Durch ihre besondere Stabilität können transparente Keramiken in Bereichen genutzt werden, in denen herkömmliches Glas an seine Grenzen stößt – so zum Beispiel in der Industrie als kratz- und hitzebeständige Sichtfenster in Hochtemperaturöfen. Da sie zudem für kurz- und langwellige Strahlung durchlässig sind, eignen sie sich gut für Linsen in der Ultraviolett-Lithografie oder Sensoren für Infrarot-Bildgebung.
Auch sind Keramiken interessant für Kameras und Smartphones, nämlich als Material für optische Linsen. Durch ihren hohen Brechungsindex sind sie in der Lage, das Licht stärker zu bündeln. Solche Linsen können dadurch dünner ausgeführt werden, wodurch sich Kamerakomponenten leichter miniaturisieren ließen.
Kleinste Oberflächendefekte machen Probleme
Transparente Keramiken haben einzigartige Eigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten – ihre Herstellung ist jedoch schwierig. Sie erfordert hohe Temperaturen und genau definierte Bedingungen, da ansonsten Defekte im Material auftreten können.
„Das macht die Produktion dieser Werkstoffe nicht nur teurer als die von Gläsern und Glaskeramiken“, erklärt Professor Dr. Olivier Guillon, Leiter des Bereichs Werkstoffsynthese und Herstellungsverfahren am Jülicher Institut für Energie- und Klimaforschung. „Aufgrund der Defekte liegen auch die Festigkeitswerte oft weit unter den theoretisch möglichen Grenzen.“
Besonders kritisch sind Materialfehler in der Nähe ihrer Oberfläche. Denn schon kleinste Unregelmäßigkeiten an der Oberfläche können laut Guillon zu Rissen führen. Diese erweitern sich bei bestimmten Belastungen wie dem Biegen, „sodass das Bauteil bricht.“
Hauchdünne Schutzschicht stabilisiert
Funktionelle Beschichtungen könnten dieses Problem lösen. „Unser Ziel war es, das Konzept von verstärkten Gläsern erstmals auf transparente Keramiken zu übertragen“, erklärt Guillon. „Ähnlich wie bei Gorilla-Glas, das in Mobiltelefonen weit verbreitet ist, soll die Oberfläche von transparenten Keramiken durch das Aufbringen einer dünnen Schicht eines anderen Materials stabilisiert werden.“ Durch dieses sogenannte Vorspannen sei eine deutliche Verbesserung sowohl der mechanischen als auch der optischen Eigenschaften zu erwarten.
In der Arbeitsgruppe von Dr. Martin Bram wurde nun der Funktionsnachweis für dieses Konzept erbracht. Für ihre Studie wählten die Wissenschaftler eine transparente Keramik aus Zirkondioxid. Mittels sogenannter Gasphasenbeschichtung wurde auf die erhitzte Oberfläche eine hauchdünne Schicht von unter einem Mikrometer Yttriumdioxid aufgebracht.
„Durch die unterschiedlichen thermischen Eigenschaften der beiden Materialien – Zirkondioxid dehnt sich bei Erhitzung stärker aus und Yttriumdioxid zieht sich bei Abkühlung stärker zusammen – entsteht beim Erkalten in der Beschichtung eine hohe Druckspannung“, erläutert Bram. Diese Spannung sorge dafür, dass die Oberfläche des Bauteils zusammengepresst wird. Die Bildung von Rissen werde dadurch effektiv behindert. Zudem werde das Bauteil „so stabiler und seine Oberfläche beständiger gegen Zerkratzen.“
Belichtungszeiten verkürzen
Gleichzeitig verbessert die Yttriumoxid-Schicht auch die optischen Eigenschaften der transparenten Keramik. Sie verringert die Lichtreflexionen auf der Oberfläche, wodurch mehr Licht durch die Keramik dringen kann. „Wir können die Eigenschaften des Materials gezielt beeinflussen und verändern“, so Bram.
Für eine optische Linse etwa ergäben sich damit eine Reihe von Verbesserungen. „Durch den höheren Brechungsindex der Keramik lassen sich Kamerakomponenten miniaturisieren. Die funktionelle Beschichtung erhöht die mechanische Stabilität und verringert die Reflexion an der Oberfläche, sodass mehr Licht durch die Linse geht: Das verkürzt die nötigen Belichtungszeiten“, führt Bram aus.
Geeignet für industrielle Produktion
Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass ihre Methode den Bruchwiderstand von transparenten Keramiken verdoppelt oder sogar verdreifacht; Werte, die weit oberhalb des Bruchwiderstands von vorgespannten Gläsern liegen. Je nach Wahl und Kombination der Materialien, Schichtdicken und Prozessparameter ließen sich außerdem gezielt mechanische und optische Eigenschaften maximieren.
Theoretisch kann das Verfahren als Nachbehandlung auf fertige Werkstücke angewandt werden, benötigt nur eine geringe Menge an Material und lässt sich innerhalb von Stunden durchführen. Damit soll es für die industrielle Massenproduktion geeignet sein.
Noch ist die Studie der Jülicher Wissenschaftler nur ein sogenannter Proof of Concept: ein Beleg dafür, dass ihre Methode funktioniert. Doch sie sind optimistisch: „Unsere Ergebnisse deuten stark darauf hin, dass sich das Verfahren auf reale Anwendungen übertragen lässt.“