E&E:
Virtualisierung ist bislang vor allem im IT-Umfeld ein großes Thema. Nun hält sie auch in die Bahnwelt Einzug. Was sind die Gründe hierfür?
Gunther Gräbner:
Virtualisierung bedeutet die Abstrahierung der physikalischen Hardware von der Software beziehungsweise der Applikationen. Das Ziel von Virtualisierung ist also, von der Hardware unabhängiger zu werden. Das ist gerade für die Bahnwelt wichtig, Stichwort Langzeitverfügbarkeit. Im Bahnbereich sind oft Lebenszyklen von 25 Jahren gefordert. Und wenn in der Zwischenzeit Bauteile oder Systeme abgekündigt werden, stellt das Zugbetreiber und -integratoren vor große Probleme. Denn dann müssen sie alles neu qualifizieren und ihre Applikationen wieder ordentlich zum Laufen bringen. Mit Virtualisierung haben Sie den Vorteil, dass die Software immer gleich bleiben kann. Nur die neue Hardware zu qualifizieren bedeutet viel weniger Aufwand, als das gesamte Produkt mit Hardware und Software zu qualifizieren.
E&E:
Wie muss die Hardware beschaffen sein, die für Virtualisierung ausgelegt ist?
Gunther Gräbner:
Sie muss möglichst viel Rechenleistung bringen, also CPUs mit mehreren Kernen besitzen. Außerdem sind Festplattenspeicher im Bereich von zwei bis acht Terabyte nötig. Letztendlich kommt es aber sehr stark darauf an, wie viele der im Zug vorhandenen Applikationen virtualisiert werden sollen. Aus meiner Sicht sind klassische Applikationen, die man virtualisieren kann, Entertainmentfunktionen. Also wenn man über WLAN Filme, die lokal im Zug gespeichert sind, auf dem Handy anschauen möchte. Oder wenn man etwas im Fahrplan nachschauen, Bücher oder Nachrichten lesen will.
E&E:
Gibt es für die Virtualisierung noch Weiteres, das essenziell ist?
Gunther Gräbner:
Ja. Ein zentrales Thema aus Softwaresicht ist, dass man einen Hypervisor als Abstraktions-
ebene benötigt. Dieser ist in zum Beispiel in Linux-Distributionen als Kernel-
based Virtual Machine bereits vorhanden. Alternativ können auch lizensierte Hypervisoren verwendet werden.
E&E:
Haben Sie vor, in Zukunft Softwareunterstützung anzubieten?
Gunther Gräbner:
Das lassen wir noch offen, weil wir nicht wissen, wo die Trennung stattfinden wird. Auf Hardware- oder auf Hypervisorebene? Ersteres wäre uns natürlich am liebsten. Wenn unsere Kunden aber erwarten, dass wir auch Hypervisor mit der Hardware liefern, werden wir uns auch damit beschäftigen.
E&E:
Auf der Messe Innotrans haben Sie ein Railway Data Center vorgestellt, Ihre neueste Lösung für die Bahn. Um was handelt es sich hierbei?
Gunther Gräbner:
Das Railway Data Center menRDC stellt ein Rechenzentrum für Züge dar. Es ist eine Art Studie beziehungsweise Familienkonzept, das aufeinander abgestimmte Komponenten kombiniert, und so eine Plattform für nicht-kritische Funktionen im Zug bietet, wie Passenger Information, On-Board-Internet, Predictive Maintenance, Fahrer-Assistenz oder die Zug/Land/Zug-Zug-Kommunikation. Über dieses Konzept wollen wir mit unseren Kunden ins Gespräch kommen – um mehr Input von Ihnen zu bekommen, was sie genau brauchen und ob noch Abwandlungen an dem von uns entworfenen Konzept nötig sind.
E&E:
Ist das Railway Data Center auch für die Virtualisierung geeignet?
Gunther Gräbner:
Ja, das Familienkonzept beinhaltet unter anderem einen CompactPCI-Serial-basierenden Main Server, der auf Virtualisierung ausgelegt ist. Denn das Herzstück dieses Main Servers ist ein SBC auf Basis von Intel-Xeon-D-Prozessoren mit bis zu 16 Kernen und integrierten Virtualisierungsfunktionen. Weitere Bestandteile unseres Konzepts sind ein Storage System und ein Network Switch. Alle diese Komponenten müssen dabei gut aufeinander abgestimmt sein. Bei der Ausarbeitung des RDC-Konzepts lag für uns der Fokus darauf, eine Virtualisierung zu ermöglichen – damit die Anzahl der Geräte in einem Zug reduziert werden kann.