Bei Windstille und Dunkelheit schlägt ihre Stunde: Die Rede ist von Pumpspeicherkraftwerken, die als riesige „Batterien“ den aus Wind und Sonne erzeugten Strom speichern und bei Bedarf rasch ins Netz einspeisen. Wie ist der Stand der Dinge bei dieser erprobten, konventionellen Kraftwerkstechnologie?
„Pumpspeicherwerke sind gegenwärtig die einzige Möglichkeit, überschüssige Wind- und Sonnenenergie in großen Mengen effektiv zu speichern und bedarfsgerecht ins Netz einzuspeisen“, sagt René Kühne, Produktionsleiter für Wasserkraftwerke bei der Vattenfall VE-Generation aus Cottbus. Die Hauptrolle übernimmt in Deutschland der schwedische Stromerzeuger, dessen acht Pumpspeicherwerke (PSW) bei Bedarf die Hälfte des maximalen Arbeitsvermögens (38.000 Megawattstunden) aller PSW in Deutschland leisten.
Aktuell besteht die Aufgabe von PSW im Wesentlichen darin, schnell große Leistung aufzunehmen und auch abzugeben. Vattenfall muss diese Aufgabe mit Wasserkraftwerken bewältigen, die im Durchschnitt 53 Jahre alt sind. Die technischen Anforderungen variieren daher enorm. „Wir haben nun fast alle Anlagen so qualifiziert, dass sie die jeweils erforderliche Regelleistung liefern können“, erklärt der Produktionsleiter. „Diesem technisch positiven Aspekt steht allerdings entgegen, dass wir in unserer Doppelrolle als Letztverbraucher und Kraftwerk finanziell doppelt belastet werden. Wir müssen also jede für den Pumpbetrieb nötige Megawattstunde teuer bezahlen.“ Insofern steigen die variablen Kosten durch die neue Rolle als ausgleichender und speichernder Faktor im Stromerzeugungssystem. „Unsere wirtschaftliche Not ist daher elementar“, berichtet Kühne. Politisch kämpfe Vattenfall deshalb dafür, dass der Gesetzgeber den Status von PSW als Letztverbraucher im Energiewirtschaftsgesetz abschafft.
Wie sinnvoll eine juristische Änderung ist, zeigt ein Blick auf die Bedeutung dieser Kraftwerke bei extrem starken Netzschwankungen. Dazu zählen planmäßige Störungen wie die Sonnenfinsternis am 20. März 2015, als die Pumpspeicherkraftwerke den massiven Wegfall und das Wiedereinsetzen von Solarenergie (13.000 bis 19.000 Megawatt) kompensieren mussten: PSW-Betreiber wie Vattenfall sorgten durch Anfahrzeiten im Minutenbereich, Bereitstellen von Systemdienstleistungen und Optimieren des Stillstandsgeschehens für ein stabiles Netz. Derartig kritische Netzsituationen dürften künftig – so die Einschätzung des Experten – wesentlich häufiger als bisher vorkommen.
Ähnlich sehen das auch namhafte PSW-Hersteller. „Durch das ständige Über- und Unterangebot von Strom aus erneuerbaren Energien mit steilen Gradienten werden die Lastwechsel immer häufiger“, beobachtet Heike Bergmann, Mitglied der Geschäftsführung Voith Hydro aus Heidenheim. „Wir sind daher zunehmend herausgefordert, Versorgungssicherheit und Systemstabilität zu gewährleisten.“
Ein aktuelles Beispiel dafür ist das größte drehzahlvariable Pumpspeicherkraftwerk in Europa: Das neue PSW Frades II in Portugal erhält von Voith Hydro zwei Pumpturbineneinheiten mit einer Leistung von insgesamt 780 Megawatt – es kann leicht die Leistung von einem oder mehreren großen Offshore-Windparks puffern. Für flexiblen Betrieb sorgen doppelt gespeiste Asynchronmaschinen, deren Drehgeschwindigkeit im Gegensatz zu herkömmlichen Synchronmaschinen von der Netzfrequenz entkoppelt ist und daher variieren kann. „Die neuen Systeme können schneller und flexibler auf Nachfragen aus dem Stromnetz reagieren“, so Bergmann. „Während eine herkömmliche Anlage sowohl im Motor- als auch im Generatorbetrieb entweder ein- oder ausgeschaltet ist, können die neuen Einheiten entsprechend der aktuellen Nachfrage im Netz innerhalb ihres Drehzahlbereichs mit jeder Drehzahl betrieben werden.“ Das sei eine wichtige Eigenschaft beim Einspeisen stark schwankender Energien wie Wind- oder Solarkraft. Außerdem würden drehzahlvariable Anlagen zusätzliche Stabilität bei Spannungsabfall bieten und die Wahrscheinlichkeit eines Stromausfalls verringern. Darüber hinaus könne ein PSW danach deutlich schneller wieder in Betrieb gehen als Anlagen mit herkömmlichen Turbinen mit fester Drehzahl.
Auch für andere Hersteller von Pumpspeicherwerken haben sich die Anforderungen an die Technik in den Jahren seit der Energiewende in Deutschland extrem gewandelt. Peter Magauer, Spartenleiter Großanlagen bei der Andritz Hydro in Ravensburg: „In einem modernen integrierten Konzept auf Basis erneuerbarer Energien müssen heute temporär sehr hohe Leistungen aus der volatilen Erzeugung durch Wind und Photovoltaik dem Verbrauch in ständig wechselnder Menge angepasst werden.“ Wenn der Anteil neuer erneuerbarer Energien gering ist oder flexible Energiequellen wie Speicherwasserkraft zur Verfügung stehen, gäbe es noch kein großes Problem.
Magauer: „Wenn aber einmal der Großteil der elektrischen Energien aus erneuerbaren Quellen stammt, halte ich einen wesentlichen Anteil an Speicherwasserkraft oder PSW in einem Energiemix für unerlässlich.“ Als interessante Beispiele nennt er den Neubau von zwei Pumpspeicherwerken in Portugal, durch die sich die gesamte Kraftwerkskaskade am Unterlauf des Flusses Douro wesentlich bedarfsgerechter betreiben lässt. Das portugiesische PSW-Duo würde so die Energieerzeugung aus der Windkraft optimal ergänzen. Magauer hofft angesichts dieser Vorteile, dass nun auch die Politik mitzieht. „Die Politik muss die Speicherung von elektrischer Energie als Notwendigkeit erkennen. Das war im bisherigen Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht der Fall.“