Halbjährlich veröffentlicht Deloitte seinen CFO Survey. Die Befragung reflektiert die Einschätzungen und Erwartungen von CFOs deutscher Großunternehmen zu makroökonomischen, unternehmensstrategischen und finanzwirtschaftlichen Themen. Die Herbst-Ausgabe 2022 bestätigt jetzt die Befürchtungen aus dem Frühjahr: Durch Faktoren wie Geopolitik und Inflation bricht die Konjunktur ein, der Abschwung ist da. Neben Konjunktur, Risiken und Strategien thematisiert die Studie in einem eigenen Schwerpunkt auch die Dynamisierung der Finanzfunktion.
„Der Abschwung ist in Deutschland angekommen, und mit ihm hat die Einstellungs- und vor allem Investitionsbereitschaft in Deutschland abermals gelitten“, sagt Dr. Alexander Börsch, Chefökonom bei Deloitte. „Kein Wunder, schließlich gehen auch die Margen in Zeiten von Inflationssteigerung, Lieferkettenproblemen, Energiepreisen und Zinsanhebung zurück. Kostensenkungen sind jetzt mit Abstand Priorität Nummer eins für Unternehmen.“
Außerdem mache sich ein weiterer Effekt bemerkbar: Die geopolitischen Herausforderungen durch Pandemie und Ukraine-Krieg haben den Fokus für Investitionen weg von China in Richtung Deutschland und Europa gelenkt. „Geostrategische Faktoren werden wichtiger für die Standortentscheidungen von Unternehmen sowie ihrer Lieferketten und sollen laut unserer Befragung in Zukunft eine sehr viel prominentere Rolle in der Unternehmensstrategie spielen“, führt Börsch aus.
Hin zu „made in Germany“
Die stark gestiegenen Unsicherheiten infolge der geopolitischen Unwägbarkeiten wirken sich entsprechend auf die Lokalisierung der geplanten Investitionen aus, und zwar hin zu „made in Germany“ und „Friendshoring“. So spiegelt der CFO Survey eine zunehmende Vorsicht deutscher Unternehmen bei Auslandsinvestitionen wider: Ein knappes Fünftel verschiebt seine Auslandsinvestitionen wegen der gegenwärtigen politischen Risiken.
Rund 70 Prozent der befragten Finanzvorstände planen, ihre Investitionen im kommenden Jahr verstärkt in Deutschland zu platzieren und somit Unsicherheiten infolge der geopolitischen Risiken und den damit einhergehenden Lieferkettenproblemen entgegenzuwirken. Vor dem Hintergrund steigender Energiepreise in Europa orientieren sich allerdings die energieintensiven Sektoren eher in Richtung USA.
Verschiedene Mittel gegen Inflation
Um mit plötzlichen Preissteigerungen umzugehen, nutzen Unternehmen verschiedene Strategien. Fast alle befragten CFOs (91 Prozent) beabsichtigen, die erhöhten Kosten direkt durch höhere Preise an ihre Kunden weitergeben, vor allem die Branchen Automobil- sowie Transport und Logistik. Firmenintern planen 77 Prozent der CFOs, durch besseres Cash-Flow-Management gegen die steigenden Preise vorgehen.
Vor dem Hintergrund der wachsenden Energiepreise streben fast drei Viertel der Unternehmen bessere Energieeffizienz oder mehr Energieeinsparungen an. Diese Strategie ist vor allem für die Automobilbranche zentral – fast 90 Prozent der Teilnehmenden ordnen hier bessere Energieeffizienz als wichtig beziehungsweise sehr wichtig ein, um mit den steigenden Preisen umzugehen.
