Bevor sich bei der Sonnenfinsternis am 11. August 1999 der Himmel über Deutschland verdunkelte, drehte sich viel um die Frage, wie man das Naturschauspiel ohne Augenschaden beobachten kann. 16 Jahre später mischte sich eine weitere Sorge in die Vorberichterstattung: Ist das deutsche Stromnetz gerüstet? Aufgrund des hohen Anteils an installierter Photovoltaik-Leistung in Deutschland – rund 39.000 Megawatt – sowie in Italien und Frankreich machte die partielle Sonnenfinsternis am 20. März vor allem die Übertragungsnetzbetreiber nervös.
Viele Unternehmen, Verbände und Vereine sahen der Sonnenfinsternis dagegen positiv entgegen, schließlich konnte das Energiewendeland Deutschland an diesem Tag beweisen, dass es mit Netzschwankungen bestens umgehen kann.
Enercast, Anbieter von Leistungsprognosen für erneuerbare Energien, setzte auf Mathematik: Mit komplexen Hochrechnungen und Prognosen für Wind und Solar unterstützte das Unternehmen vergangenen Freitag seine Kunden. Auf Basis von Mess-, Strahlungs- und Wetterdaten berechneten die Spezialisten die zu erwartende Energiemenge, die in den Stunden vor, während und nach der Sonneneklipse von den Photovoltaikanlagen zur Verfügung gestellt werden kann – und sahen keine großen Probleme auf die Stromnetze zukommen.
Virtuelle Kraftwerke
Das Stromhandelshaus Energy2market fühlte sich dagegen mit seinem virtuellen Kraftwerk gerüstet: „Mit unserem Virtuellen Kraftwerk reagieren wir schon heute schneller auf Schwankungen im Netz als fossile Kraftwerke. Die in unserem Pool gebündelten flexiblen Kapazitäten können daher einen bedeutenden Ausgleichsbeitrag bei dem vorhersehbaren Wegfall der Photovoltaik-Stromerzeugung liefern“, sagte Geschäftsführer Andreas Keil. Vor allem durch seine umfangreiche Vermarktung von Biogasanlagen will das Unternehmen steuerbare Leistung zur Verfügung stellen und Kapazitätslücken füllen, wie etwa den durch die Sonnenfinsternis verursachten Ausfall von PV-Anlagen.
Ähnlich sahen es der Verein Nachhaltige Energien und seine Allianz aus Nordgröön Energie und der Wemag: „Biogas kann als regelbare, erneuerbare Energie den Wegfall von fluktuierenden Anlagen sicher ausgleichen. Das ist nicht nur bei seltenen Naturereignissen wie der Sonnenfinsternis der Fall, sondern auch bei alltäglicher Bewölkung und Windflauten. Die Energiewende geht deshalb nur mit Biogas“, sagte Bernd Pommerehne, Vorsitzender des Vereins. Nordgröön Energie betreibt ebenfalls ein virtuelles Kraftwerk aus Biogasanlagen.
Batterie- und Pumpspeicher
Wemag auf der anderen Seite glaubt an Stromspeicher: „Mithilfe unserer hochmodernen Speicher können wir innerhalb von Millisekunden Kapazitäten zur Verfügung stellen und das Funktionieren unserer technisierten Gesellschaft garantieren“, so Wemag-Vorstandsmitglied Thomas Pätzold.
Auch der Bundesverband Energiespeicher (BVES) nutzte die Sonnenfinsternis um die Bedeutung von Speichern zu unterstreichen: „Stünden alle in Deutschland installierten Pumpspeicherkraftwerke für diese eine Aufgabe zur Verfügung, würden sie am Freitag als benötigte Reserve für das deutsche Stromnetz ausreichen. Für kurzfristige Lastschwankungen könnten bereits heute zur Verfügung stehende Batteriespeicher mit extrem kurzen Reaktionszeiten eine Überlastung der Netze verhindern“, so Urban Windelen, Bundesgeschäftsführer des BVES. Um die Netze zu stabilisieren, stehen den Netzbetreibern nach Angaben von Voith unter anderem Pumpspeicherkraftwerke mit einer Leistung von bis zu 7 Gigawatt zur Verfügung.
Im zukünftigen Energiemix können Pumpspeicher, bei zunehmenden Leistungsschwankungen im Netz, den Ausgleichsbedarf decken. Laut einer RWTH-Studie kann eine größere Pumpspeicherflotte ab 2030 schon rund 72 Prozent der überschüssigen Energie aus Wind und Sonne speichern.
Kleine Speicher
Doch auch im Kleinen unterstützen Speicher die Energiewende. Laut Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) nutzen schon jetzt mehr als 15.000 Haushalte in Deutschland mit Hilfe intelligenter Speicher Solarstrom auch bei Dunkelheit. Nach Einführung staatlicher Zuschüsse und einem Preisrutsch im letzten Jahr sei die Nachfrage nach Speichern sprunghaft gestiegen. „Wenn das Sonnenlicht für die Stromproduktion nicht ausreicht, übernimmt der Speicher die Versorgung. Natürlich auch während einer Sonnenfinsternis“, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar. (sque)