Fällt ein Rechenzentrum (RZ) aus, hat dies für die Nutzer ähnlich gravierende Konsequenzen wie ein Ausfall der Strom- oder Wasserversorgung: Nichts geht mehr. Die Anlagen müssen deshalb hochverfügbar sein. Zu ihrer Energieversorgung gehören USV- und Netzersatzanlagen ebenso wie Mehrfacheinspeisungen für redundante Strompfade. Für diese Komponenten gibt es bereits zahlreiche Normen und Vorschriften. Die EN 50600 hingegen, die 2014 in Kraft getreten ist, regelt alle RZ-Aspekte inklusive Management und Betrieb.
Eine neue Norm für Rechenzentren
Zuständig für die neue Norm ist die Abteilung „Elektrotechnische Aspekte von Telekommunikationseinrichtungen“ des europäischen Komitees für elektrotechnische Normung.
Das Regelwerk legt Anforderungen und Empfehlungen für folgende Bereiche fest:
DIN EN 50600-1: Allgemeine Aspekte für die Konstruktion und Spezifikation
DIN EN 50600-2-1: Gebäudekonstruktion
DIN EN 50600-2-2: Stromversorgung
DIN EN 50600-2-3: Regelung der Umgebungsbedingungen
DIN EN 50600-2-4: Infrastruktur der Telekommunikationsverkabelung
DIN EN 50600-2-5: Sicherungssysteme
DIN EN 50600-2-6: Information für das Management und den Betrieb
Auswirkungen auf die Messtechnik
Von dem Regelwerk sind sowohl Planer und Errichter als auch Betreiber und Nutzer betroffen. Die Energieversorgung spielt dabei eine wichtige Rolle. Schon heute fordert man für sensible Anlagen eine Verfügbarkeit von mindestens 99,9 Prozent. Zudem tolerieren Datenserver und Netzwerkkomponenten kaum Spannungsqualitäts-Abweichungen von der Norm (zum Beispiel EN 61000-2-4). Kurze Spannungsspitzen oder auch -einbrüche, die früher bestenfalls als ein kurzes Flackern der Beleuchtung wahrnehmbar waren, können heute einen Betrieb lahmlegen.
Entsprechend genau regelt die neue RZ-Norm die Messtechnik: Der Entwurf der EN 50600 Teil 2-2 enthält detaillierte Anforderungen und Empfehlungen für die Stromversorgung und die Stromverteilung, wie Dimensionierung, Verfügbarkeitsklassen und deren physische Sicherheit.
Auch die Energieeffizienz spielt eine gewichtige Rolle. Die Messpunkte für den Stromverbrauch sind hierfür in drei Granularitätsniveaus aufgeteilt. Das bedeutet aber nicht, dass man die vorhandene Messtechnik komplett ersetzen muss. Eine klug geplante Infrastruktur lässt sich an neue Anforderungen anpassen. Wie dies geht, zeigt das Beispiel des 3-in-1-Monitorings von Janitza mit den Spannungsqualitätsanalysatoren UMG 512, UMG 509, UMG 96RM-E und UMG 20CM im Zusammenspiel mit der Software Gridvis.
3-in-1-Monitoring bedeutet, Differenzstrommessung (Residual Current Monitoring, kurz RCM), Energiemanagement nach ISO 50001 sowie die Überwachung der Spannungsqualität in einer gemeinsamen Systemumgebung und mit nur einem Messgerät je Messstelle. Dies hat den großen Vorteil, dass sowohl die Montage und Installation als auch die restliche Infrastruktur (Stromwandler, Kommunikationsleitungen und -einrichtungen, Datenbank, Software, Analyse-Tools, Reporting-Software und so weiter) nur ein einziges Mal benötigt werden.
Ferner sind alle Daten zentral in einer Datenbank erfasst und lassen sich bequem mit nur einer Software verarbeiten. Der umfassende und schnelle Überblick über alle Daten macht Störungen sichtbar, die separate Systeme nur teilweise oder gar nicht wahrnehmen würden.
