Die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie könnte in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle im Mobilitätssektor spielen. Das Projekt HyTrust [1] untersucht die gesellschaftlichen Auswirkungen ihrer Einführung auf diesem Gebiet. Bestimmendes Fördermotiv für das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und die Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) war es, bestehende Wissenslücken zur Akzeptanz von Wasserstofftechnologien zu füllen:
1. Wie sieht die Öffentlichkeit die Wasserstofftechnologie?
2. Wie entstehen eine breite Vertrautheit mit dieser Technologie und Vertrauen in ihre Protagonisten?
3. Wie kann der Paradigmenwechsel zur Wasserstoffmobilität unterstützt werden?
Das Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) hat zur Beantwortung dieser Fragen vier Fallstudien zu Nutzungskontexten durchgeführt: „Evaluation der Informationskampagne�?? Energie im Wandel�??“, „Tankstellenbefragung an Total-Wasserstofftankstelle“, „Usability-Studie Wasserstofffahrzeuge“ sowie „Expertenbefragung und Gespräch mit Anbietern am Kamin“ [2].
Wasserstofftechnologie in der Öffentlichkeit
Nach mehreren Wellen der öffentlichen Aufmerksamkeit und anschließendem Desinteresse können die mit Wasserstoff gespeisten Brennstoffzellenfahrzeuge nun eigentlich in eine Phase der Konsolidierung eintreten. Für 2014 hat Daimler eine erste Serienproduktion des F-Cell-Fahrzeugs der B-Klasse angekündigt, andere Hersteller folgen. Das ermöglicht emissionsfreies Fahren bis zu einer Reichweite von 400 Kilometern.
Aber wie sieht die Akzeptanz in der Öffentlichkeit aus? Im Mittelpunkt der Diskussion stehen die Erwartung an eine flächendeckende Tankstelleninfrastruktur und eine Kostenbelastung, die nur dann als tragbar gilt, wenn sie die der konventionellen Fahrzeuge nicht übersteigt. Vorgesehen ist der Ausbau des H 2-Tankstellennetzes von derzeit 15 auf 50 Stationen im Jahr 2015 mit Förderung durch die Bundesregierung im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP). Im Fokus stehen dabei zunächst die Ballungsräume Hamburg, Berlin und München [3].
Die Befragungen potenzieller Privatnutzer zeigen dabei ein ausgeprägt konservatives Denken. Man möchte bei einer Alternative zum Verbrennerfahrzeug nicht auf die gewohnten Qualitäten und auf Komfort verzichten. Die Fahrleistungen sollen vergleichbar sein, das Tanken unkompliziert und überall verfügbar und das alles bei gleichen Kosten. Die Vorteile, vor allem die Lärmarmut und die vermiedenen Emissionen werden zwar gesehen, sie wiegen allerdings nicht so schwer, dass dafür andere Nachteile oder Mehrkosten in Kauf genommen werden.
Gewerbliche Nutzer sind hingegen in erster Linie sensibel für die Kosten und die Zuverlässigkeit. Sie rechnen genau und sind durchaus bereit, bei vergleichbaren Kosten die positiven Nebeneffekte wie Lärmarmut und Emissionsfreiheit gegenüber leichten Komforteinbußen oder einer eingeschränkten Tankinfrastruktur höher zu bewerten.
Generell zeigen alle Fallstudien, dass es bei den Brennstoffzellenfahrzeugen keine ernsthaften generellen Akzeptanzprobleme in Deutschland gibt. Das gilt auch für die Sicherheitsfrage, von der man lange annahm, sie würde als „Erblast“ aus den Zeiten der Wasserstoffbombe die Akzeptanz erschweren. Bei der Tankstellen-Fallstudie äußerten auch die Anrainer wenig Sicherheitsbedenken, lediglich ein Viertel der Befragten ist beunruhigt über die Nähe einer Wasserstofftankstelle zu ihrer Wohnung.
Charakter der Wasserstoffmobilität
Die Einbettung der Wasserstoffmobilität in die Energiewende eröffnet neue Chancen zur Umsetzung möglicher Synergien von radikal neuen Antriebs- und in der Folge auch „grünen Mobilitätskonzepten“ [4]. Der drastische Ausbau von Wind- und Sonnenenergieanlagen erfordert erhebliche zusätzliche Speicherkapazitäten, insbesondere um die Produktionsspitzen aufzunehmen, die zunehmend häufiger auftreten werden.
Die Umwandlung von Grünstrom mittels Elektrolyse in Wasserstoff bietet sich hierbei an, um auch über mittel- und längerfristige Zeiträume die unvermeidbaren Schwankungen in der Produktion erneuerbaren Stroms auszugleichen [5]. Erste Kooperationen wie zwischen Total und dem uckermärkischen Windproduzenten Enertrag erlauben es beispielsweise schon jetzt, grünen Wasserstoff an Wasserstofftankstellen in Berlin zu tanken.
