In der Industrie werden immer mehr Komponenten zu vernetzten, intelligenten Teilnehmern. Damit einher geht auch die Grenzverschiebung vom rein unternehmensinternen Netzwerk hinaus in die Welt, ins Internet, in die Cloud. Oder in anderen Worten: Industrial Internet of Things (IIoT).
Wenn also immer mehr Sensoren und Aktoren mit steigendem Bandbreitenbedarf Netzwerkteilnehmer werden, braucht es neue Technologien. Das Ziel: Ethernet von der Cloud bis an jeden Sensor. Jeder Sensor wird smart, ist individuell auswertbar und damit ein essenzielles Stück auf dem Weg zum IIoT. Was bisher fehlte, war die passende Infrastruktur.
Derzeitige Ethernet-Netzwerke beruhen auf zwei- beziehungsweise vierpaarigen Kabeln und Steckverbindern. Diese bekannte Infrastruktur ist jedoch zu groß und zu teuer, wenn man sich vorstellt, welch schiere Anzahl an Sensoren und Aktoren im Feld anzubinden sind. Bus-Leitungen sind nicht ohne Grund platzsparend und günstig ausgelegt.
Die Lösung für diesen Bedarf an schmaler, aber leistungsfähiger Infrastruktur heißt Single Pair Ethernet (SPE).
SPE-Norm ist für Industrieanwendungen wichtig
Ursprünglich als Alternative zum CAN-Bus in der Autoindustrie entwickelt, musste diese neue Infrastruktur leicht sein, platzsparend und dennoch in der Lage, höhere Bandbreiten zu übertragen. Ethernet im Fahrzeug statt Bus war das Ziel.
Die Chancen dieser Technologie für die Industrie hat der Steckverbinderspezialist Harting aus Espelkamp früh erkannt und ist schnell in die Normung für ein einheitliches Steckgesicht für Industrieanwendungen mit SPE gegangen. Denn während in der Automobilindustrie jeder Hersteller üblicherweise auf eigene Steckverbinderlösungen setzt, investieren Industrieanwender in der Regel gerne in standardisierte Schnittstellen, die einen einheitlichen und kompatiblen Markt aus Geräten und Infrastruktur bilden.
Durch die deutlich höheren Anforderungen an Steckverbinder und Kabel hinsichtlich der Schirmung mussten diese komplett neu entwickelt, getestet und standardisiert werden. Seit Januar 2020 ist mit der IEC 63171-6 die Infrastruktur für SPE-Anwender fertig genormt. Harting hat mit der T1-Industrial-Style-Schnittstelle nach IEC 63171-6 den internationalen Standard für SPE-Schnittstellen in zukünftigen IIoT-Netzwerken gesetzt. Ein Standard, der in den relevanten Normen für Verkabelung und Übertragungsprotokolle IEC 11801 und IEEE 802.3 referenziert ist.
Die Normengremien ISO/IEC und TIA haben dazu bereits 2018 einen internationalen Auswahlprozess angestoßen, in dem sich die Harting-T1-Industrial-Style-Schnittstelle als Standard für SPE-Industrieanwendungen durchgesetzt hat. Zudem haben sich inzwischen viele Branchengrößen diesem einheitlichen Standard verpflichtet und im SPE Partner Network organisiert.
Wie unterstützt SPE den Weg ins IIoT?
Single Pair Ethernet hat im vergangenen Jahr stark an Bedeutung gewonnen und ist bei vielen großen Industrieunternehmen in den Fokus gerückt. Oft fällt die Abkürzung SPE zusammen mit Megatrends wie Industrie 4.0 und IIoT. Aber wieso ist SPE eigentlich für diese Trends so wichtig?
Um diese Frage zu beantworten, muss man fragen, was IIoT eigentlich bedeutet. Wofür steht das Internet der Dinge in der Industrie?
Die bekanntesten Dinge, die hier oft genannt werden, sind vorbeugende Datenerhebungen, wie es sie früher nicht gab. Steckverbinder, Antriebe, Lager und viele weitere Komponenten, die smart werden und ihre Daten beispielsweise an Edge-Computer übergeben, welche daraus eine „Predictive Maintenance“-Vorhersage ermitteln. Ändern sich Stromverbrauch, Vibration oder andere Parameter, können clevere Algorithmen Verschleiß ermitteln, der vorzeitig und kostensparend behoben werden kann.
Diese Anwendungen werden heute noch nicht in der Masse eingesetzt, aber bei der Neukonstruktion von Maschinen und Anlagen findet es immer häufiger Anwendung. In den nächsten zehn Jahren wird zu beobachten sein, wie immer mehr Sensoren in der Feldebene in Maschinen, Robotern, Positioniersystemen, Logistik oder vielen anderen vorstellbaren Anwendungen eingesetzt werden und eine umfassende Datenerhebung bis in die letzten Winkel der Feldebene realisieren.
Um dies nun auch echtzeitfähig und auf Grundlage einer durchgehenden Sprache, in Form von Ethernet, zu tun, braucht es einen neuen Physical Layer – Single Pair Ethernet.
SPE reduziert die Komplexität drastisch
Mit SPE wird eine komplett neue physikalische Infrastruktur geschaffen, die über nur noch ein Adernpaar endlich passende Datenraten und auch Spannungsversorgung über deutlich gesteigerte Entfernungen bis 1.000 m übertragen kann. Mit TSN ist diese Übertragung echtzeitfähig, mit TCP/IP ist jeder Netzwerkteilnehmer identifizierbar und mit Power over Data Line (PoDL) ist auch die gleichzeitige Energieversorgung bis zu 50 W am Gerät möglich. Ohne Gateways und Übersetzer. Ein Protokoll für alle Anwendungen.
Damit reduziert sich auch der Aufwand für Einrichtung und Parametrierung drastisch. Um die Infrastruktur für SPE zu komplettieren, bieten nun auch erste Hersteller von Magnetics, Halbleitern und Testequipment ihre Produkte für erste Design-In-Projekte an.
Abschließend lässt sich definitiv sagen: Single Pair Ethernet bietet klare Vorteile für alle Nutzer in Prozessindustrie und Automatisierung. Ethernet vom Sensor bis in die Cloud wird echte I4.0-Realität.