Zeitliche Ladealternative bei Gefährdung der Netzstabilität Smart-Charging-Modell der Zukunft

GISA GmbH

Mit Smart Charging in der Tiefgarage lassen sich Fahrzeuge bedarfsgerecht aufladen.

Bild: iStock, onurdongel
14.09.2022

Ein Novum gelingt Gisa, Mitnetz Strom und Audi mit Partnern: Mit dem zeitlich flexiblen Ladevorgang von E-Fahrzeugen in Verbindung mit einem Ladeplan können Energiemarkt-Teilnehmer individuelle Anreize schaffen und Verteilnetzbetreiber regulierend eingreifen. Ein Modell für die Zukunft – wenn alle Stakeholder mitziehen.

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E-Autofan Martin Dorwege kommt 17.30 Uhr nach Hause, fährt seinen Audi e-tron in die Garage, steckt das Ladekabel ein und weiß: Morgen 8 Uhr kann er wieder in sein E-Auto steigen mit dem guten Gefühl, dass es über Nacht mit grüner Energie geladen wurde. Gleichzeitig weiß der verantwortliche Verteilnetzbetreiber (VNB) genau Bescheid, wann geladen werden wird und kann steuernd eingreifen, ohne signifikanten Komfortverlust für den Kunden. Perfekt.

Noch ist das Wunschdenken. Doch woran hakt es bei der Umsetzung? An intelligenten Fahrzeugen? Die sind längst in Produktion und teilweise sogar schon auf dem Markt. An individuellen Anreizen und Angeboten seitens Energieversorgern, mit denen Kunden möglichst grünen oder flexiblen Strom beziehen? Auch die sind bei den Anbietern längst in der Pipeline. Dann an der Möglichkeit für VNB im Falle der Gefährdung der Netzstabilität eine zeitliche Ladealternative anzubieten? Hier wird es schwierig. Denn praktikable Lösungen für den sinnvollen Eingriff in den Ladeablauf waren bisher rar gesät. Ehrlich gesagt: Sie waren nicht vorhanden.

Wenn Gutes noch besser wird

Gisa trieb bereits 2021 eine starke Kooperation mit Mitnetz Strom und Audi aktiv voran und hatte für die Hürde auf dem Weg zum smarten Laden eine valide Lösung gefunden. Damals gelang es in einem ersten Projekt, das netzdienliche Laden von Elektrofahrzeugen durch eine stufenlose Leistungsreduktion während des Ladevorgangs über das Smart Meter Gateway (SMGw) umzusetzen und damit ein Werkzeug für den VNB zur Vermeidung eines örtlichen Blackouts bereitzustellen.

Eine clevere Lösung. Der einzige Wermutstropfen: Der VNB musste damals in den Ladevorgang eingreifen. Wurde ein E-Auto geladen und ein VNB stellte ein Problem in der Niederspannung fest, musste er adhoc eine Leistungsreduktion vornehmen. Eine extreme Maßnahme, welche nicht immer in Einklang mit den Vorstellungen des Fahrers für das Laden des Elektromobils zu bringen ist. Nun haben sich die Vorzeichen deutlich verändert.

Die Kooperationspartner haben im Nachfolgeprojekt Smart Charging diesen Aspekt weitergedacht und mehr „Smartness“ hineingebracht. Denn eines ist klar: Soll die Elektromobilität erfolgreich sein, müssen die Interessen von Fahrer und Energiewirtschaft in einer Win-Win-Konstellation in Einklang gebracht werden. Das Elektromobil sollte nicht als Risiko, sondern als Chance für das Gelingen der Energie-, Wärme- und Mobilitätswende gesehen werden.

Genau dafür wollten die Partner in ihrem Projekt den Grundstein legen. Ihre gemeinsame Vision war hier ein zentraler Gedanke: Es wäre für alle Marktrollen deutlich interessanter, wenn sich der Ladevorgang des Automobils für alle Beteiligten vorausschauender planen und automatisiert umsetzen ließe.

Kundenanreiz trifft operative Netzplanung

Zur Verdeutlichung: Energiewirtschaftliche Marktrollen haben die Möglichkeit, E-Fahrern sogenannte Incentives (Anreize) zu gegeben. Das können verschiedene Orientierungen sein. Denkbar sind hier beispielsweise Vorgaben vor dem Hintergrund von virtuellen Kraftwerken, innovativen Produkten wie zum Beispiel einer Happy Hour, günstigen Beschaffungspreisen am Großhandelsmarkt, der Einspeisung erneuerbarer Energien oder der Netzdienlichkeit.

Vertriebe sagen beispielsweise: Du kannst besonders umweltbewusst laden, wenn du flexibel in deiner Ladezeit bist und deinen Ladevorgang an unseren Vorgaben ausrichtest. Das ist schon smart, muss aber noch weitergedacht werden. Denn wenn viele Elektromobile immer nach dem gleichen Anreiz geladen werden, könnte es zu örtlichen Problemen in der Niederspannung kommen.

Spannend ist nun der nächste Schritt: Mit dem Smart Charging wird der anhand der Vorgaben optimierte Ladeplan an den VNB gegeben. Dieser hat dann die Möglichkeit, diesen zu prüfen und in seiner operativen Netzauslastung zu berücksichtigen. Das kann etwa mit Hilfe der von Mitnetz Strom entwickelten Netz-Check-In Logik umgesetzt werden. Passt der Ladeplan in die Netzauslastung, ist alles gut. Bis zu diesem Schritt reicht das aktuelle Projekt und .