Für die Erprobung neuer Konzepte bieten sich Flottenanwendungen in Unternehmen aber auch bei Car-Sharing-Anbietern und Autovermietern an: Die zentralisierte Wartung und Betankung sowie ein professionelles Energiemanagement können die bestehenden Infrastrukturschwächen einfacher und kalkulierbarer kompensieren, als dies bei Privatnutzern der Fall ist. Darüber hinaus ermöglicht die geteilte Wasserstoffmobilität vielen Personen Erfahrungen und Zugänge, die ein paar privat genutzte Nischenfahrzeuge niemals zulassen. Noch sind derartige synergetische und intermodale Konzepte erst am Anfang, auch die Geschäftsmodelle harren noch ihrer Konsolidierung.
Innovationen erfahren
Ein weiteres Ergebnis aus den Fallstudien ist, dass befragte Testnutzer oft überrascht und zugleich begeistert sind, wie gut das Brennstoffzellenauto funktioniert. Aspekte wie Geräuschlosigkeit, das neue Fahrgefühl und nicht zuletzt das Bewusstsein, „sauber“ zu fahren bewerten sie regelmäßig als sehr positiv. Angst und Unsicherheit äußern sie hingegen fast nie [6].
Solche Nutzerreaktionen können nur entstehen, wenn die Gelegenheit für persönliche Erfahrungen mit der Technik vorhanden ist. Nutzen, Fahren und Erleben als praktische Dimension einer ansonsten abstrakt bleibenden Innovation sind notwendige Bedingungen für die breite Akzeptanz der Wasserstoffmobilität. Gerne wird auch das iPhone ins Gespräch gebracht, wenn es um eine erfolgreiche radikale Innovation im Konsumsektor geht. Nicht die technische Performance oder gar Überlegenheit gegenüber anderen hochleistungsfähigen Mobiltelefonen begründen seinen Erfolg, sondern Eigenschaften wie Nutzerfreundlichkeit, Design, Coolness und die Chance zum demonstrativen Konsum [7].
Die theoretischen Bedingungen für Vertrauen und Akzeptanz sind erkannt und beschrieben. Ungelöst bleibt die Frage nach dem Namen einer grünen intermodalen Wasserstoffmobilität. Wir brauchen eine griffige Übersetzung, ein konkretes Leitbild, das zugleich die Komplexität einfängt. Das ist nicht zuletzt eine Frage der überzeugenden Nutzeransprache. Nur mit einem überzeugenden Leitbild einer erneuerbaren Wasserstoffmobilität kann die Kommunikation, bei grundsätzlich vorhandenem Vertrauen und breiter Akzeptanz, künftig erfolgreich sein.
Weitere Informationen
[1] Projekt-Homepage von HyTrust: www.hytrust.de/aktuelles.html
[2] Canzler, Weert, Anke Schmidt: Wasserstoffmobilität. Grün oder gar nicht. Ergebnisse der vier nutzerzentrierten Fallstudien im Projekt „HyTrust- Auf dem Weg in die Wasserstoffgesellschaft“, InnoZ-Baustein Nr.12, Berlin, 2012
[3] BMVBS (= Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung): Pressemitteilung 125/2012 „Bundesregierung und Industrie errichten Netz von 50 Wasserstofftankstellen“, 20.06.2012, www.bmvbs.de/SharedDocs/DE/Pressemitteilungen/2012/125-ramsauer-wasserstofftankstellen.html (letzter Zugriff Januar 2013).
[4] Canzler, Weert, Andreas Knie: Einfach aufladen. Mit Elektromobilität in eine saubere Zukunft, München, 2011.
[5] Thomas, Peter: Chance der Zelle. In: Daimler Technicity, Heft 02/2010, S.40-47,
http://www.daimler.com/Projects/c2c/channel/documents/1954373_Daimler_TECHNICITY_2010_2_de.pdf (letzter Zugriff Januar 2013).
[6] Canzler, Weert/ Deibel, Inga: Wasserstoffbasierte Technologien im Verkehr - auch eine Frage von Vertrauen und Vertrautsein. In: Technikfolgenabschätzung - Theorie und Praxis, Nr.1, 20. Jg., S. 68-70, 2011, www.itas.fzk.de/tatup/111/cade11a.htm (letzter Zugriff Januar 2013).
[7] Netzperlentaucher: I-Phone als Statussymbol, 2011, www.netzperlentaucher.de/iphone-als-statussymbol (letzter Zugriff Januar 2013).