Ein derartiges Monitoring erfordert die Messung aller Leiter (L1, L2, L3, N) + ZEP (Zentraler Erdungspunkt) + RCM mit einem einzigen Messgerät (siehe Abbildung oben links). Die IP-basierten Messgeräte lassen sich über Ethernet einfach in bestehende Kommunikationsnetze integrieren.
Mit der Software Gridvis lassen sich anschließend standardisierte Spannungsqualitätsberichte (etwa für die EN 50160, EN 61000-2-4 und ITIC: „CBEMA-Kurve“) für gängige Normen quasi auf Knopfdruck erstellen. Wie solch ein System in der Praxis arbeitet, zeigt ein Blick auf die drei Messaufgaben.
Strom ist nicht gleich Strom
Da ist zunächst die Spannungsqualität. In Rechenzentren kommen zahlreiche ein- und dreiphasige, nichtlineare Verbraucher zum Einsatz, die erhebliche Störungen verursachen können. Dazu gehören vor allem geregelte Schaltnetzteile, aber auch Wechselrichter für eine unterbrechungsfreie Stromversorgung, Beleuchtungstechnik, Frequenzumrichter für HKL-Anwendungen oder Aufzüge. Kurzzeitige Spannungseinbrüche, Kommutierungseinbrüche, hohe Oberschwingungsanteile oder Transienten können die IT erheblich stören, lassen sich aber nur mit einer schnellen Messtechnik erfassen (siehe Abbildung oben rechts).
Der Einsatz von RCM-Technik bedeutet kurz gefasst: mehr Sicherheit, mehr Anlagenverfügbarkeit, weniger Brandgefahr. Bei einer RCM-Messung werden die Ströme der drei Phasen und des Neutralleiters erfasst und addiert. Im Normalfall ist dieser Summenstrom Null oder nahe Null. Fließt hingegen bei einem Defekt (wie einem Isolationsfehler) ein Fehlerstrom gegen Erde ab, lässt sich dies mit einem RCM-Messgerät erfassen und auswerten (siehe Abbildung auf der Folgeseite).
Durch Parametrieren der Anlage im Neuzustand, also das Festlegen des typischen Fehlerstromes im „Gut“-Zustand, sowie das kontinuierliche Monitoring können auch schleichend wachsende Fehlerströme erkannt werden, bevor Sicherungen oder Fehlstromschutzschalter betroffene Anlagen oder Steckdosenstromkreise abschalten. Gleichzeitig sinkt die Brandgefahr: Bei einem niederohmigen Schluss wird die vorgeschaltete Schutzeinrichtung ausgelöst. Ist der Fehlerstrom jedoch zu klein, reagiert die Schutzeinrichtung nicht. Brandgefahr besteht jedoch bereits, wenn die eingetragene Fehlerleistung einen Wert von etwa 60 Watt (etwa 261 mA bei 230 V) übersteigt.
Energiemessung und Standardparameter
Neben der sicheren Energieversorgung spielt die Energieeffizienz eine immer größere Rolle. Eine bereits vorhandene normative Grundlage für die Einführung eines Energiemanagementsystems ist die ISO 50001. Sie beschreibt im Wesentlichen vier Aspekte: Datenerfassung und Messung, Analyse und Kennzahlen, Planung und Konzeption, Kontrolle und Korrektur. Damit geht sie weit über ein gewöhnliches Financial Management hinaus, das eine Aufgliederung in der gewünschten Detaillierung oft nicht anbietet. Selbst wenn ein Unternehmen in einzelne Profit Center aufgeteilt ist, sind die Energiekosten, die von Komponenten verursacht werden, nicht immer leicht festzustellen. Diese Informationen sind jedoch nötig, um besonders energieintensive Verbraucher zu ermitteln und gegebenenfalls Abhilfe zu schaffen.
In der harmonisierten DIN EN 50600-2-2:2014-09; VDE 0801-600-2-2:2014-09 sind hierfür drei Granularitätsniveaus definiert.
