Norddeutsches Flachland. Der Himmel bewölkt. Der Wind pfeift. Es ist ungemütlich. „Schietwetter“, wie der Hamburger sagen würde. Bei solchen Bedingungen kommt eine Kletterpartie nicht infrage? Das sieht Hauke Reimers anders. Der Head of Electrical Product Engineering bei der Senvion GmbH ist in seinem Element. Wind, genauer: Windenergieanlagen sind das Geschäft von ihm und seinen 4500 Kollegen bei dem weltweit operierenden Unternehmen mit Hauptsitz in Hamburg. Darum steht er auch morgens auf dem Feldweg, knapp 30 Kilometer von der nächsten Großstadt entfernt, und setzt den Sicherheitshelm auf. Mit einem Durchmesser von 114 Metern kreist der gewaltige Rotor einer 3,2-Megawatt-Anlage über ihm. „Und das soll auch so bleiben“, sagt Reimers.
In der Abgelegenheit der Region ist es elementar, der eingesetzten Technik vertrauen zu können. Für Fehler ist kein Raum. „Qualität und Langlebigkeit sind bei unseren Anlagen essenziell“, sagt Reimers. Mit modernster Kommunikationstechnik behält Senvion die Anlagen vom Turbine Control Center (TCC) in Osterrönfeld aus im Blick. „Das liegt zwar nicht allzu weit entfernt in Schleswig-Holstein, ist aber keine regionale Leitwarte. Dort gehen auch die Informationen von Windparks in Kanada, Australien oder auf der Nordsee ein“, erklärt Reimers, während er seinen Laptop im Turminneren aufklappt. Technikexperten von Senvion erhalten rund um den Globus Aufträge, sobald das TCC Probleme nicht per Direktzugriff am Computer beheben kann.
Horroszenario Stillstand
Die Bedeutung jedes einzelnen Bauteils für die Betriebssicherheit einer Windenergieanlage wird in der ländlichen Einöde deutlich. Schon kleine Defekte können zum Stillstand führen. Jeder Tag Stillstand führt zu mehreren Tausend Euro Ertragsausfall. „Darum kontrollieren wir alle Komponenten, wenn sie in unserer Fertigung ankommen und die Fabrik wieder verlassen genauestens“, berichtet Reimers. Das gilt auch für die Schaltschränke von Rittal, die bei vielen Senvion-Anlagen zum Einsatz kommen. Sie übernehmen Steuer- und Überwachungsfunktionen.
Behutsam und akribisch sichert sich der Technikexperte am Fuße der schmalen Leiter gegen einen möglichen Absturz. Dazu absolvieren Reimers und seine Kollegen regelmäßige Ausbildungen zur Sicherung. Schnell erklimmt er die Sprossen zur Gondel. Dort ist in fünf aneinandergereihten Schränken der Umrichter, das elektronische Herz der Windenergieanlage, untergebracht. „Er bringt den Windstrom auf die passende Frequenz, um ihn ins Stromnetz einzuspeisen“, so Reimers.
Für diesen Einsatz sei es besonders praktisch, dass sich die TS 8 Schaltschränke von Rittal standardmäßig wie in einem Baukastensystem sehr flexibel ausbauen und in alle Richtungen anreihen lassen – ob Seite an Seite oder Rücken an Rücken. Reimers: „Die Standardisierung ist ein großer Vorteil, um die Schaltschrankkombination, je nach Größe des Umrichters, zu erweitern. Alles ist mit minimalem Aufwand möglich.“ Dank der dreischichtigen Oberflächenbehandlung (nanokeramische Vorbehandlung, Elektrophorese-Tauchgrundierung und Struktur-Pulverbeschichtung) sind sie zudem extrem robust gegenüber Korrosion und Beschädigungen.
Damit lässt sich das Schaltschranksystem weltweit nutzen – ob die Windräder im Schnee, in den Tropen oder auf hoher See stehen. Auch in Norddeutschland, wo die Anforderungen nicht so extrem sind, sind die Mikrocontroller, Leistungshalbleiter, Sicherungen und Leistungsschütze bestens gegen Feuchtigkeit, Staub und wechselnde Temperaturen geschützt, wie sich Reimers vor Ort versichert. Unabhängig von den oft unwirtlichen Umgebungsbedingungen haben alle Windenergieanlagen eines gemeinsam: Von ihren gigantischen Rotoren gehen dauerhaft Vibrationen aus. „Umso wichtiger ist es, die Elektrik vor Erschütterungen zu schützen“, merkt Reimers an. Dafür hat Rittal eine Variante des Schaltschrankes TS 8 entwickelt, bei dem sowohl die Montageplatte als auch der Verschluss mechanisch verstärkt sind. Die Verstärkung verhindert, dass die Vibrationen den Schaltschrank in Schwingungen versetzen, die sich sonst schlimmstenfalls immer weiter aufschaukeln könnten.
Windräder sind ständig online
Diese Schutzmaßnahmen gelten auch für die Top-Box, einen der wichtigsten Schaltschränke in einem Windrad, oben in der Gondel. Die Top-Box überwacht den Antriebsstrang und steuert die Drehung der Gondel. „Die Top-Box und die Bottom-Box tauschen permanent Daten miteinander aus und kommunizieren auch mit dem TCC.“ Die Windräder melden sich nicht nur bei Problemen in der Leitwarte, damit Experten wie Hauke Reimers sie beheben. Sie senden auch ihre wichtigsten Betriebsdaten wie Windgeschwindigkeit, Stromproduktion und Getriebetemperatur. „Das wird auch unter dem Aspekt der präventiven Wartung immer interessanter“, erklärt Reimers.
Das bedeutet: Verschleißteile sollen genau dann ersetzt werden, wenn es nötig ist. Das gilt zum Beispiel auch für die Filterlüfter an den Schaltschränken. Im Laufe des 25-jährigen Lebens einer Windturbine müssen diese mehrmals gewechselt werden, so wie es Reimers an diesem Tag erledigt. Je präziser der Zeitpunkt, desto weniger Lüfter werden über die Lebensspanne der Anlage benötigt und desto effektiver lassen sich somit die Wartungskosten senken.
Eine Lösungsmöglichkeit bietet Rittal. Für einen effizienten Betrieb und die Möglichkeit der Lüfterüberwachung kann der Einsatz von Filterlüftern mit EC-Technologie in Betracht gezogen werden. Sie bietet einen geringeren Stromverbrauch und die Möglichkeit, mittels der standardmäßig integrierten Steuerschnittstelle den Lüfter anzusteuern sowie die Lüfterdrehzahl und -funktion zu überwachen. Das Ergebnis: eine schnelle und einfache Ausfallerkennung der Lüfter und eine noch höhere Betriebssicherheit.
Solche Gedankenspiele verfolgt Senvion auch bei der Prototypenentwicklung, wie Reimers bei seiner Inspektion berichtet. Dort plant Senvion zur präziseren Temperatursteuerung den Einsatz der Kühlgeräte der Reihe Blue e+. Damit ließen sich auch die Fernüberwachung und die vorausschauende Wartung ausbauen. Da sich die Blue e+ Geräte mit einer IP-Adresse versehen lassen, kann Senvion künftig jederzeit aus der Ferne Messwerte der Sensoren im Kühlgerät darstellen. Dies lässt Auswertungen zu aufgetretenen Systemmeldungen, maximal aufgetretenen Umgebungstemperaturen, minimaler Schaltschrankinnentemperatur sowie Einschaltdauer und Auslastung zu. Kühlgeräte würden so ein fester Bestandteil von Industrie-4.0-Konzepten. Das verbessert den Service, sowie den Betrieb und führt zu Einsparungen.
Dann könnten die Technikexperten der Firma Senvion künftig seltener ausrücken, als sie das derzeit müssen. Die Schaltschranklösungen mit moderner Kommunikationstechnik von Rittal tragen dazu bei, dass sich die Rotoren der Senvion-Windkraftanlagen viele Jahre lang verlässlich drehen und sauberen und grünen Strom produzieren. So auch in Norddeutschland, wo der Head of Electrical Product Engineering nach der Behebung kleinerer Komponentenfehler bereits alle Parameter an das TCC übermittelt hat und seine Sachen zusammenpackt.