Investitionen von fast 600 Milliarden Euro geplant 6 Wege wie das europäische Stromnetz zukunftsfähig wird

Anja van Niersen, CEO von Milence gibt sechs Empfehlungen zur Zukunftssicherung des europäischen Stromnetzes: Transparenz bei Standortbewertungen, Vereinfachung der Antragsverfahren, proaktive Netzplanung, Überarbeitung des Regulierungsrahmens, Unterstützung erneuerbarer Energien und Einführung zeit- und volumenabhängiger Netzentgelte.

Bild: iStock, gremlin
25.07.2024

Die EU-Kommission plant Investitionen von fast 600 Milliarden Euro in die Netzinfrastruktur, um die Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Angesichts der steigenden Nachfrage im elektrifizierten Straßengüterverkehr gibt Anja van Niersen, CEO von Milence, sechs Empfehlungen zur Zukunftssicherung des europäischen Stromnetzes. Diese Maßnahmen sollen die Infrastruktur stärken und die Elektrifizierung vorantreiben.

Der Aktionsplan der EU-Kommission zum Ausbau des europäischen Stromnetzes sieht Investitionen in die Netzinfrastruktur in Höhe von fast 600 Milliarden Euro vor, um die Klimaziele bis 2030 erreichen zu können. Dies zeigt die Dringlichkeit des Ausbaus der Infrastruktur. Diese Notwendigkeit betont auch Anja van Niersen, CEO von Milence, insbesondere im Hinblick auf den schnell wachsenden Markt für den elektrifizierten Straßengüterverkehr. Sie gibt daher sechs Empfehlungen, wie das europäische Stromnetz zukunftsfähig gemacht werden kann:

1. Transparenz bei der Bewertung von Standort- und Netzkapazitäten

Die Betreiber von Ladeparks (Charge Point Operators, CPOs) in vielen EU-Ländern benötigen effiziente Verfahren zur Bewertung der Netzkapazität, der Verfügbarkeit von zusätzlichem Strom und der Kosten für die Sicherung zusätzlicher Ressourcen. Die Bewertung der Netzkapazität ist entscheidend, um die Eignung von Standorten für Ladeparks für schwere Nutzfahrzeuge zu bestimmen.

Milence empfiehlt die Einführung von Tools, die einen schnellen Zugriff auf Details der Netzanbindung pro Standort bieten. Das ermöglicht unverbindliche Kostenschätzungen und Einblicke in den Zeitrahmen für den Ausbau des Netzanschlusses. Dazu sollten auch digitale Karten gehören, auf denen Gebiete mit hoher oder überschüssiger Netzkapazität markiert sind.

2. Vereinfachung des Antragsverfahrens

Wenn CPOs mit unzureichenden Stromkapazitäten konfrontiert sind, benötigen sie zukunftssichere Netzanschlüsse, die wiederum eine Verstärkung des Stromnetzes erfordern. Die Antragsverfahren hierfür sind derzeit jedoch sehr komplex. Um mehr Klarheit zu schaffen, sollten sie gestrafft werden und Transparenz über den ungefähren Zeitrahmen vom ersten Antrag bis zur endgültigen Entscheidung bieten.

3. Proaktive Netzplanung auf Basis aktueller Marktdaten

Um eine nahtlose Elektrifizierung zu erreichen, müssen alle Akteure zukünftige Investitionen proaktiv planen. Dies betrifft insbesondere die Netzbetreiber, die unter Zeit- und Kostendruck stehen. Aber auch andere Marktteilnehmer wie Betreiber von Ladeparks für schwere Nutzfahrzeuge, OEMs und Flottenbetreiber müssen ihren Beitrag zu einer proaktiven, langfristigen Netzplanung leisten. Nur so lassen sich die notwendigen Netzkapazitäten sicherstellen und Engpässe vermeiden.

Verlässliche Szenarien auf Basis aktueller Marktdaten und technologischer Annahmen bilden die Grundlage für die Planung von Netzauf- und -ausbauten sowie anderen Investitionen. Diese Szenarien sollten im Einklang mit politischen, industriellen und klimapolitischen Zielen stehen.

4. Überarbeitung des Regulierungsrahmens für Investitionen

Der derzeitige Regulierungsrahmen bietet den Verteilernetzbetreibern (VNB) häufig keine Anreize für vorausschauende Investitionen, da sie Investitionen ohne klaren kurzfristigen Bedarf als ineffizient betrachten. Ein überarbeiteter Rechtsrahmen, der die öffentliche Finanzierung solcher Projekte ermöglicht und frühzeitige sowie angemessene Investitionen in die Netzanbindung fördert, ist von entscheidender Bedeutung. Dies gilt insbesondere für strategisch wichtige Parkplätze und geplante Ladeparks entlang der Korridore des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V), die aus EU- und nationalen Mitteln gefördert werden. Auf diese Weise können potenzielle Gebührenerhöhungen abgefedert und wiederholte kostspielige Infrastrukturarbeiten vermieden werden.

5. Unterstützung erneuerbarer Energiequellen

Batteriebetriebene Elektro-LKW erzielen den größten Dekarbonisierungseffekt, wenn sie mit erneuerbarer Energie aus Strombezugsverträgen (Power Purchase Agreements, PPAs) oder lokal erzeugter Wind- oder Solarenergie geladen werden.

Um die Inbetriebnahme zu beschleunigen, sollten Ladeparks, möglichst mit stationären Batteriespeichern, den Anforderungen der Logistikunternehmen entsprechen und direkt an nahe gelegene Standorte für erneuerbare Energien angeschlossen sein. Letzteres reduziert den Bedarf an zusätzlicher Infrastruktur. Flexible Anforderungen bieten neue Möglichkeiten für den Netzanschluss, denn so lassen sich die Ladeparks mit der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen verbinden. Und das verbessert die Kosten- und Energieeffizienz.

6. Übergang zu zeit- und volumenabhängigen Netzentgelten

Die Netzentgelte für Großverbraucher wie LKW-Ladeparks basieren auf der Spitzenlastleistung (kW). Das kann die Kosten im Vergleich zu volumenabhängigen Entgelten (kWh) deutlich erhöhen. Dieses Verfahren soll eine effiziente Netznutzung fördern. Für LKW-Ladeparks stellt es jedoch aufgrund der hohen Nachfragespitzen während der vorgeschriebenen Pausen der Fahrer eine Herausforderung dar. Flexible, zeitvariable volumetrische Tarife könnten diesen Mustern besser gerecht werden, die Rentabilität in der frühen Marktphase sicherstellen und den Kunden klare Preissignale geben. Dies würde eine effiziente Energienutzung fördern, Staus verringern und den Betrieb sowie die Investition in Ladepunkte mit hoher Kapazität unterstützen – insbesondere für den Straßengüterverkehr.

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