen.

Nach wesentlichen politischen Weichenstellungen wie dem Pariser Klimaabkommen zielen Vorgaben und Richtlinien auf nationaler und internationaler Ebene darauf ab, dieses Einsparpotenzial in der Industrie zu nutzen und mit Verbrauchssenkungen auch die CO2-Emmissionen zu verringern. Zu den Vorgaben für Unternehmen gehören daher der Einsatz von Energiemanagementsystemen nach ISO 50001 nebst dem Nachweis ihrer Wirksamkeit in Form von Effizienzsteigerungen nach ISO 50003 sowie die Umsetzung von Ökodesignanforderungen für elektrische Antriebssysteme im Niederspannungsbereich nach der europäische Norm EN 50598.

Energie meist großer Kostenfaktor

Viele Faktoren beeinflussen den Umgang der Unternehmen mit Strom und Energieeffizienz. Die Energiewende hat zu Änderungen im Strommix und im Verbraucherverhalten geführt. In die Stromnetze wird ein stetig wachsender Anteil an Energie aus erneuerbaren Quellen eingespeist. Deren Volatilität bewirkt erhebliche Belastungen im Netzbetrieb und kann durch schlechte Stromqualität elektronische Komponenten beschädigen oder zum Netzausfall führen.

Im produzierenden Gewerbe können die Energiekosten bis zu zehn Prozent der gesamten Produktionskosten ausmachen, in energieintensiven Industrien sogar bis zu 40 Prozent. Zudem veranlassen steigende Strompreise die Unternehmen zum effizienten Einsatz der bezogenen Energie. Hohe Stromkosten können durch gezieltes Kappen von Lastspitzen gesenkt werden.

Elektrische Motoren mit Einsparpotenzial

Dabei bleibt jedoch erhebliches Potenzial ungenutzt. Mit etwa 70 Prozent entfällt der Großteil des industriellen Verbrauchs auf elektrische Antriebe und Motoren, die unter anderem Industrieroboter, Servopressen, CNC-Anlagen, Regalbediengeräte, Aufzüge oder Kräne bewegen.

Die meisten dieser Maschinen und Anlagen sind rekuperationsfähig und ermöglichen somit beim Abbremsen die Umwandlung der Bewegungsenergie in elektrische Energie. Da die Motoren in diesen Anwendungen permanent zwischen Abbremsen und Beschleunigung wechseln, müssen die Energiespeicher kurzfristig ein hohes Leistungsvermögen aufweisen. Bremsenergie kann daher nur von extrem zyklenfesten und leistungsstarken Energiespeichern genutzt beziehungsweise rekuperiert werden.

Schwungmassenspeicher oder Flywheel Energy Storage Systems (FESS), aus der Formel 1 auch als KERS bekannt, weisen die passenden Eigenschaften für diese Anwendungen auf. Die Technologie beruht auf elektromechanischen Kurzzeitspeichern, die nach dem Gesetz der Erhaltung des Drehimpulses arbeiten und Energie in rotierenden Massen speichern. Sie bestehen aus einem integrierten Highspeed-Elektromotor, der sowohl motorisch als auch generatorisch betrieben wird. Durch die Rotation wird Strom kinetisch gespeichert, weshalb Schwungmassenspeicher auch als kinetische Batterie bezeichnet werden.

Der Speicher kann die elektrische Energie für den angeschlossenen Verbraucher, in der Regel Antriebsmotoren, liefern. Dabei ermöglicht er eine hohe Leistungsabgabe für kurze Zeiträume; innerhalb von Millisekunden wird volle Leistung typischerweise für etwa 30 s erbracht. Je höher und je häufiger die Lastzyklen, desto effizienter ist das System.

Vorteile der Schwungmassen-Technologie

Dieses Prinzip hat das bayerische Start-up Gerotor mit dem Hochleistungsspeicher Gerotor HPS für industrielle Anwendungen revolutioniert. Der Stromspeicher ist als mechanisches Bauteil verschleiß- und wartungsarm und soll während seiner 20 Jahre Lebensdauer nahezu unendlich viele Lade- und Entladezyklen unabhängig von der Entladungstiefe zulassen; denn ein Schwungmassenspeicher unterliegt keinem chemischen Alterungsprozess.

Der Gerotor HPS erreicht laut Hersteller einen Wirkungsgrad von bis zu 95 Prozent. Ruheverluste, die durch Reibung an den Lagern und an den Schwungmassen entstehen, werden durch eine Vakuumkammer verringert, in der die Schwungmasse läuft. Zudem sind Schwungmassenspeicher weitestgehend unempfindlich gegenüber Umgebungsbedingungen: Der Gerotor kann bei Temperaturen von -25 bis 60 °C betrieben werden.

Er soll sich zudem im Hinblick auf ein Maximum an Energieeffizienz selbst justieren können. Als selbstlernender Speicher misst er für den effizienten Eigenbetrieb präzise das Stromverhalten der zugrundeliegenden Anwendung. Diese Verhaltensdaten über Maschinen und Anlagen können, allerdings nur nach Freigabe durch alle Beteiligten, für dritte Energiemonitoringsysteme im Rahmen von IIoT erfasst, vorverarbeitet und über OPC UA zur Verfügung gestellt werden.