Das Granularitätsniveau 1 beschreibt den Einsatz von Messgeräten an Primär- und Sekundärversorgungen, etwa Trafos, Generatoren oder Einspeisungen. An diesen Stellen lassen sich elektrische Anomalien, wie Spannungsschwankungen oder Kurzzeitunterbrechungen, zu hohe Oberschwingungsanteile oder transiente Überspannungen und deren Verursacher (EVU oder eigene Komponenten) aufdecken. Hierfür bieten sich Klasse-A-Messgeräte wie das UMG 512 von Janitza an.
Granularitätsniveau 2 behandelt Primär- und Sekundärverteilungseinrichtungen (NSHV; USV; UV; Verbraucher, die direkt an die Verteilungseinrichtungen angeschlossen sind). So lassen sich unterschiedliche Gewerke wie Klimatechnik, USV-Anlagen, AB-Systemverteiler für die IT, Beleuchtung und so weiter einzeln analysieren und deren PUE-Wert (Power Usage Effectivness) bestimmen. Der PUE ist als Verhältnis der Gesamtenergie des Rechenzentrums zum Energieverbrauch der IT-Geräte definiert. Mit Hilfe der virtuellen Messgeräte der Gridvis-EnMS-Software lassen sich diese Kennzahlen berechnen und historisch darstellen. Die passenden Messgeräte für diesen Zweck sind etwa das UMG 509 auf NSHV-Ebene und das UMG 96RM-E auf PDU-Ebene.
Das Granularitätsniveau 3 schließlich umfasst Steckdosen und Systeme zur Regelung der Umgebungsbedingungen (Klimageräte, Netzwerktechnik, IT). Dies ist wichtig, da das IT-Equipment ständig ersetzt und erweitert wird. Die Leistung pro Rack wird durch neue Technologien stetig höher. Man muss deshalb Stromhöhen überwachen, um einzelne Stromkreise nicht zu überlasten. Außerdem können einzelne Racks verrechnet und Kunden zugeordnet werden. Für derartige Aufgaben sind Geräte wie das UMG 20CM konzipiert (Abbildung oben).
Energiemonitoring jederzeit und an jedem Ort
Bleibt die Frage, wie man die vielen Messwerte praxisgerecht auswerten kann. Helfen können hier geeignete Cloud-Lösungen. Janitza etwa hat eine speziell auf Energiedaten ausgelegte Cloud-Lösung (Energy-Portal) entwickelt. Damit können die Nutzer ihre Daten weltweit mit dem PC oder mobilen Endgeräten abrufen. Die Messdaten sind während der Übertragung zum Server AES-verschlüsselt; der weitere Weg vom Server zum Kunden-PC erfolgt HTTPS-verschlüsselt mit Zertifikat sowie einem API-Key pro Account. Das Backup der Energiedaten erfolgt täglich. Neben der Lösung im öffentlichen Netzwerk ist diese Lösung bei Großkunden auch im firmeneigenen Netzwerk möglich.
Zusätzlich hat Janitza für seine Messgeräte eine Reihe von Apps entwickelt, die sowohl auf einem PC als auch auf mobilen Endgeräten direkt im Browser laufen. Mit ihnen lassen sich Daten auslesen, verarbeiten und visualisieren, Alarme empfangen oder Konfigurationsaufgaben vereinfachen. Kommuniziert wird je nach Anwendung direkt mit einem der Messgeräte oder über die Software Gridvis als Unterprogramm. Wesentliche Funktionen, wie Alarme (Watchdog-Funktion), lassen sich damit intuitiv installieren. Benutzerdefinierte Einstellungen reduzieren das Datenvolumen und automatisieren das Auslesen von Slave-Geräten.
Mit dem Energy-Portal und den Apps bietet Janitza die Möglichkeit, Energiedaten auszulesen, zu dokumentieren und aufzubereiten, ohne dass dafür eine kundeneigene IT-Infrastruktur oder aufwendige Software bereitstehen muss. Der Anwender erhält damit eine komplette Lösung von der Messwerterfassung, Datenanalyse, Auswertung bis zur Kontrolle.