Mit der Verabschiedung der EEG Novelle 2016 wurde insbesondere der Windenergie sprichwörtlich der Wind aus den Segeln genommen. Gleich aus mehreren Gründen: Durch das jetzt beschlossene Ausschreibungssystem wird die Akteurs-Vielfalt und damit die dynamische Entwicklung einer ganzen Branche grundlos aufs Spiel gesetzt. Der verschärfte Zubaudeckel und die Schaffung von Netzausbauzonen tun ihr übriges. Danach wird ausgerechnet im windintensiven Norden der Republik der Ausbau der in Betrieb genommenen Leistung auf 58 Prozent des Jahresdurchschnitts der letzten drei Jahre begrenzt. Ohne die Beschränkungen im Zubau, so die Begründung der Bundesregierung, würden die auf die Verbraucher umgelegten Netzkosten durch das EEG deutlich ansteigen.
Volkswirtschaftlicher Unsinn
Volkswirtschaftlich betrachtet ist die Argumentation unsinnig. Zum einen weil die Folgekosten des verhinderten Zubaus an erneuerbarer Energieerzeugung deutlich höher sind und die Netzausbaukosten über intelligente Lösungen weitersinken könnten. Zum anderen weil durch die gesetzlichen Eingriffe und Limitierungen künftig das Ausschreibungsverfahren wettbewerblich gar nicht ausgenutzt werden kann. Man baut, ähnlich wie beim Ausschreibungsverfahren PV, auf die Mitnahmeeffekte, indem man Menge, Standort und Höchstgebote beschränkt und damit den Überhang an guten Windprojekten ausnutzt, um sich dann gegenseitig zu kannibalisieren.
Doch das wirkt sich noch nicht einmal am Schwerwiegendsten aus. Das EEG 2016 macht einmal mehr deutlich, dass die Bundesregierung das wahre Potenzial der erneuerbaren Energien immer noch nicht erkannt hat. Ihr Ausbau ist eben mehr als ein Ersatz für eine ehemals CO2-intensive Stromerzeugung. Erneuerbare Energien sind die Stützpfeiler einer echten Energiewende, die auch den Wärme- und Mobilitätsmarkt mit einbezieht. Nur wenn alle Sektoren sinnvoll miteinander gekoppelt werden, ist es tatsächlich möglich, den Treibhausgas-Ausstoß in Deutschland bis zum Jahr 2020 um mindestens 40 Prozent zu reduzieren. Ein Ziel, dass die Bundesregierung selbst im Energiekonzept 2010 festgelegt hat.
Pilotprojekt in Nordfriesland
Technisch ist die Sektorenkopplung kein Problem. Durch innovative Umwandlungs- und Speichertechnik können erneuerbare Energien schon heute die Energieversorgung zu 100 Prozent garantieren. Auch wenn der Wind mal nicht weht oder die Sonne nicht scheint. Ein Beispiel ist der sogenannte Stromlückenfüller. Überschüssiger EE-Strom wird mithilfe von PEM-Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt und bei Dunkelflaute wieder über das BHKW einer Biogasanlage zurückverstromt. Die bei der Elektrolyse anfallende Wärme wird in einer Wärmesenke, hier in der Wärmeinfrastruktur der Biogasanlage mitgenutzt und erhöht somit den Gesamtwirkungsgrad. Darüber hinaus kann der zu Wasserstoff veredelte erneuerbare Strom weiteren, sinnvollen Nutzungen zugeführt werden. Und das zum Beispiel direkt vor der Haustür, in dem dieser Wasserstoff im öffentlichen Personennahverkehr, der statt klimaschädliche Diesel-Bussen saubere, wasserstoffbetriebene Fahrzeuge nutzt, als Treibstoff eingesetzt wird.
