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Aufrüstung ermöglicht Experimente in neuer Dimension Weltgrößter Fusionsreaktor bekommt Upgrade

Blick in das mit Grafitkacheln verkleidete Plasmagefäß.

11.09.2017

Die Plasma-Experimente an der Fusionsanlage Wendelstein 7-X gehen in die zweite Runde. Zusätzliche Ausrüstung hat die Anlage fit für höhere Heizleistung und längere Pulse gemacht. Damit werden nun Experimente möglich, mit denen untersucht wird, ob sich die Kernfusion für die Kraftwerkspraxis eignet.

Neben neuen Heizungs- und Mess­appa­raturen wurden seit März letzten Jahres, dem planmäßigen Ende der ersten Experimentierphase, über 8000 Wand­kacheln und zehn „Divertor“-Module aus Grafit im Plasmagefäß der Fusionsanlage Wendelstein 7-X im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald montiert. Diese Verkleidung soll die Gefäßwände schützen und für die kommenden Experimente höhere Temperaturen sowie zehn Sekunden lange Plasmaentladungen möglich machen.

Die Schlüsselrolle des Diverstors

Eine besondere Funktion erfüllen dabei die zehn Teilstücke des Divertors: In breiten Streifen an der Wand des Plasmagefäßes folgen seine Kacheln genau der verwundenen Kontur des Plasmarandes. So schützen sie speziell diejenigen Wandbereiche, auf die entweichende Teilchen aus dem Rand des Plasmaringes gezielt gelenkt werden. Zusammen mit unerwünschten Verunreinigungen werden die auftreffenden Teilchen hier neutralisiert und abgepumpt. Der Divertor ist damit ein wichtiges Werkzeug, Reinheit und Dichte des Plasmas zu regeln.

Modell eines Fusionkraftwerks

Bereits am kleineren Vorgänger, dem Stellarator Wendelstein 7-AS im IPP in Garching, waren die Ergebnisse der Divertortests ermutigend. Aber erst im deutlich größeren Greifswalder Nachfolger Wendelstein 7-X sind die geometrischen Verhältnisse – insbesondere das Verhältnis von Divertorfläche zu Plasmavolumen – kraftwerksähnlich. „Wir sind deshalb sehr gespannt, nun erstmals untersuchen zu können, ob das Divertorkonzept eines optimierten Stellarators wirklich gut funktioniert“, sagt Projektleiter Professor Thomas Klinger. Diese Tests werden breiten Raum einnehmen: Sorgfältig wird man in vielen Detailuntersuchungen prüfen, wie das Plasma zu führen ist und welche Magnetfeldstrukturen, Heiz- und Nachfüllverfahren am erfolgreichsten sind.

Das Verhalten des Plasmas entschlüsslen

Mit neu hinzugekommenen Messinstrumenten wird man erstmals auch die Turbulenz im Plasma beobachten können: Die dabei entstehenden kleinen Wirbel beeinflussen, wie gut der magnetische Einschluss und die Wärmeisolation des heißen Plasmas gelingt – ein wichtiger Wert für ein späteres Kraftwerk, weil er die Größe der Anlage und damit die Wirtschaftlichkeit bestimmt.

„Wir werden zum ersten Mal prüfen können, ob die vielversprechenden Vorhersagen der Theorie für einen vollständig optimierten Stellarator richtig sind. Im Vergleich zu bisherigen Anlagen lässt sie nämlich für Wendelstein 7-X ganz neue, womöglich sogar bessere Verhältnisse erwarten“, so Thomas Klinger.

Plasma mit mehr Power

Da für die Mikrowellen-Heizung des Plasmas inzwischen alle zehn Mikrowellensender einsatzbereit sind, werden nun ein größerer Energiedurchsatz und Plasmen höherer Dichte möglich: Von 4 Megajoule im Jahr 2016 wird man sich jetzt – indem man nach und nach alle Einsatzvarianten der Mikrowellenheizung durchspielen und testen wird – auf eine Energie von 80 Megajoule steigern. Die bisher noch recht niedrige Plasmadichte lässt sich damit auf kraftwerksähnliche Werte mehr als verdoppeln.

Dies hat bedeutende Konsequenzen: Erst bei genügender Dichte des Plasmas können Elektronen und Ionen effektiv Energie austauschen. Zuvor hatte die Mikrowellenheizung fast nur die Elektronen geheizt. Statt 100 Millionen Grad heißer Elektronen und kalter Ionen mit 10 Millionen Grad wie bisher werden in den neuen Plasmen Elektronen und Ionen fast gleiche Temperatur bis zu 70 Millionen Grad besitzen. Damit sollte auch die Wärmeisolation des Plasmas steigen. War sie bislang, bezogen auf die Anlagengröße, nur oberer Durchschnitt, sollte sich nun die Wirkung der Wendelstein 7-X zugrundeliegenden Optimierung zeigen können: „Es wird sehr spannend“, sagt Thomas Klinger.

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