Mehr Digitalisierung in Finanzabteilungen
Die externen Herausforderungen offenbaren auch Schwächen in den Finanzabteilungen der Unternehmen. Insbesondere in Bezug auf den Reifegrad der Finanzfunktionen deutscher Unternehmen zeichnen die Ergebnisse des CFO Survey ein ernüchterndes Bild: Demnach geben rund drei Viertel der CFOs an, in der Finanzfunktionen die Potenziale der Digitalisierung noch nicht auszuschöpfen. Besonders innovative digitale Technologien, Datenmanagement und Analytics sowie neue Mitarbeiter- und Arbeitsplatzanforderungen fehlen hier.
Dadurch fühlen sich viele Finanzvorstände nur unzureichend auf die neuen Anforderungen vorbereitet – seien es globale Umbrüche, die Notwendigkeit einer Geschäftsmodelltransformation oder neue Mitarbeiteranforderungen. Infolgedessen sehen 73 Prozent unter den Befragten eine hohe oder sehr hohe Notwendigkeit, die Finanzfunktion schneller an sich rapide ändernde Anforderungen anzupassen.
Harte Zeiten für verarbeitendes Gewerbe
Die Geschäfts- und Konjunkturaussichten im verarbeitenden Gewerbe sind auf einem neuen Tiefststand angelangt. 60 Prozent der befragten Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe wollen ihre Investitionen verringern. Besonders düster sieht die Lage in der Chemieindustrie aus. Die andauernden Auswirkungen des Krieges und der Pandemie, zusammen mit dem einsetzenden wirtschaftlichen Abschwung und einem damit einhergehenden Sinken der Nachfrage, setzen die Produktionskosten unter Druck.
Ebenfalls bedrohlich ist der Fachkräftemangel, der die Lohnkosten im verarbeitenden Gewerbe überdurchschnittlich in die Höhe treibt. Zugleich liegen die Pläne für Investition und Beschäftigung deutlich im negativen Bereich.
Maue Aussichten bei Immobilien
Auch im Real-Estate-Sektor sind die Geschäftsaussichten drastisch gefallen, die Erwartungen für die konjunkturelle Entwicklung befinden sich in der zehnjährigen Geschichte des CFO Survey auf einem Rekordtief. Das höchste Risiko erwächst hier aus der fehlenden Nachfrage, was die Unsicherheit im Markt weiter steigen lässt. Die nachlassende Inlandsnachfrage und die steigenden Zinsen aufgrund der Zinswende kommen zu den hohen Energiepreisen und dem Fachkräftemangel noch hinzu.
Operative Margen wie auch Investitionspläne sind in diesem Bereich ebenfalls deutlich negativ, was sich in Kostensenkungen und Rückstellung von Investitionen bemerkbar macht. Die Erwartungen für die Beschäftigung bleiben jedoch noch positiv. Auch hier erwarten die CFOs, dass die Inflation über die nächsten Jahre hoch bleiben wird. Entsprechend dürften ihrer Ansicht nach auch die Löhne trotz wirtschaftlicher Unsicherheit steigen, jedoch eher unterproportional zur Inflationsentwicklung.
Alle Sektoren unter Druck
Börsch fasst zusammen: „Vor dem Hintergrund von Kaufkraftverlusten durch Inflation und Rezessionssorgen ist im Vergleich zum Frühjahr auch die schwächere Inlandsnachfrage ein wesentlich signifikanterer Risikofaktor geworden. Hinter dem Top-Risiko steigender Energiekosten sind der Fachkräftemangel und steigende Löhne die wichtigsten Risiken, während die Gefahr steigender Rohstoffkosten dagegen etwas abgenommen hat.“
In der Industrie seien von den gestiegenen Energiekosten vor allem die Automobil-, Chemie- und Pharmabranche betroffen. Und während geopolitische Risiken im Gesamtdurchschnitt an Bedeutung verloren haben, „sind diese für Großunternehmen noch immer das Top-Risiko“, sagt Börsch. „Für eher Binnenmarkt-orientierte Sektoren, wie zum Beispiel Real Estate, ist die schwache Inlandsnachfrage das größte Risiko.“