Die Kühlung von Atomen und Ionen auf nahezu den absoluten Nullpunkt ist heute in vielen Laboren Routine. Die Teilchen lassen sich bei diesen Temperaturen sehr gut kontrollieren, und solche Systeme bieten eine ideale Plattform für die Erforschung vieler wissenschaftlicher Fragestellungen und sind die Basis für Präzisionsuhren oder Quantenbits.
Überraschenderweise entziehen sich aber negativ geladene Ionen, sogenannte Anionen, diesen Bemühungen der Wissenschaft. Sie lassen sich nur schwer abkühlen. Forscher der Universitäten Heidelberg und Innsbruck haben nun gemeinsam eine Technik weiterentwickelt, mit der die jeweils wärmsten Teilchen aus einer Wolke von Molekül-Ionen gezielt aussortiert und auf dieses Weise die verbleibenden Molekül-Ionen auf unter 3 K gekühlt werden können.
Verdampfungskühlung für Anionen
Bei dem Experiment sind die Ionen in einer Radiofrequenzfalle eingeschlossen und verteilen sich entlang der Längsachse der Falle. Dabei können sich Ionen mit höherer Energie weiter vom Zentrum der Falle entfernen. „Das nutzen wir aus, um diese Ionen gezielt aus dem Spiel zu nehmen“, erzählt Eric Endres vom Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck.
„Mit einem fokussierten Laserstrahl, der auf den Rand der Ionenwolke zielt, neutralisieren wir die wärmeren Ionen. Die Photonen des Lasers lösen dabei ein Elektron aus dem Anion, wodurch ein neutrales Molekül entsteht, das aus der Falle fällt.“ Nachdem die hochenergetischen Ionen verdampft sind, kühlen sich die verbleibenden Ionen auf eine niedrigere Temperatur ab. „Durch langsames Bewegen des Laserlichts in Richtung des Fallenzentrums werden die Anionen mit der höchsten Energie nacheinander verdampft, was in weniger als vier Sekunden zu einer Temperatur von 2,2 K führt“, erklärt Saba Hassan vom Physikalischen Institut der Universität Heidelberg.
Bisher eingesetzte Techniken erlauben das Kühlen von Anionen bis 3 K. „Mit der von uns weiterentwickelten Methode kann diese Schranke nun im Prinzip für jede Art negativ geladener Moleküle durchbrochen werden, was viele neue Untersuchungen über die Grundlagen der Natur oder zum Beispiel von chemischen Reaktionen im Weltraum erlaubt“, zeigen sich die Forschungsgruppenleiter Matthias Weidemüller und Roland Wester begeistert.