Städtische Raumplanung Städte besser planen mit Virtueller Realität

Durch den Einsatz von 3D-Modellen und virtueller Realität können die Auswirkungen von Baumaßnahmen auf den städtischen Raum besser vorhergesagt und gemessen werden, während eine neue Methode implizite Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Menschen erforscht.

Bild: iStock, Maxiphoto
19.07.2023

Wie soll die Stadt aussehen, in der wir leben? Wie wirken sich bauliche Änderungen auf die Menschen aus, die sich darin bewegen? Um das zu untersuchen, bevor viel Geld für Baumaßnahmen ausgegeben wird, nutzen Kartografen der Ruhr-Universität Bochum Virtual-Reality-Anwendungen. Mithilfe der Game Engine „Unity“ bauen sie Szenarien in 3D nach, in denen man mögliche Veränderungen immersiv erleben kann. Dass die körperliche Reaktion auf dieses Erleben messbar ist, konnten sie nachweisen.

Baumaßnahmen, die städtische Orte verändern, verändern den Lebensraum der Menschen, die dort wohnen oder unterwegs sind. Nicht immer sind die Auswirkungen vorab genau abzusehen. Dann hilft es, die Szenerie in einem 3D-Modell nachzubauen, in das man praktisch eintauchen kann, um sie zu erleben. Dafür nutzen die Kartografen um Marco Weißmann eine Software, die eigentlich dazu gedacht ist, Computerspielumgebungen zu programmieren.

„Wir haben eine Art Laborbaukasten entwickelt, in dem man eine Umgebung mitsamt dem Verkehr virtuell nachbilden kann“, erklärt Weißmann. Die Forschenden können damit die Auswirkungen geplanter baulicher Veränderungen direkt sichtbar machen: Wie fließt der Straßenverkehr? Kommen sich Autos und Fußgänger in die Quere oder nicht?

Die impliziten Auswirkungen des Raums messen

Zudem hat der Raum, der uns umgibt, Einfluss auf unser Wohlbefinden. Manchmal bemerken wir das selbst, aber nicht immer. „Wer schon lange an einer lauten Straße wohnt, meint den Lärm zum Beispiel gar nicht mehr zu hören“, so Julian Keil, der von Haus aus Psychologe ist. „Wir wissen aber, dass Anwohner solcher Straßen objektiv betrachtet ein signifikant höheres Stresslevel haben als andere.“

Um solche impliziten Auswirkungen städtebaulicher Maßnahmen zu ermitteln, bevor viel Geld in diese Maßnahmen geflossen ist, hat das Team der Arbeitsgruppe Kartographie eine Methode entwickelt, sie vorab zu messen. Dazu programmierten sie eine städtische Umgebung in der Virtuellen Realität und ließen Versuchspersonen die Szenarien erleben. Währenddessen bestimmten sie die Hautleitfähigkeit der Probanden, die Aufschluss über deren Stresslevel gibt.

Sie konnten zeigen, dass ein erhöhtes Verkehrsaufkommen auf einer Straße die Probanden gemessen an ihrer Hautleitfähigkeit deutlich aus der Ruhe brachte. Um die Ergebnisse zu erhärten, ist eine Studie geplant, in der mehr körperliche Messwerte einfließen sollen, die Aufschluss über das Stresslevel und verschiedene Emotionen der Versuchspersonen geben sollen, darunter Herzfrequenz, Blutdruck und Pupillengröße.

„Bisher wurden Anwohner und andere Interessenvertreter zwar auch in geplante Baumaßnahmen einbezogen, aber nur in Form von Befragungen, also expliziter Äußerungen“, so Keil. „Unsere Methode gibt Raumplanern die Möglichkeit, auch implizite Auswirkungen möglicher Maßnahmen zu messen und in die Planung einzubeziehen.“

Die Experimente für beide Studien wurden klimafreundlich mit Strom aus einer mobilen Solaranlage auf dem Dach des Institutsgebäudes durchgeführt.

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