Wie das konkret in der Praxis funktioniert, möchte GP Joule in Zukunft in Schleswig-Holstein demonstrieren. An fünf Standorten mit Wärmesenken soll überschüssiger Strom aus Windkraftanlagen in Power-to-Gas-Anlagen in Wasserstoff veredelt und in Drucktanks gespeichert werden. Die Abwärme der Elektrolyse wird an den vorhandenen Wärmesenken in Wärmenetze eingespeist und so voll nutzbar gemacht. An zwei zentralen Standorten sollen darüber hinaus zwei Wasserstofftankstellen entstehen, an denen zwei wasserstoffbetriebene Linienbusse mit CO2-freiem Treibstoff betankt werden. Ein Paradebeispiel für eine geschlossene – und vor allem CO2-freie – Energiewertschöpfungskette, die zusätzliche regionale Wertschöpfung aus Erneuerbaren schafft.
Neben dem Verkehrssektor bietet vor allem der Wärmemarkt ein großes CO2-Einsparpotenzial. Mit einem Anteil von 40 Prozent ist er der größte Energieverbraucher in Deutschland. Wenn Dekarbonisierung also mehr als ein Schlagwort sein soll, müssen auch in diesem Bereich die erneuerbaren Energien künftig eine noch wichtigere Rolle spielen – in dem beispielsweise der gesamte Heizungsmarkt mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben wird.
Bundesregierung hinkt hinterher
Als im vergangenen Dezember auf der Pariser Weltklimakonferenz erstmals eine verbindliche 2-Grad-Obergrenze festgeschrieben wurde, war seitens der Bundesregierung der Jubel noch groß. „Wir haben heute Geschichte geschrieben“, sagte niemand geringeres als die Bundesumweltministerin direkt nach den Verhandlungen. Und tatsächlich: die Pariser Beschlüsse haben vielerorts zu einem Umdenken geführt, das selbst Klima-Optimisten nicht für möglich gehalten hätten.
Nur ausgerechnet die Bundesregierung hinkt den ambitionierten Klimaschutzzielen hinterher und behindert sie sogar – wie die EEG Novelle 2016 zeigt. Das ist umso unverständlicher, als dass jetzt erstmals die Chance besteht, die erneuerbaren Energien neben einem ökologischen auch zu einem nachhaltigen ökonomischen Erfolg zu machen, und das langfristig unabhängig von Subventionen durch das EEG oder Netzentgelten. Doch statt Knüppel zwischen die Beine zu werfen, müsste die Bundesregierung dafür rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen, die eine Entwicklung dieses Marktes zulassen.
Konkret bedeutet dies, dass eine komplette Neu-Strukturierung der staatlich induzierten Strompreiskomponenten nötig ist. Bisher ist es so, dass ausgerechnet die fossilen Energieträger im Wärme- und Mobilitätsmarkt besser gestellt sind als die erneuerbaren Energien. Der Grund: die unverhältnismäßig hohe Belastung des EE-Stroms macht nicht vor der Sektorengrenze halt. Das ist unverhältnismäßig und alles andere als zeitgemäß. Da auch der europäische Emissionshandel keinerlei Lenkungswirkung hin zu klimafreundlicheren Investitionen zeigt, ist es deshalb dringend an der Zeit, die Steuerabgaben im kompletten Energiebereich – als Strom, Wärme und Mobilität – künftig an den CO2-Ausstoß zu koppeln. Die einfache Logik: Wer viel CO2 emittiert bezahlt mehr, wer kein CO2 verbraucht überhaupt nichts. Die Zeiten in denen die Atmosphäre als kostenloses CO2-Enlager missbraucht wird, müssen ein für alle mal vorbei sein.
„Krise“ als Chance nutzen
Vor diesem Hintergrund relativiert sich dann auch die aktuell immer wieder angesprochene Krise der Windenergie. Denn klar ist: für das Erreichen der Klimaziele und somit eine nachhaltige Dekarbonisierung ist ein weiterer umfangreicher Zubau von Windkraftanlagen essentiell. Sie produzieren unschlagbar günstigen CO2-freien Strom in rauen Mengen, der dann unmittelbar vor Ort veredelt und neuen Absatzmärkten zugeführt werden kann. Gerade für die vielen Windkraftanlagen die in den kommenden Jahren aus der Förderung herausfallen, eröffnen sich so auf einen Schlag eine Vielzahl neuer Nutzungsmöglichkeiten – wenn wir es denn ernst meinen mit dem Klimaschutz!?