Hochleistungsspeicher in kompaktem Design

Die Energiemenge eines Schwungmassenspeichers hängt von der Masse des Rotors und seiner Drehgeschwindigkeit ab. Sogenannte Lowspeed-Schwungräder setzen auf Masse, wobei die Energie sich mit der Masse verdoppelt. Beim Hochgeschwindigkeits-Gerotor HPS, der sich mit bis zu 60.000 U/min dreht, ist die Rotationsgeschwindigkeit ausschlaggebend und im Hinblick auf die speicherbare Energiemenge vorteilhafter: Die Geschwindigkeit geht mit der Drehzahl ins Quadrat.

Ein schnelleres Schwungmassensystem kann also relativ klein ausfallen, und mit kleinen Schwungrädern können kompakte Speicherdesigns realisiert werden. Gerotor-Einheiten lassen sich mit einem Durchmesser von 220 mm, einer Höhe von circa 250 mm und einem Gewicht von circa 20 kg direkt an den DC-Zwischenkreis der Anlage oder Maschine koppeln. Je nach Kundenanforderungen kann beliebig skaliert werden, indem mehrere der HPS-Einheiten mit einer Lade-/Entladeleistung von jeweils 50 kW Nennleistung und 60 kW Spitzenleistung sowie einem Energieinhalt von derzeit 135 bis 300 kJ parallel geschaltet oder für Anlagengruppen und ganze Werke in Power-Racks oder Power-Containern (AC) zusammengefasst werden.

Strom ohne Unterbrechung

Mit diesen Eigenschaften eignet sich der Gerotor HPS für unterschiedliche Aufgaben. Grundsätzlich soll er durch die Kompensation von Oberwellen, Flicker und Blindleistung die Strom- und Netzqualität verbessern, sowohl in internen Gleichstromnetzen als auch bei der Netzversorgung und negative Auswirkungen auf sensible Komponenten verhindern.

Zudem kann er als kurzfristige unterbrechungsfreie Stromüberbrückung bei Ausfällen des Netzstroms für bis zu 15 s dienen. Da 97 Prozent aller Stromausfälle im Bereich von bis zu 3 s liegen, reicht diese Überbrückungszeit in den meisten Fällen aus, um Anlagen in einen neutralen Arbeitsmodus zu überführen. In instabilen Stromnetzen können damit kostenintensive Produktionsausfälle vermieden werden, was letztlich die Produktivität steigert.

Weniger Verbrauch, weniger Kosten, weniger CO2

Beim Einsatz für das Spitzenlastmanagement in volatilen industriellen Prozessen können mit dem Gerotor HPS erhebliche Kostenreduktionen bei Anschlussleistung und Bereitstellung durch die Glättung von Lastspitzen und die Bereitstellung von Spitzenleistung erreicht werden. Zusätzlich zur Lastspitzenkappung, bei der die Kostenreduktion beim Netzentgelt im Vordergrund steht, soll das System Energieverschwendung durch die Rekuperation von Bremsenergie mindern. Sie verringert demnach den Stromverbrauch mit der Folge, dass beim immer noch stark auf fossilen Energieträgern basierenden Strommix der CO2-Ausstoß sinkt und Klimaziele schneller erreicht werden können.

Kosteneinsparungen durch das Spitzenlastmanagement mit Gerotor HPS können sich in mittelständischen Betrieben auf circa 80 Euro pro Kilowatt Anschlussleistung summieren, wodurch schnell Tausende von Euro eingespart werden können. Dazu kommen Verbrauchsreduktionen von durchschnittlich 15 bis 20 Prozent durch die Rekuperation.

Je nach Anwendung können auch höhere Einsparungen von bis zu 30 Prozent möglich sein, beispielsweise bei Produktionsmaschinen im Drei-Schicht-Betrieb in der Serienfertigung der Automobilindustrie. Dabei wird neben den Energiekosten zudem CO2 im Umfang von mehreren Tonnen pro Jahr eingespart.

Unterm Strich rechnet sich die Anschaffung des Gerotor HPS durch die Einsparungen laut Hersteller innerhalb von ein bis drei Jahren. Häufig kann durch das Downsizing anderer Komponenten und die Senkung des Grundlastbezugs die Amortisation noch schneller erreicht werden.

Fazit

Aufgrund ihrer Leistungs- und Energiedichte sowie ihrer Zyklenfestigkeit können Schwungmassenspeicher von Gerotor die Anforderungen an ein aktives Energiemanagement in der Industrie dort abdecken, wo Batteriespeicher physikalisch ungeeignet sind. Gerotor verbessert dabei diejenigen Anwendungen, bei denen der Großteil des Stromverbrauchs entsteht. In flexibler Weise soll das HPS-System dabei helfen, durch intelligentes Spitzenlastmanagement, gezielte Rekuperation und verbesserte Stromqualität die Energieeffizienz von Maschinen und Anlagen zu steigern.

Bildergalerie

  • Der Hochleistungsspeicher Gerotor HPS senkt den Energieverbrauch durch Rekuperation.

    Der Hochleistungsspeicher Gerotor HPS senkt den Energieverbrauch durch Rekuperation.

    Bild: Gerotor

  • Das Gründerteam von Gerotor, von rechts nach links: D. Weigl, M. Hein, T. Wolf und M. Werner

    Das Gründerteam von Gerotor, von rechts nach links: D. Weigl, M. Hein, T. Wolf und M. Werner

    Bild: Gerotor

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel