Die DIN ISO 55001 ermöglicht es Unternehmen und Organisationen, das Management ihrer physischen Assets aller Art mithilfe eines Anforderungskatalogs zu überprüfen und zu steuern. Möglich gemacht hat die Zertifizierung TÜV Süd. Und das war in diesem Fall gar nicht so einfach: Denn in Deutschland gibt es derzeit noch keine offiziell zugelassenen Zertifizierer für die DIN ISO 55001:2018. Ein Dilemma, das der weltweit vernetzte TÜV Süd Konzern lösen konnte.
Managementsystem für kapitalintensive Branchen
Das Asset Managementsystem befasst sich mit der Anlagenwirtschaft eines Betriebs oder einer Organisation. Es soll die Investitions- und Kostenplanung des Anlagevermögens regeln und Planung und Neubau, Umbau und Stilllegung von Anlagen, Infrastrukturen und Gebäuden managen. Der gesamte Lebenszyklus der Assets wird betrachtet, potenzielle Risiken identifiziert und gesteuert. Die Effektivität der Anlagen soll dabei durch ein proaktives Instandhaltungsmanagement gesteigert werden.
Das Asset Managementsystem 55001 ist daher vor allem für kapitalintensive Branchen aus Öl und Gas, IT-Infrastruktur, Strom- und Versorgungsunternehmen oder Immobilien wichtig. Wie die anderen DIN ISO Normen 9001 (Qualität), 14001 (Umwelt) oder 45001 (Gesundheit und Sicherheit bei der Arbeit) basiert auch die 55001 auf der High Level Structure und ist mit ihnen kompatibel.
Vorteile einer Zertifizierung
Eine Zertifizierung nach DIN ISO 55001 beweist, dass Systeme hinsichtlich ihrer Qualität und Sicherheit geprüft und für gut befunden wurden. Außerdem bestätigen sie die Einhaltung eines technischen Mindestniveaus und die Konformität mit den Vorgaben der Norm, sowie mit entsprechenden Gesetzen. Daher wird die Zertifizierung oft auch als „Konformitätsbewertung“ bezeichnet. Unternehmen können durch Nachweis einer vertrauenswürdigen Zertifizierung ihre Bemühungen beispielsweise um Effizienz und Nachhaltigkeit für Kunden belegen.
„Die Mitnetz-Gesellschaften betreiben wertintensive Assets und gewährleisten eine sichere und zuverlässige Energieversorgung. Dass dies effizient und nachhaltig entsprechend der weltweit maßgeblichen Norm ISO 55001 erfolgt, können wir nun allen Stakeholdern mit einem Zertifikat belegen“, erklärt Ulf Aleit, Leiter Asset Management bei Mitnetz.
Akkreditierung ist in Deutschland noch nicht möglich
Damit Unternehmen auf den Wert einer solchen Zertifizierung vertrauen können, muss die Kompetenz des Zertifizierers eindeutig belegbar sein. TÜV Süd lässt sich daher beispielsweise bei einer unabhängigen Akkreditierungsstelle wie der Deutschen Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) selbst überprüfen.
Die DAkkS bestätigt, dass der Zertifizierer seine Leistungen fachlich kompetent, unter Beachtung gesetzlicher sowie normativer Anforderungen und auf international vergleichbarem Niveau erbringt. Für Unternehmen, die einen Zertifizierer suchen, ist dies ein entscheidender Punkt.
Das Problem: Für die DIN ISO 55001 wird eine solche Akkreditierung derzeit noch gar nicht angeboten. Zertifizierer können also in Deutschland noch kein Akkreditiv erhalten, mit dem sie die Qualität ihrer Auditierung belegen können. Für Zertifizierer ist das eine Schwierigkeit, für die der weltweit agierende Konzern TÜV Süd eine Lösung fand: Er ließ akkrediterte Experten aus dem Büro in Singapur den Auditierungsprozess leiten.
Unternehmensumstrukturierung mit Hilfe des Asset Managementsystems
Die Energiewende und die sich dadurch rapide verändernden Märkte zwangen auch die Mitteldeutsche Netzgesellschaft Strom und ihre Schwester, die Mitteldeutsche Netzgesellschaft Gas, über neue Strukturen nachzudenken. In diesem Prozess kristallisierten sich neue Unternehmensziele heraus die in vielen Bereichen mit den Inhalten der DIN ISO 55001 korrespondieren.
Daher entschloss sich Mitnetz dazu, ein entsprechendes Managementsystem zu etablieren und sich dieses verbindlich zertifizieren zu lassen. Der Kontakt zu TÜV Süd bestand bereits, da das Unternehmen schon mehrere Zertifizierungen erhalten hat. Doch der Wunsch von Mitnetz nach einer akkreditierten Zertifizierung zur DIN ISO 55001 war nicht ohne Weiteres zu erfüllen.
„Als Mitnetz mit diesem Anliegen auf uns zukam, mussten wir uns erst einmal erkundigen, ob dies möglich ist“, erinnert sich Dipl.-Ing. Michael Weigl, TÜV Süd Regionalleiter Ost. „Durch die weltweite Vernetzung von TÜV Süd stießen wir aber bald auf unsere Kollegen bei der TÜV Süd PSB Pte Ltd in Singapur, die als Zertifizierer für die DIN ISO 55001 akkreditiert sind. Über diesen Umweg können wir als derzeit einziger Anbieter auf dem deutschen Markt Konformitätsprüfungen im Asset Management durch einen akkreditierten Zertifizierer anbieten.“
Wettbewerbsvorteile für Unternehmen
Welche Vorteile Mitnetz sich von einer Zertifizierung durch einen amtlichen Kontrolleur verspricht, erklärt Ulf Matthes, der Beauftragter für das Asset Managementsystem bei Mitnetz ist: „Durch die Zertifizierung erhoffen wir uns auch einen Wettbewerbsvorteil. Die Kommunen, für die wir Netze betreiben, sind natürlich stark daran interessiert, dass wir das effizient machen – und das können wir mit der Zertifizierung nochmal extra belegen. Und auch im Netzdienstleistungsgeschäft, wo wir zum Beispiel Windparks anschließen, Anlagen errichten und betreiben, können wir so nachweisen, dass wir das nicht nur mit großem Know-how, sondern normgerecht und effizient machen.“
Auditierungsprozess und Zertifizierung
In einem Prozess, der sich über eineinhalb Jahre erstreckte, führte Mitnetz die Neuerungen zum Asset Managementsystem 55001 in den beiden Unternehmensbereichen Gas und Strom ein. Dabei holte sich das Unternehmen auch Hilfe von außen. Als die Strukturen standen und Geschäftsführung und Mitarbeiter diese verinnerlicht hatten, fand das Stufe-1-Audit, das sogenannte Vor-Audit, statt. Dazu reiste im März 2019 ein Auditor aus Singapur an.
„Der hat uns im Wesentlichen bestätigt, dass wir gut aufgestellt sind. Es gab nur noch ein paar Kleinigkeiten vor dem eigentlichen Zertifizierungsaudit zu verändern“, erinnert sich Ulf Matthes. Im Mai war es dann soweit: Zwei Auditoren flogen von Asien nach Sachsen-Anhalt, um als akkreditierte Prüfer die Zertifizierung durchzuführen.
Begleitet wurden sie von zwei deutschen Kollegen, Michael Weigl und Heiko Probst, die nicht nur vermittelt haben, sondern auch aufmerksam zuhörten: „Uns war es wichtig, dass wir diesen Auditierungsprozess eng begleiten und immer für unseren Kunden da sind“, erzählt TÜV Süd Experte Michael Weigl. „Dabei konnten wir auch für zukünftige gemeinsame Projekte Erfahrungen und Know-how sammeln. Denn wir sehen durchaus einen großen Markt für derartige Zertifizierungen, auch wenn diese noch nicht gesetzlich vorgeschrieben sind.“
Mithilfe eines professionellen Dolmetschers, der auch die Fachbegriffe und spezifischen Vorgänge in der jeweiligen Sprache verständlich machte, ging es los: Vier Tage lang wurde das Asset Managementsystem im Unternehmen geprüft. „Am Anfang war ich sehr angespannt, obwohl wir wirklich gut vorbereitet waren. Aber die Zertifizierung ist einfach ein Meilenstein, den man auch gut schaffen will – gerade, wenn die Zertifizierer auch noch von so weit her kommen“, erzählt Matthes. „Doch die Angst war unbegründet: Wir konnten dem Auditor aus Singapur zeigen, dass wir die Prozesse wirklich leben und hinter dem Managementsystem stehen: Von der Geschäftsführung bis zum Außendienstmitarbeiter sind alle voll involviert.“
Erste deutsche Zertifizierung nach 55001
Schlussendlich hat die Mitnetz die Zertifizierung nach DIN ISO 55001 bestanden. Beide Gesellschaftsteile, also Strom und Gas, erhielten im Juni 2019 die Zertifikate, die bestätigen, dass sie das Asset Managementsystem gemäß DIN ISO 55001:2018 eingeführt haben, anwenden und alle Anforderungen erfüllen.
Die Zusammenarbeit mit TÜV Süd empfanden die Mitnetzler als angenehm: „Wir wollten aus dieser Zertifizierung auch selbst noch etwas dazulernen – das ist uns auch gelungen“, lobt Ulf Matthes. „Unsere Kunden und auch wir selbst profitieren jetzt durch ein erprobtes und geprüftes Managementsystem im Bereich Asset Management, das jährlich überprüft wird.“