Beim Erreichen der Klimaziele führt an erneuerbaren Energien aus Sonnen- und Windkraft kein Weg vorbei. Die Schwierigkeit: Wind liefert alles andere als kontinuierlich Energie. Dadurch steht immer wieder deutlich mehr Energie zur Verfügung, als benötigt wird, während sie zu anderen Zeiten Mangelware ist. Zudem stellen die Schwankungen das Stromnetz vor Herausforderungen. Insbesondere bei winterlichem Starkwind müssen Windkraftanlagen in manchen Regionen gedrosselt oder zeitweise auch ganz abgeregelt werden, um das Netz nicht zu überlasten.
Forschende des Fraunhofer IBP haben deshalb gemeinsam mit Partnern im Projekt „Windheizung 2.0“, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert wurde und im Mai 2022 seinen Abschluss fand, eine ökonomische und ökologische Lösung entwickelt, um Strom aus Überproduktionen zu nutzen und das Netz gleichzeitig zu entlasten. Die Idee: Steht überschüssiger Strom zur Verfügung und sind die Verteilnetze nicht überlastet, wird die Windenergie zur Gebäudebeheizung genutzt.
Bis zu zwei Wochen Wärme
„Das Besondere: Das Gebäude kann seine Wärmeversorgung dann für etwa zehn bis 14 Tage ohne weiteren Strom oder Wärmebezug sicherstellen“, sagt Dr. Matthias Kersken, Wissenschaftler am Fraunhofer IBP. Diese Dauer ergibt sich aus den deutschen Klimaverhältnissen – alle ein bis zwei Wochen kommt es zu einem Starkwindereignis, das etwa fünf bis neun Stunden andauert.
Die Windheizung 2.0 bietet damit zwei Vorteile: Zum einen verwertet sie Windenergie, die ansonsten aufgrund eines Überangebots womöglich ungenutzt bliebe. Zum anderen stabilisiert sie das Netz, indem eine spezielle Regelungskomponente dafür sorgt, dass die Speicher nur bei freien Kapazitäten im Stromnetz geladen werden. Bei Netzengpässen wiederum beziehen sie – anders als beispielsweise Wärmepumpen – keine Energie.
Damit das funktioniert, ist ein hoher Dämm- und Effizienzstandard des Gebäudes unabdingbar. Schließlich muss die Zeit zwischen den Starkwindereignissen und den Stromengpasszeiten überbrückt werden. Nur bei einem Einsatz in hocheffizienten Gebäuden ist das ansonsten systemschädliche und stromverschwendende direktelektrische Heizen systemdienlich.
Herzstück Wärmespeicher
Möglich machen die Windheizung 2.0 zwei neue Speichertypen, die die Forschenden optimiert beziehungsweise entwickelt haben. Dazu zählt zum einen eine überdämmte Bauteilaktivierung. Bei dieser – ohne Dämmung bereits eingesetzten – Speicherart wird ein Kunststoff- oder Aluminiumverbundrohr in die Betondecke eingegossen. Um die mögliche Speichermenge zu erhöhen, gehen die Forscher mit den Temperaturen des gespeicherten Wassers bei der Windheizung 2.0 weit nach oben. Damit die Räume unter diesem Speicher nicht zu warm werden, dämmen sie die Decke unterseitig, auf der Oberseite hilft die bereits vorhandene Trittschalldämmung.
Bei einem vollen Speicher entspricht der passive Wärmeverlust dem Bedarf des Hauses. Kühlt das Wasser im Laufe der Zeit ab, genügt dies nicht mehr: Dann wird die Dämmung gezielt umgangen, indem das warme Wasser aktiv in eine Decken- oder Flächenheizung gepumpt wird. „Die Speicherverluste auf den Bedarf abzustimmen, ist dabei ein ganz wichtiger Punkt“, betont Kersken. Das heißt: Im Frühjahr darf der Speicher nicht mehr auf 100 Prozent geladen werden, sonst wird es zu warm im Haus. Hier setzt eine Wärmebedarfsprognose an, die in die Regelung der Windheizung 2.0 integriert ist: Sie arbeitet mit der Wettervorhersage und lernt die Charakteristik des Gebäudes und der Nutzung.
Der zweite mögliche Speicher für die Windheizung 2.0 ist ein Hochtemperatur-Steinspeicher – ein zentraler Nachtspeicherofen, der eigens für diese Anwendung entwickelt wurde. Es handelt sich dabei um einen 5 t schweren, gut gedämmten Stein im Keller, der via überschüssiger Windenergie mit Heizwendeln aufgeheizt und langsam mit Luft durchströmt wird. Die Wärme, die auf diese Weise entnommen wird, wird über einen geschlossenen Kreislauf zum Heizen sowie zur Warmwasseraufbereitung genutzt. Möglich ist des Weiteren ein großer Warmwasserspeicher, der mit der überschüssigen Energie aufgeheizt wird und die Temperatur ein bis zwei Wochen hält.
Einsparungen von 200 bis 400 Euro pro Quadratmeter
Die verschiedenen Speicher haben die Wissenschaftler auf dem Gelände des Fraunhofer IBP bereits in drei verschiedenen Versuchsgebäuden getestet. Auch dienten die Messungen dazu, Simulationen zu validieren. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: „Bereits mit dem Prototyp können wir problemlos sieben bis zehn Tage überbrücken, in den betrachteten Gebäuden ließen sich 80 bis 90 Prozent des Strombedarfs durch Überschussstrom decken“, berichtet Kersken. „Der CO2-Fußabdruck sank dabei ebenfalls um 12 bis 26 kg (CO2)/(m2a).“
Auch wirtschaftlich soll die Windheizung 2.0 interessant sein. Auf 25 Jahre gerechnet lassen sich mit ihr, trotz Investitionskosten und Mehraufwand für die Dämmung zur Einhaltung der hohen wärmetechnischen Anforderungen, 200 bis 400 Euro pro Quadratmeter einsparen (bezogen auf ein Referenzgebäude gemäß GEG). Sie eignet sich dabei nicht nur für Neubauten – auch für zu sanierende Gebäude haben die Forschenden eine Lösung entwickelt.
In einem Folgeprojekt, das im November 2022 startete und ebenfalls vom BMWK gefördert wird, soll die Windheizung 2.0 nun zwei Winter lang in vier real bewohnten Gebäuden getestet werden. Interessierte können die Lösung auf der Messe Bau vom 17. bis 22. April 2023 in München begutachten, angefangen bei den unterschiedlichen Speichertechnologien über die notwendige prädiktive Regelung bis hin zu einem Planungstool. Neben einer Präsenz auf dem Stand der Fraunhofer-Allianz Bau (Halle C2, Stand 528) inklusive eines Kurzvortrags am 18. April um 13:50 Uhr rundet eine eintägige Fachveranstaltung zum Thema Windheizung 2.0 am 20. April um 10:30 Uhr das Angebot ab.