Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war das Zeitalter der Elektronik: Elektronische Bauelemente wurden immer komplexer und kleiner, aber diese Prozesse stoßen nun an Grenzen. Die Spintronik verspricht, mit deutlich weniger Energieeinsatz Informationen allein auf der Grundlage von Spins zu speichern oder zu transportieren. Allerdings ist es immer noch eine Herausforderung, Spins durch externe Felder zuverlässig und in großem Maßstab zu steuern.
Die Übergangsmetall-Dichalcogenide (TMD) sind neben Graphen die am intensivsten untersuchten quasi-zweidimensionalen Materialien, die Ladungsdichtewellen, Supraleitfähigkeit und nichttriviale topologische Eigenschaften zeigen. Hafniumdiselenid (HfSe2) gehört zu dieser Klasse von Materialien. Jetzt hat ein Team an BESSY II die elektronische Struktur von HfSe2 analysiert und eine neue Eigenschaft entdeckt, die die Erzeugung und Kontrolle von Spinströmen erleichtern könnte.
Von der Elektronik zur Spintronik
„Um von der Elektronik zur Spintronik überzugehen, müssen wir Materialien finden, in denen sich Spin-up- und Spin-down-Elektronen unterschiedlich verhalten“, sagt Erstautor Oliver Clark. Es gibt zwei Möglichkeiten, dies zu erreichen: „Wir können entweder das Material von außen stören, sodass Elektronen mit unterschiedlichen Spins funktional ungleichwertig werden, oder wir können Magnete verwenden, bei denen die Elektronen mit entgegengesetzten Spins von Haus aus funktional unterschiedlich sind."
Bei der ersten Methode liegt die Schwierigkeit darin, geeignete Materialpaarungen und Mechanismen zu finden, mit denen die Spin-Kontrolle von außen aufgezwungen werden kann. Für die so genannten 2H-strukturierten TMDs benötigt man beispielsweise perfekte Einkristalle und eine zirkular polarisierte Lichtquelle. Im Gegensatz dazu ist die zweite Methode viel einfacher, aber die Integration von Magneten in Bauelemente ist für den Betrieb herkömmlicher elektronischer Komponenten problematisch, vor allem in kleinem Maßstab.
Zwischen diesen beiden Möglichkeiten gibt es jedoch einen Mittelweg, zumindest für einige ausgewählte Materialien wie HfSe2: „Wenn man dieses Material mit linear polarisiertem Licht untersucht – das einfacher zu erzeugen ist als zirkular polarisiertes Licht – verhält es sich in Bezug auf seine Spinstruktur wie ein Magnet. So wird die Spin-Selektivität sehr einfach, und man hat nicht die Probleme, die mit anderen magnetischen Eigenschaften verbunden sind“, erklärt Clark. Der Vorteil ist: Die Kristallqualität oder die Ausrichtung der Probe spielen keine Rolle mehr.
Dies eröffnet einen völlig neuen Weg zur Erzeugung von spinpolarisierten Strömen aus Übergangsmetall-Dichalcogeniden. „Unsere Ergebnisse sind nicht nur für Physikerinnen und Physiker von Bedeutung, die sich mit geschichteten zweidimensionalen Materialien beschäftigen, sondern auch für alle, die sich mit der Herstellung von spintronischen und opto-spintronischen Bauelementen beschäftigen“, hofft Clark.