Messsystem für Lebensmittelhersteller Wieso lässt sich Milch nicht immer perfekt aufschäumen?

Damit Milch für Kaffeespezialitäten immer die gleich hohe Qualität aufweist, entwickeln Forscher ein neues Online-Messsystem für Lebensmittelunternehmen.

Bild: iStock, eskymaks
30.10.2020

Latte Macchiato, Cappuccino, Melange: Die Deutschen lieben ihren Kaffee mit Milch. Die Schaumkrone sollte cremig und feinporig sein, ist dies bei vielen Chargen H-Milch aber nicht. Ein neues Analysesystem soll herausfinden, woran das liegt.

Milch richtig aufzuschäumen, ist eine Kunst für sich. Für die Zubereitung von Kaffeespezialitäten in einem Café oder einer Bar verwenden Baristas gerne eine fetthaltige H-Milch. Sie muss über ihre gesamte Haltbarkeitsdauer neben guten geschmacklichen Eigenschaften auch über eine gleichbleibende Aufschäumqualität verfügen.

Doch einzelne Produktionschargen der fetthaltigen Milch weisen oftmals nicht die gewünschte Qualität auf: Sie lassen sich nicht so gut aufschäumen, wie von Gastronomie, Cateringfirmen und Verbrauchern gefordert wird. Treten Reklamationen auf, wird die Marke künftig gemieden oder sogar nicht mehr im Handel geführt.

Zwei Teams von der Universität Hohenheim sind nun auf der Suche nach Ursachen und Lösungen hierfür. Prof. Jörg Hinrichs vom Fachgebiet Milchwissenschaft und -technologie erklärt die Problematik: „H-Milch ist ein bewährtes Produkt, dessen Herstellung schon lange etabliert und bewährt ist. Doch jetzt werden zusätzliche Anforderungen an dieses Produkt gestellt, die bisher keine Rolle spielten – wie eben die Aufschäumbarkeit.“

Milchschaumbildung von vielen Faktoren beeinflusst

„Milch ist ein Naturprodukt, das großen Schwankungen unterworfen sein kann“, sagt Hinrichs. Das betreffe nicht nur ihre Zusammensetzung, die durch Faktoren wie das Futter oder die Jahreszeit beeinflusst wird, sondern auch die Frage, wie sie vor der Verarbeitung behandelt wird.

So stehe die Milch nach dem Melken am Wochenende gegebenenfalls länger bis zur weiteren Verarbeitung als unter der Woche. „Allein das macht schon einen Unterschied“, betont der Forscher. „Und auch haltbar gemachte Milch verändert sich während der Lagerung.“

Zudem sei die genaue Ursache für die nicht zufriedenstellende Aufschäumbarkeit noch unbekannt. „Deswegen haben wir zunächst einmal ein Standard-Messverfahren entwickelt, um herauszufinden, was warum nicht funktioniert“, sagt Hinrichs. „Weil die verschiedenen Maschinen für das Milchaufschäumen alle leicht unterschiedlich funktionieren, ist es sonst sehr schwer, den Grund zu finden. Wir können dann nicht sagen, ob das Problem an der Milch oder an der Maschine liegt.“

Empfehlungen für möglichst gleichbleibende Milchqualität

Aus den Forschungsergebnissen leitet Hinrichs mit seinem Team Empfehlungen für die Unternehmen ab, wie sie Produktveränderungen minimieren und eine H-Milch mit möglichst gleichbleibendem Aufschäumverhalten herstellen können. Das fängt bei der Behandlung der Rohmilch an, geht über verschiedene Verarbeitungsprozesse wie Homogenisieren und Erhitzen bis hin zur Abfüllung und Lagerung.

„Die Qualitätssicherung in den Firmen überprüft heute mit zahlreichen Analysemethoden, ob die chemischen, physikalischen und mikrobiologischen Eigenschaften des fertig verpackten Produkts innerhalb bestimmter Grenzen liegen“, erläutert Prof. Dr. Bernd Hitzmann vom Fachgebiet Prozessanalytik und Getreidewissenschaft. Die Komplexität der Vorgänge bis zum Mindesthaltbarkeitsdatum lassen sich so aber nicht widerspiegeln. Eine Prognose, wie sich die Qualität der Milch über die Zeit entwickelt, ist damit nur bedingt möglich.

Sofortiges Eingreifen bei abweichenden Inhaltsstoffen

Durch eine Kombination verschiedener spektroskopischer Verfahren wie Raman-, Nahinfrarot- und Fluoreszenz-Spektroskopie kann die Konzentration von verschiedenen Inhaltsstoffen bestimmt werden. „Anhand der Spektren können wir sogar sehen, welche Milch von welchem Hersteller stammt“, sagt Hitzmann.

Möglich werden damit aber auch Prognosen zu den Qualitätseigenschaften bis zum Mindesthaltbarkeitsdatum. Weicht beispielsweise das spektrale Muster von den sonstigen Chargen ab oder ist dem Muster einer Reklamation sehr ähnlich, kann die Qualitätssicherung sofort reagieren, ohne aufwendige und zeitintensive Analyseergebnisse abzuwarten.

Auch für andere Produkte anwendbar

Langfristiges Ziel der Forscher ist eine Automatisierung ihres Analyseverfahrens. Das System soll dann direkt in den Produktstrom vor dem letzten Behandlungsschritt und/oder der Abfüllung integriert werden und das flüssige Produkt online analysieren.

Hitzmann denkt aber noch weiter: „Grundsätzlich lässt sich dieses Verfahren auch auf andere Produkte übertragen und sich zum Beispiel bei der Beurteilung von Produkteigenschaften oder zur Früherkennung von Instabilitäten in verschiedenen Rohstoffen, Halbfertigfabrikaten und bei der Verarbeitung anderer flüssiger Produkte einsetzen.“

Das Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) ist eine Kooperation der Fachgebiete Milchwissenschaft und -technologie sowie Prozessanalytik und Getreidewissenschaft an der Universität Hohenheim. Projektbeginn war der 1. Juli 2018, voraussichtliches Ende soll der 31. Dezember 2020 sein.

Bildergalerie

  • Für ihre Untersuchungen zur Produktinstabilität von H-Milch haben die Hohenheimer Forscher ein eigenes Aufschäumsystem entwickelt.

    Für ihre Untersuchungen zur Produktinstabilität von H-Milch haben die Hohenheimer Forscher ein eigenes Aufschäumsystem entwickelt.

    Bild: Darius Hummel, Universität Hohenheim

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