Der nächste Schritt der Umsetzung beschäftigt sich mit der möglicherweise notwendigen Anpassung des Ladeplans. Als Resultat fußt der Ladevorgang auf externen Anreizen und ist zugleich mit dem VNB abgestimmt. So lassen sich Kundennutzen und Netzdienlichkeit intelligent verknüpfen. Solch ein präventives Management berücksichtigt als Steuerungslogik das Interesse eines Kunden deutlich besser und gibt den VNB zugleich alle notwendigen Handlungsoptionen an die Hand. Eine Win-Win-Win-Situation für E-Fahrzeugbesitzer, Netzunternehmen und andere Rollen im Prozess.

Frühzeitig vorausgedacht

Audi berücksichtigte schon bei seinem ersten reinelektrischen Serienmodell Audi e-tron frühzeitig eine solche Logik. Die Ingolstädter haben in der internen IT ihres Fahrzeugs eine zeitliche Ladeplanung berücksichtigt unter Verwendung offener Standards wie EEBUS und ISO15118, da sie davon ausgingen, dass diese Funktion in Zukunft eine große Bedeutung in der Energiewirtschaft erlangen wird.

Die Ladeplanung berücksichtigt externe Anreize, ebenso wie die internen Rahmenbedingungen des Fahrzeugs. Zugleich ist dem Autohersteller die Kundenperspektive außerordentlich wichtig – und damit die Incentivierung als anreizbasierter Ladevorgang, was ein kostenoptimiertes Laden bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse wie Erreichung des gewünschten Ladezustands zu einer festgelegten Zeit ermöglicht.

Solche Gedanken und Projekte entstehen am besten, wenn Automobilhersteller, Energiewirtschaft und IT an einem Strang ziehen. Mit den Partnern, zu denen auch eSYSTEMS als Hersteller des Ladesystems, EMH metering als Spezialist für intelligente Messsysteme sowie Robotron Datenbank-Software als Entwickler zählen, entstand unter Verwendung des EEBUS-Protokolls mit Smart Charging der Grundstein für eine intelligente Lösung, mit der Kunden Geld sparen und VNB die Netzstabilität besser gewährleisten können.

Kommunikation per Smart Energy Platform

Einen wichtigen Teil der Lösung übernimmt die „Smart Energy Platform“ von Gisa, die auf der innovativen Software des Systementwicklers Robotron Datenbank-Software basiert. Für die sichere und zudem BSI-konforme Kommunikation mit dem Energiesystem haben die Projektteilnehmer auf die Nutzung des transparenten CLS-Kanals des SMGw gesetzt. Diese Kommunikation zu beherrschen, ist auf der einen Seite komplex und birgt zu bewältigende Herausforderungen. Schließlich galt es Kommunikationsverbindungen herzustellen, Daten zu konvertieren, zu packen und wieder zu entpacken.

Zum anderen ist sie aber auch ein Garant für die Zukunftsfähigkeit des Projektes, denn netzdienliche Anwendungen werden aus Sicht des gesetzlichen Regulators über das SMGw laufen. Eine Stärke, die Smart Charging vielen anderen Projekten voraushat.

Ein Projekt für neue Visionen

Wie kann es nun weitergehen? Sinnvoll ist es, den Ansatz der Anpassung des Ladevorgangs weiter zu verfolgen. Darüber hinaus will das Projekt weitere Anreize in das System einspeisen und die Systematik mit weiteren Partnern testen. Gerade weil das Elektrofahrzeug als dedizierte Batterie auf vier Rädern gedacht werden kann, richten sich die weiteren Gedanken zudem hin zur Integration von Vehicle-to-home und am Ende bis zum bidirektionalen Laden.

Markt und Regulator sind am Zug

Doch schauen wir wieder in die Gegenwart. Hier beweist das Pilotprojekt Smart Charging, dass mit der richtigen Technologie und Komponenten, die bereits in Serie erhältlich sind, intelligente Ladevorgänge und die notwendige Netzsteuerung schon heute möglich sind. Die Machbarkeit liegt also nicht mehr an der technischen Umsetzung, sondern daran, ob alle Stakeholder mitziehen werden. Dies gilt nicht zuletzt für den Gesetzgeber, der mit den speziellen Regelungen zum § 14a EnWG, zur Koordinierungsfunktion und zum Smart-Meter-Rollout wichtige Hebel und Ansatzpunkte in der Hand hält, um die Entwicklung zielgerichtet zu forcieren.

In jedem Falle möchten die Partner im Smart-Charging-Projekt mit ihrem Konzept eine tragfähige Brücke zwischen Elektromobilität und Energiewirtschaft schlagen und einen konkreten und messbaren Beitrag für das Zusammenwachsen beider Felder leisten, damit sie in 15 Jahren zurückblicken und sagen können: Hier haben wir zusammen die Energie- und Mobiltätswende vorangetrieben.

Bildergalerie

  • So funktioniert der gesamte Smart-Charging-Prozess in der Theorie.

    So funktioniert der gesamte Smart-Charging-Prozess in der Theorie.

    Bild: Audi

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